Im polnischen Wahlkampf musste er mit harten Bandagen kämpfen. Donald Tusk war als Vorsitzender der oppositionellen Bürgerplattform (PO) der Hauptgegner der rechtsnationalistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die er den Prognosen zufolge nun nach acht Jahren von der Macht verdrängen kann. "Die Herrschaft der PiS ist vorbei", rief der 66-Jährige am Sonntagabend bei der Wahlparty seiner Partei in Warschau.
Den früheren EU-Ratspräsidenten Tusk und den PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski verbindet seit Jahren eine innige Feindschaft. Am Wahlabend verkündete Tusk nun voller Genugtuung: "Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, wir haben sie von der Macht vertrieben."
Tusk war vor zwei Jahren in die polnische Innenpolitik zurückgekehrt und hatte die Führung der liberal-konservativen Bürgerplattform, die er 2001 selbst mitgegründet hatte, übernommen. Zuvor musste der Historiker und eingefleischte Fußballfan als EU-Ratspräsident von 2014 bis 2019 zahlreiche Krisen bewältigen: von der Migration über die griechische Finanzkrise bis hin zu den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien. Von 2019 bis 2022 war er Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP).
In den Online-Netzwerken hat Tusk die PiS im Wahlkampf hart angegriffen - vor allem wegen der zweistelligen Inflation, der Verschärfung des Abtreibungsrechts und zuletzt wegen einer Affäre um massenhaft illegal vergebene Visa. Profitieren konnte Tusk auch von einer Krise in der Armee, die wenige Tage vor der Wahl durch den Rücktritt zweier ranghoher Militärs ausgelöst wurde.
Aber auch Tusk sah sich im Wahlkampf scharfer Kritik und persönlichen Angriffen der Regierungspartei ausgesetzt. Der rechtspopulistische PiS-Chef Kaczynski, der offiziell Vize-Ministerpräsident ist, de facto aber den Kurs der Regierung bestimmt, nannte ihn "die Personifizierung des Bösen". Die nationalistische Regierungspartei, die mit ihrer Justizreform und ihrer Flüchtlingspolitik seit Langem auf Konfrontation zu Brüssel geht, versuchte im Wahlkampf mit einem anti-deutschen Kurs zu punkten. Dabei stellte sie Tusk als eine Marionette Deutschlands dar und warf ihm zugleich vor, russische Interessen zu vertreten.
Ende August setzte die PiS im Parlament die Gründung einer Untersuchungskommission zur "russischen Einflussnahme" durch. Kritiker werteten dies als Versuch, den Oppositionsführer vor der Parlamentswahl politisch kaltzustellen.
Kaczynski gibt Tusk außerdem die "moralische Verantwortung" für den Tod seines Zwillingsbruders Lech. Der damalige Staatschef war 2010 beim Absturz der polnischen Präsidentenmaschine im russischen Smolensk ums Leben gekommen. Tusk war zum Zeitpunkt des Unglücks Ministerpräsident. Polnische und russische Experten kamen zu dem Schluss, die Hauptgründe für den Absturz seien ein Pilotenfehler und schlechtes Wetter gewesen. Seine konservativen Gegner warfen Tusks Regierung aber Nachlässigkeit bei der Vorbereitung der Reise zu einer Gedenkveranstaltung in Katyn sowie mangelnden Einsatz bei den Ermittlungen zu dem Unfall vor.
Das Kämpfen hat Tusk nach eigenen Angaben als Jugendlicher in seiner Heimatstadt Danzig gelernt. "Als Kind, als junger Mann war ich ein typischer Hooligan", sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. Die Begeisterung für den Fußball hat sich Tusk bis heute bewahrt, seine kämpferische Energie steckte er aber schon als Student in die Politik, als er sich in der anti-kommunistischen Oppositionsbewegung engagierte.
Nach der demokratischen Wende 1989 gründete der studierte Historiker mit Freunden eine liberale Bewegung. 2001 folgte dann die Bürgerplattform. Nach der Wahl zum Regierungschef 2007 führte der liberal-konservative Politiker sein Land erfolgreich durch wirtschaftliche Krisen und setzte im Gegensatz zu anderen politischen Kräften Polens stets auf eine enge Partnerschaft mit Deutschland. Tusk, der mit seiner Frau Malgorzata zwei erwachsene Kinder hat, spricht auch Deutsch.
2011 wurde er als erster polnischer Ministerpräsident seit Ende des Kommunismus wiedergewählt. Drei Jahre später folgte der Wechsel nach Brüssel. Ihre Rivalität fochten Tusk und Kaczynski auch auf EU-Ebene aus, als die PiS-Regierung versuchte, Tusks Wiederwahl als EU-Ratspräsident zu verhindern. Der Vorstoß scheiterte aber.
Anfang Oktober mobilisierte Tusk in Warschau rund eine Million Regierungsgegner, nach Angaben seiner Anhänger war es die größte Demonstration aller Zeiten in der polnischen Hauptstadt. Bei der Wahl blieb die PiS laut Nachwahlbefragungen nun zwar stärkste Kraft, zusammen mit zwei möglichen Bündnispartnern könnte sich Tusks Wahlbündnis, die Bürgerkoalition, aber eine Mehrheit im Parlament sichern. Neue Zahlen vom Montag bestätigten die ersten Prognosen. © AFP
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