• Die von der Bundesregierung geplante Bürgergeld-Reform ist vorerst gestoppt.
  • Der Gesetzentwurf verfehlte am Montag in der Länderkammer die erforderliche Mehrheit.
  • Nun soll vermittelt werden - viel Zeit bleibt aber nicht mehr.

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Kaum jemand hatte zuletzt noch an eine schnelle Lösung geglaubt - und so kam es so wie erwartet: Das von der Ampel geplante Bürgergeld hat sich am Montag in der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat nicht durchsetzen können.

Bei einer Sondersitzung stimmten mehrere Länder unter Führung oder Beteiligung der Union dagegen oder enthielten sich. Die Ja-Stimmen reichten nicht aus, um den Weg für das geplante Inkrafttreten zum 1. Januar 2023 zu ebnen.

Bürgergeld wird in Vermittlungsausschuss verhandelt - die Zeit drängt

Nun soll der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat bis Ende November eine Lösung finden - ansonsten droht das Bürgergeld, mit dem die Ampel das System Hartz IV überwinden will, komplett zu scheitern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, dass er nun auf eine schnelle Vermittlung setze. Das Gremium könne bereits in der kommenden Woche tagen. "Bei gutem Willen aller Beteiligten" könne ein Kompromiss gefunden und bei der nächsten Bundesratssitzung am 25. November beschlossen werden, sagte Heil. Seine Hand sei "zur Lösung ausgestreckt".

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ist eine Art politisches Schlichtungsgremium. Erhält ein vom Parlament beschlossener Gesetzentwurf in der Länderkammer keine Zustimmung, kann hier nach einem Kompromiss gesucht werden. Gelingt dieser, was meistens der Fall ist, dann muss der Gesetzentwurf in seiner neuen Fassung nochmals vom Bundestag und anschließend auch vom Bundesrat beschlossen werden.

Das Bürgergeld ist seit Wochen ein Zankapfel zwischen Regierung und Opposition. Insbesondere die Union stellte sich von Anfang an gegen die Reform, mit der die Ampel ein neues System der sozialen Sicherung etablieren will. Sie sieht unter anderem vor, dass Regelsätze für bisherige Hartz-IV-Bezieher deutlich steigen und Arbeitslose künftig weniger durch angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt werden sollen. Im Sinne dieses Ziels will die Ampel auch Vorgaben zu Vermögenshöhe und Wohnungsgröße lockern. Die Union lehnt die Pläne in zentralen Punkten ab und warnt vor einem System, in dem sich Arbeit aus ihrer Sicht nicht mehr lohnen würde.

Heil: Arbeit wird sich auch weiterhin lohnen

Arbeitsminister Heil (SPD) weist diese Darstellung entschieden zurück. Im Bundesrat stellte er am Montag erneut klar, dass es vor allem darum gehe, Menschen dauerhaft in Beschäftigung zu bringen und ihnen Weiterbildung zu ermöglichen. Arbeit werde sich auch weiterhin lohnen, bekräftigte Heil.

Neben den grundsätzlichen Bedenken dürften im Vermittlungsprozess vor allem die Sanktionen für Leistungsbezieher und die Höhe des erlaubten Vermögens zentrale Diskussionspunkte werden. CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Wochenende bereits vorausgeschickt, dass Kompromisse schwierig seien, weil die Ampel einen "vollständigen Systemwechsel" anstrebe.

Vertreter von FDP und Grünen äußerten sich am Montag offen für den anstehenden Prozess. "Entscheidend" sei, dass das Bürgergeld nicht als Gesamtprojekt blockiert werde, betonte FDP-Vize Johannes Vogel. "Wenn es im Vermittlungsausschuss die Chance gibt, ein gutes Gesetz noch besser zu machen, dann sind wir dafür sehr offen." Gerade bei den Zuverdienstmöglichkeiten für Leistungsempfänger pocht die FDP auf Reformen. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann ermahnte die Union, sich konstruktiv zu beteiligen. "Der Blockadekurs, auf den Friedrich Merz die Union geführt hat, ist nicht nur sozial kalt, sondern auch unverantwortlich gegenüber den Menschen, die auf die Hilfen dringend angewiesen sind", sagte Haßelmann.

Die AfD begrüßte dagegen die Blockade im Bundesrat und betonte ihre Grundhaltung, dass das Bürgergeld Beschäftigte gegenüber Beziehern von Sozialleistungen benachteiligen würde. Ganz anders die Position der Linkspartei: Parteichef Martin Schirdewan beklagte, dass CDU und CSU "ihr unwürdiges Schauspiel auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft" fortsetzen würden. Die Linke hätte das Gesetz in seiner jetzigen Form im Bundesrat mitgetragen - wenn auch zähneknirschend. Anders als alle anderen fordert die Partei noch viel weitergehende Reformen, wie etwa wesentlich höhere Regelsätze und die komplette Abschaffung von Sanktionen.

Sozialverbands Deutschland: "Wir sind zutiefst enttäuscht"

Auch in den Sozialverbänden war am Montag die Empörung über den vorläufigen Stopp des Bürgergelds groß. "Wir sind zutiefst enttäuscht. Es kann nicht sein, dass parteipolitische Interessen vor das Wohl der Menschen gestellt werden", sagte etwa die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Landkreistag begrüßten dagegen die Entscheidung der Länderkammer. "Jetzt müssen die Geburtsfehler des Bürgergeld-Gesetzes beseitigt werden", forderte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Es müsse weiterhin "klare Mitwirkungspflichten" für Leistungsempfänger geben. Landkreistagspräsident Reinhard Sager sprach von "gravierenden Fehlanreizen" im bisherigen Entwurf. Im Vermittlungsausschuss müsse es vor allem beim künftig erlaubten Schonvermögen zu Verschärfungen kommen, appellierte er. (dpa/mbo)

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