Wochenlang waren die Augen der Öffentlichkeit auf den grausamen Terror des Islamischen Staats gerichtet. Doch auch in Afghanistan und Pakistan sorgen Terroristen für Angst und Schrecken: Mehr als 100 Kinder haben die Taliban am Dienstag bei einem Überfall auf eine Schule ermordet. Wer sind diese Extremisten und was wollen sie?

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Es ist einer der schlimmsten Terrorattacken seit Jahren in Pakistan: Eine Gruppe Taliban-Kämpfer hat eine Schule in der Stadt Peshawar gestürmt und dabei mehr als 120 Menschen getötet, der Großteil davon Kinder. Dazu bekannt hat sich die Organisation Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP). Wer sind diese Leute, die nicht davor zurückschrecken, wehrlose Schüler zu ermorden?

Taliban wollen Gottesstaat in Pakistan

TTP entstand 2007 als Zusammenschluss verschiedener militanter Gruppen. Ihr gemeinsamer Feind: der pakistanische Staat und sein Militär. Dadurch unterscheiden sie sich von den Taliban in Afghanistan. Sie haben zwar ideologische Anknüpfungspunkte, sind aber unterschiedliche Organisationen - mit unterschiedlichen Gegnern. "Die Taliban in Pakistan wollen den Einfluss der Regierung im Westen des Landes zurückdrängen", sagt Florian Kühn, Experte für Internationale Politik an der Humboldt-Universität Berlin. "Sie lehnen ein modernes, demokratisches Herrschaftssystem ab, das nicht göttlich legitimiert ist." Ihr Ziel: die Errichtung eines Gottesstaates in Pakistan.

Während die Augen der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten vor allem auf den grausamen Terror des sogenannten Islamischen Staats in Syrien und dem Irak gerichtet waren, verübten auch die pakistanischen Taliban eine Reihe von Anschlägen. Darunter ein Angriff auf den Flughafen von Karachi. Daraufhin hatte das pakistanische Militär eine Militäroffensive in Nord-Waziristan, dem Rückzugsgebiet der Taliban, gestartet.

"Wir wollen, dass sie den Schmerz fühlen, den wir fühlen"

Ist der Angriff auf die Schule nun eine Reaktion auf den IS, eine Radikalisierung der Taliban? Tatsächlich haben sie sich bewundernd über die Terrormiliz geäußert. "Wir lesen, hören und sehen die Nachrichten und staunen. Sogar Luftschläge der USA können ihnen nichts anhaben", sagte ein Taliban-Kommandeur Spiegel Online. Der Anschlag auf die Schule dürfte jedoch weniger damit zu tun haben, IS nachahmen zu wollen.

Stattdessen sieht Experte Kühn darin das Ergebnis einer Eskalationsspirale, die sich innerhalb Pakistans entwickelt hat. "Momentan radikalisiert die Taliban eher die Offensive des pakistanischen Militärs, die sie in Bedrängnis bringt. Hinzu kommen die Drohnenangriffe durch die USA. Da sie militärisch nicht dagegenhalten können, verüben sie solche Anschläge." Die vom Militär betriebene Schule sei zum Ziel geworden, "weil sie auch unsere Familien angreifen. Wir wollen, dass sie den Schmerz fühlen, den wir fühlen", begründete ein TTP-Sprecher die schreckliche Tat.

Wie geht es nun weiter? Nicht nur in Pakistan, auch im Nachbarland Afghanistan verüben die Taliban seit einiger Zeit wieder verstärkt Anschläge. Angesichts des bevorstehenden Abzugs eines Großteils der internationalen Truppen scheinen sie Macht demonstrieren zu wollen. Eine Analyse des Pentagon besagt, dass die Taliban zwischen 2015 und 2018 ihre Operationen sowie die Kontrolle über Teile des Landes weiter ausbauen werden.

Hier wie auch in Pakistan setzen Experten dennoch die Hoffnung auf politische Lösungen. Das heißt zum Beispiel der erneute Versuch, Verhandlungen mit den Taliban in Afghanistan durchzusetzen oder die staatlichen Strukturen im Westen Pakistans zu stärken. Nur solche Maßnahmen haben laut einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik die Chancen, Gruppen wie den Taliban dauerhaft die Basis zu entziehen.

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