Über 150 Organisationen haben die Debatte um Leistungskürzung für Geflüchtete scharf kritisiert. "Mit Bestürzung verfolgen wir die aktuelle politische Debatte über Asylsuchende", hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Appell, der von Sozialverbänden, Flüchtlingshilfen, Anwaltsvereinen und Menschenrechtsorganisationen unterzeichnet wurde. Die Diskussion in Deutschland um Geflüchtete werde "zunehmend von sachfremden und menschenfeindlichen Forderungen dominiert".
Die Debatte suggeriere, Geflüchtete seien die zentrale Ursache für gesellschaftliche Missstände wie fehlender Wohnraum oder fehlende Schul- und Kitaplätze, hieß es. Diese hätten jedoch andere Ursachen und würden auch bestehen, wenn Deutschland keine Asylsuchenden aufnehmen würde, erklärten die Organisationen weiter. "Geflüchtete werden so zu Sündenböcken für die verfehlte Sozialpolitik der letzten Jahre, ohne dass dadurch die tatsächlich bestehenden Probleme gelöst werden." Wer aber Scheinlösungen präsentiere, verspiele Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit.
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Amnesty International, Oxfam, Save the Children, die Diakonie Deutschland, der Caritasverband und die Geflüchtetenorganisation Pro Asyl. Deren rechtspolitische Sprecherin Wiebke Judith betonte die Bedeutung der "für alle geltenden Menschenwürde": Diese scheine in der öffentlichen Debatte kaum noch etwas zu zählen - "das ist mehr als erschreckend".
"Jeder Mensch hat Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum", betonte sie. Sachleistungen oder Kürzungen am Existenzminimum Geflüchteter seien "auch ein Angriff auf unseren demokratischen und sozialen Rechtsstaat". Sachleistungen seien "diskriminierend, teuer und verfassungsrechtlich mindestens fragwürdig". Das gelte auch für die von einigen Politikerinnen und Politikern sowie Bundesländern geforderte und zum Teil schon geplante Bezahlkarte für Geflüchtete.
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten am Wochenende die Absenkung von Leistungen für Asylbewerber gefordert, unter Umständen sogar "auf null". Sie forderten zudem schnellere Asylverfahren. © AFP
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