Ein Beamter, der nichts arbeitet, aber kassiert. Ein Gerüst, wo nichts renoviert wird. Eine Fledermausbrücke, über die womöglich nie eine Fledermaus fliegt. Das gibt's doch nicht? Sehr wohl! Zum Leidwesen der deutschen Steuerzahler.
Für sein jährliches Schwarzbuch hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) wieder Fälle vermeintlicher oder tatsächlicher Verschwendung von Steuergeld gesammelt. Hier zehn besonders abstruse Geschichten:
Betzdorf-Gebhardshain: Beamter im "Dauer-Homeoffice" vergessen
Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain im Westerwald hat nach Darstellung des Steuerzahlerbunds einen Beamten fünf Jahre lang im Dauer-Homeoffice vergessen. Er habe keine Aufgaben bekommen, sei aber weiter bezahlt worden. Den Schaden beziffert der Steuerzahlerbund auf rund 600.000 Euro.
Kreis Holzminden: Schwarze Kassen bei der Kfz-Zulassung
Scharfe Kritik äußerte der Steuerzahlerbund auch am Vorgehen des Landkreises Holzminden im Streit um Schwarze Kassen bei seiner Kfz-Zulassungsstelle. Jahrzehntelang sollen die Mitarbeiter Einnahmen aus dem Verkauf von Altkennzeichen in der Kaffeekasse gesammelt haben. Der Kreis hatte daraufhin fast allen Mitarbeitern der Zulassungsstelle gekündigt, musste nach Klagen aber Abfindungen zahlen. Gesamtkosten der Affäre: rund 600.000 Euro.
Kassel: Politiker mit Starallüren
In Kassel ließen sich die neuen hauptamtlichen Magistratsmitglieder für Porträt- und Gruppenfotos ablichten, wie der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hessen, Joachim Papendick, berichtet. Dies sei auch völlig in Ordnung. Die Fotos habe aber nicht ein lokaler Fotograf, sondern ein eigens dafür angereister Star-Fotograf aus Berlin gemacht – für rund 6.000 Euro.
Eine Umfrage unter ortsansässigen Fotografen habe ergeben, dass der Auftrag auch für rund 1.000 Euro erledigt hätte werden können. "Für die Fotos des neuen Magistrats wäre kein teurer Promi-Fotograf nötig gewesen, Starallüren dürfen nicht auf Steuerzahlerkosten gehen", mahnte der Steuerzahlerbund.
Missunde: Solarfähre fährt nicht
In Missunde an der Schlei sollte eine für vier Millionen Euro gebaute Solarfähre die alte Dieselfähre ersetzen. Doch das funktioniert bis heute nicht, unter anderem, weil die neue Fähre zu groß ist. Das Land musste die bereits verkaufte alte Fähre zurückkaufen. "Warum man sich nicht an die Abmessungen der in Auftrag gegeben Machbarkeitsstudie gehalten hat, ist ein Geheimnis", kritisiert der BdSt.
Biedenkopf: Teure Zentimeter
Der Steuerzahlerbund kritisiert, dass der Sprungturm im Freibad im mittelhessischen Biedenkopf abgerissen werden soll. Nach 30 Jahren sei zufällig aufgefallen, dass im Becken für den Drei-Meter-Turm fünf Zentimeter Tiefe fehlten.
Da die Stadt bei möglichen Unfällen haftet, muss deshalb nun der Sprungturm ersatzlos abgerissen werden – obwohl, trotz zu geringer Wassertiefe, jahrzehntelang kein Unfall passierte und niemand den Mangel bemerkte. Für den Bund der Steuerzahler ist es fraglich, "ob die Vorschriften so unflexibel sein müssen, dass selbst minimale Abweichungen unmöglich sind".
Kreis Passau: Millionen für Fledermäuse
Ein kurios klingendes Projekt ist eine Brücke für Fledermäuse zwischen Pocking und Bad Füssing im Landkreis Passau. Sie soll den sicheren Übergang für Fledermäuse über die erweiterte A94 ermöglichen, da sich dort ein Flugkorridor befinden soll. Kostenpunkt nach Angaben des Steuerzahlerbunds "dem Vernehmen nach" rund drei bis vier Millionen Euro.
Dabei sei zunächst nicht klar, ob die Fledermäuse die Brücke überhaupt überqueren würden. Naturschutzexperten zufolge bevorzugten die Tiere eher Unterführungen. Immerhin befinde sich auf der Brücke auch ein Radweg – der Steuerzahlerbund bezweifelt hier allerdings die Notwendigkeit, da wenige hundert Meter daneben eine weitere Brücke gebaut worden sei.
