Lange sah es so aus, als ob das russische Militär nur veraltete oder ineffektive Technik in der Ukraine einsetzt, doch mit dem Ka-52-Kampfhelikopter sind einige Abschüsse westlicher Panzer gelungen. Dabei gäbe es ein effektives Gegenmittel gegen die "Alligatoren".

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Immer wieder wurde vom Kreml auf die überlegene russische Militärtechnologie geschworen, doch weder der seit Jahren auf Militärparaden präsentierte Panzer "Armata" noch die zuvor als Wunderwaffe gepriesene Hyperschall-Rakete "Kinschal" haben die gewünschte Wirkung gezeigt. Offensiven der russischen Armee wurden letztlich im Grabenkrieg ausgetragen wie vor hundert Jahren und versandeten letztlich nach nur mäßigen Gebietsgewinnen. Doch gerade als dem Kreml die Wunderwaffen auszugehen scheinen und sich die Welt über die veralteten Sowjetpanzer der russischen Armee in der Ukraine lustig macht, zeigt sich ein heimlicher Game Changer für die russischen Streitkräfte.

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Der Kamow-Ka-52-Kampfhelikopter, Codename "Alligator", wurde zwar schon seit Beginn der Invasion in der Ukraine eingesetzt, erzielte zu Beginn jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Ausgerüstet mit ungelenkten Raketen, musste er auf Tuchfühlung mit dem Feind gehen und wurde mehrfach von den tragbaren Flugabwehrsystemen der Ukrainer in Bedrängnis gebracht. Doch seit Beginn der ukrainischen Offensive hat die russische Armee dazu gelernt.

Lasergelenkte Raketen

Nun wird der Kampfhelikopter vor allem hinter den Frontlinien auf russisch gehaltenem Territorium stationiert, von wo aus er mit gelenkten Panzerabwehrraketen vom Typ 9K121 Wichr, "Wirbelsturm", feindliche Panzer attackiert. Die Stärke dieser lasergesteuerten Raketen ist ihre Reichweite. Die Wichr-Raketen können über acht, zehn oder gar zwölf Kilometer Entfernung ihr Ziel erreichen und ermöglichen es somit, dass die Ka-52 Helikopter außer Reichweite der tragbaren Flugabwehrraketen der Ukrainer bleiben.

"Deswegen können die russischen Helikopter ungestört ukrainische Kolonnen angreifen, etwa im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive vor der Stadt Tokmak gesehen, als mehrere Leopard-Kampfpanzer und Bradley-Schützenpanzer beschädigt wurden", erklärt Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr gegenüber unserer Redaktion: "Die Helikopter schweben dabei sehr niedrig, auf Baumwipfelhöhe, und können die ukrainischen Fahrzeuge mit Luft-Boden-Raketen, auch nachts, gezielt bekämpfen."

Luftabwehr für zivile Infrastruktur gebraucht

Die Helikopter vom Typ Ka-52 sollen daher ganz maßgeblich verantwortlich dafür sein, dass die ukrainische Offensive deutlich langsamer vorwärtskommt als geplant. Der "Alligator" gilt als einer der besten Kampfhelikopter der russischen Armee, vielleicht sogar der beste der Welt.

Unbesiegbar ist er allerdings nicht, wie Frank Sauer erklärt: "Weder ist der Ka-52 ein besonders effektiver Helikopter, noch kann die ukrainische Flugabwehr diesen grundsätzlich nicht bekämpfen. Das Problem ist vielmehr, dass die Ukraine insgesamt zu wenig Flugabwehrkapazitäten hat. Und die, über die sie verfügt, setzt sie schwerpunktmäßig ein, um Ballungszentren und zivile Ziele zu schützen."

Mangel an mobilen Flugabwehrkapazitäten

Auch deutsche Luftabwehrsysteme könnten die "Alligatoren" wirkungsvoll bekämpfen, sagt Sauer: "Hätten die Ukrainer bodengestützte Luftverteidigungssysteme vom Typ IRIS-T SLM oder auch Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Gepard dabei, würden sie wiederum die Helikopter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus der Luft holen. Der Mangel an mobilen Flugabwehrkapazitäten ist also, was die ohnehin schwierige Offensive für die Ukraine aktuell zu einer Herkulesaufgabe macht."

Seit einiger Zeit bittet die Ukraine daher um US-amerikanische Kampfjets vom Typ F-16. Dieses Kampfflugzeug vom US-Konzern Lockheed Martin kann mit seinen Luft-Luft-Raketen auch weit entfernte Helikopter effektiv bekämpfen. Eine Lieferung der Jets durch den Westen scheint in absehbarer Zeit wahrscheinlich. Ukrainische Piloten sollen sich angeblich bereits in der Ausbildung an den Maschinen befinden.

Luftunterstützung durch F-16 könnte laut Sauer einen Unterschied machen. Auch mit diesen könnten die russischen Helikopter bekämpft oder gleich von der Teilnahme am Gefecht abgeschreckt werden. Allerdings warnt der Politikwissenschaftler: "Ein 'Game Changer' wären auch die F-16 nicht, denn sie müssten ihrerseits die russische Flugabwehr fürchten und könnten nicht frei operieren. Keine der beiden Kriegsparteien verfügt über Luftüberlegenheit."

Zur Person: Frank Sauer ist Research Fellow an der Universität der Bundeswehr und forscht und publiziert zu Fragen der internationalen Politik, insbesondere internationaler Sicherheit. Er ist Teil des "Sicherheitshalber"-Podcasts, eines der bekanntesten Podcasts zu Außen- und Sicherheitspolitik in Deutschland.
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