Nach den schweren russischen Luftangriffen auf Energieanlagen in der Ukraine ist ein intensiver Wiederaufbau der Stromversorgung im Gange, vor allem in Charkiw. Luftalarme und weitere Raketeneinschläge wurden in der Nacht auf Samstag verzeichnet. Die Ukraine beharrt trotz Warnungen der USA auf ihren Drohnenangriffen gegen russische Ölanlagen.

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Nach den Luftangriffen auf die Ukraine bemühen sich Techniker um eine Wiederherstellung der Stromversorgung. Das sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videobotschaft von Freitagabend. "Am schwierigsten ist die Lage in Charkiw." In der ostukrainischen Großstadt werde daran gearbeitet, wieder Elektrizität für kritische Infrastruktur und Haushalte zu gewährleisten. Es sei schon viel getan worden, um die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung in den Regionen Dnipro, Iwano-Frankiwsk, Chmelnyzkyj, Winnyzja und Poltawa wiederherzustellen. "In der Region Odessa sind die Arbeiten noch im Gange", sagte Selenskyj.

Feuerwehr Kiew
In der Hauptstadt Kiew ist die Feuerwehr im Dauereinsatz. © IMAGO/Cover-Images

Erneut Luftalarm in der Nacht

In der Nacht auf Samstag herrschte in einigen Teilen der Ukraine erneut Luftalarm, weil russische Kampfdrohnen anflogen. Aus Charkiw wurden kurz nach Mitternacht weitere Raketeneinschläge gemeldet. Bürgermeister Ihor Terechow berichtete auf Telegram von 15 Explosionen. "Es gibt Probleme mit der Stromversorgung in der Stadt - der Feind hat es auf die Energiestruktur abgesehen." An mehreren Orten brenne es nach den Einschlägen.

Gleichzeitig berichteten russische Telegramkanäle, dass eine weitere russische Ölraffinerie mutmaßlich von einer ukrainischen Drohne getroffen sei - diesmal im Gebiet Samara an der Wolga. Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Am Samstag ist der 759. Kriegstag.

Selenskyj beklagt fehlende Flugabwehr

Bei dem russischen Luftangriff in der Nacht auf Freitag war ein Hagel von etwa 150 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen über der Ukraine niedergegangen. Das größte Wasserkraftwerk der Ukraine am Fluss Dnipro bei Saporischschja wurde stark beschädigt. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw fiel der Strom komplett aus. Angesichts der Schäden beklagte Selenskyj, dass ausländische Partner zu wenig Flugabwehrwaffen lieferten. Ein echter und vollständiger Schutz gegen russische Raketen und Drohnen sei nur "bei einem ausreichenden Willen unserer Partner möglich", sagte er. "Der russische Terror ist nur deshalb möglich, weil wir nicht über genügend moderne Luftabwehrsysteme verfügen, das heißt, um ehrlich zu sein, es fehlt der politische Wille, sie bereitzustellen."

Die Flugabwehr der Ukraine ist schon durch leistungsstarke Systeme wie Patriot oder Iris-T verstärkt worden. Doch die Zahl der Waffen reicht nicht aus, um alle Regionen der Ukraine wirksam zu schützen.

Ukraine hält an Drohnenangriffen auf russische Ölanlagen fest

In der russischen Ölraffinerie der Stadt Nowokuibyschewsk nahe der Wolga wurden in der Nacht zu Samstag eine Explosion und dann ein Brand beobachtet, wie Telegramkanäle berichteten. Wahrscheinlich sei ein Drohnenangriff der Auslöser, hieß es. Der örtliche Zivilschutz bestätigte den Brand.

Der Angriff erfolgte einen Tag nach einem Bericht der Zeitung "Financial Times", wonach die USA die Ukraine von ihren Attacken gegen russische Ölanlagen abhalten wollten. Hintergrund sei die Befürchtung einer Eskalation und weltweit steigender Ölpreise vor der US-Präsidentenwahl. Die ukrainischen Geheimdienste haben in den vergangenen Wochen systematisch russische Ölraffinerien auch weit hinter der Front mit Kampfdrohnen beschossen, zum Beispiel in Rjasan, Kstowo bei Nischni Nowgorod und in Krasnodar.

Allerdings stellte die Ukraine klar, dass sie sich in diese Angriffe nicht hineinreden lassen werde. Die Ölanlagen seien aus militärischer Sicht legitime Ziele für die Ukraine, sagte Vizeministerpräsidentin Olha Stefanischyna, zuständig für europäische und transatlantische Integration, in Kiew. Sie bestätigte indirekt, dass es solche Ermahnungen aus Washington gegeben habe. (dpa/phs)

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