Was ist der Bund der Steuerzahler?
- Der Bund der Steuerzahler ist ein Verein mit Sitz in Berlin.
- Seine Ziele sind eigenen Angaben zufolge Steuersenkungen, der sparsame Umgang mit Steuergeld sowie der Abbau von Bürokratie und Staatsverschuldung.
- Kritiker sprechen von einer Lobbyorganisation, die vor allem die Interessen mittelständischer Unternehmer und Besserverdiener vertritt.
- "Missstände im Steuerrecht und in der Finanzverwaltung, etwa Steuervergünstigungen oder die verbreitete Steuerhinterziehung bei Kapitaleinkünften, die in erster Linie wohlhabende Steuerzahler betreffen, werden dagegen nicht thematisiert", so Stefan Bach, Steuerexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung, auf dem Portal Lobbypedia der Organisation Lobby Control.
Freudenberg: Viel Geld für einen Dorfplatz mit Klo
Das Schwarzbuch listet auch kleinere Fälle auf, die nach Angaben des Steuerzahlerbunds fehlendes Kostenbewusstsein und mangelnde Sparsamkeit verdeutlichen sollen. Ein Projekt der Gemeinde Freudenberg (Landkreis Amberg-Sulzbach) kritisiert der Steuerzahlerbund mit deutlichen Worten: Im Ortsteil Pursruck mit rund 150 Einwohnern wurde laut Schwarzbuch ein etwa tausend Quadratmeter großer Multifunktionsplatz mit einem Pavillon und einer öffentlichen Toilette gebaut.
Die Kosten beliefen sich auf 1,4 Millionen Euro – "ganz schön viel Steuergeld für einen Dorfplatz mit Klo", meint der Steuerzahlerbund.
Hamburg: Eine Hymne, die kaum einer hört
Die Hamburger Hochbahn AG (HHA) hat dem Steuerzahlerbund zufolge im Rahmen des Hamburger Kulturprogramms zur Fußball-Europameisterschaft 2024 die Europahymne "Ode an die Freude" aus der Neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven zur "Ode an Hamburg" umtexten lassen – für 9.975 Euro. Weitere 28.560 Euro seien in die Produktion eines Musikvideos geflossen. Außerdem seien für drei Konzerte 32.100 Euro eingeplant gewesen. Macht zusammen fast 90.000 Euro.
Der Erfolg beim Publikum sei aber kaum messbar gewesen. Einen Monat nach Veröffentlichung habe der Song gerade einmal 3.400 Aufrufe bei YouTube gehabt.
Hamm: Brücke über einen winzigen See
Der Neubau einer Brücke über den See im Selbachpark in Hamm wird fast doppelt so teuer wie geplant. Notwendig sei die Brücke an dieser Stelle nicht, so die Sicht der Kritiker. Die Kosten lägen inzwischen bei 666.000 Euro – viel Geld für eine Brücke über einen See, der in zehn Minuten zu umrunden sei.
Mainz: Besser Bäume als "Klima-PR"
Die Aufstellung von drei mobilen grünen Zimmern in Mainz von Mitte Mai bis Mitte Oktober kostet nach Darstellung des Steuerzahlerbunds fast 100.000 Euro und sei vor allem "Klima-PR". Die 5 mal 2,5 Meter großen Schattenspender mit einer grünen Wand, einem Spalierdach und einer Sitzfläche sind auf Abrollcontainer mit einem Wassertank montiert. Stattdessen sollten besser mehr Bäume gepflanzt werden, heißt es in dem Schwarzbuch.
Kleve: Nutzlose Gerüste
Einen Schildbürgerstreich hat der Bund bei der Sanierung der Staatsanwaltschaft Kleve ausgemacht. Wenige Tage vor dem Aufstellen des Gerüsts sei das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden. Damit sei die Sanierung in der geplanten Form hinfällig gewesen.
Das Gerüst sei trotzdem aufgebaut worden – und habe acht Monate lang nutzlos herumgestanden. Obwohl der landeseigene Baubetrieb BLB vom drohenden Denkmalschutz gewusst habe, sei der Gerüstbauer beauftragt worden. Die Kosten für das Gerüst bezifferte der BLB auf rund 36.000 Euro.
Alle Fälle, die der Bund der Steuerzahler als Steuergeldverschwendung anprangert, finden Sie im Schwarzbuch. Dort werden 100 beispielhafte Fälle dokumentiert. (dpa/mcf)
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