• In Privaträumen von Joe Biden wurden geheime Dokumente aus seiner Zeit als Vizepräsident gefunden.
  • Die Affäre könnte dem US-Präsidenten den Weg in eine zweite Amtszeit verbauen.

Mehr News zur US-Politik

Desaster oder nur ein kurzes Störfeuer? Das Durcheinander um die im früheren Büro und dem Privathaus von US-Präsident Joe Biden gefundenen vertraulichen Regierungsunterlagen wird womöglich einfach im Sande verlaufen, sollten keine neuen Enthüllungen hinzukommen. Doch die Affäre droht zumindest ein Stolperstein auf Bidens Weg zu einer möglichen Wiederwahl zu werden - wenn nicht gar ein großer Felsbrocken.

"Es wird wehtun", ist sich Politologe Allen Lichtman von der American University in Washington sicher: "Die einzige Frage ist, wie sehr."

Biden hat erneute Kandidatur bisher noch nicht angekündigt

Biden hat bisher noch nicht offiziell angekündigt, 2024 erneut in den Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen. Es wird jedoch erwartet, dass er seine Pläne in den kommenden Wochen bekanntmachen wird. Eine Möglichkeit wäre die jährliche Rede des Präsidenten zur Lage der Nation, die Biden am 7. Februar bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kongresskammern halten wird.

Der Dokumentenskandal beziehungsweise die Frage, ob es sich überhaupt um einen Skandal handelt, ist also höchst unwillkommen im Biden-Lager. Vertrauliche und geheime Dokumente wurden sowohl in einem früheren Büro Bidens als auch in der Garage seines Hauses im US-Bundesstaat Delaware gefunden. Als Antwort auf die mehr als zahlreichen Fragen über den Zeitpunkt des Fundes und den Inhalt der Dokumente verweist Pressesprecherin Karine Jean-Pierre auf das Justizministerium, das einen Sonderermittler zur Untersuchung der Angelegenheit ernannt hat.

Bisher gibt es keine Hinweise auf kriminelles Handeln, und Bidens Team kooperiert mit den Ermittlern. Das Weiße Haus schildert die unterlassene Rückgabe einer Handvoll Dokumente durch den damaligen Vizepräsidenten Biden nach dem Ende der Regierung von Präsident Barack Obama als harmloses Versehen. Dennoch nehme Biden den Fall "sehr ernst", versichert Jean-Pierre.

Großer Unterschied zum Verhalten von Ex-Präsident Donald Trump

Das ist ein großer Unterschied zum Verhalten von Ex-Präsident Donald Trump - zumindest nach Ansicht von Bidens Unterstützern. Auch Trumps Umgang mit geheimen Dokumenten wird von einem Sonderermittler geprüft. Bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus nahm Trump hunderte als vertraulich, geheim oder streng geheim markierte Unterlagen mit in seine Wahlheimat Florida.

Bei Biden handelt es sich dessen Anwälten zufolge nur um ein paar dutzend Dokumente, die unsachgemäß gelagert wurden. Noch wichtiger: Trump widersetzte sich aktiv Versuchen, die Dokumente zurückzuholen, bis ein Richter dem FBI einen Untersuchungsbeschluss aushändigte.

Für Biden und seine Demokratische Partei ist der Vorgang natürlich dennoch peinlich. Noch im Herbst hatte der US-Präsident seinen Vorgänger wegen dessen Umgang mit Geheimdokumenten als "verantwortungslos" bezeichnet. Dass Biden einige der Dokumente in der Garage neben seinem geliebten Corvette-Sportwagen gelagert hatte, sorgte zusätzlich für Spott in den Medien.

Und ist klar, dass das Wirrwar für Biden zumindest ein Ärgernis darstellt. Selbst wenn der Sonderermittler feststellen sollte, dass dem Präsidenten lediglich Schlampigkeit vorzuwerfen ist, werden die oppositionellen Republikaner nichtsdestotrotz die Geschichte als angeblichen Beweis dafür anführen, dass "Biden inkompetent und untauglich für eine zweite Amtszeit" sei, stellt Politologe Lichtman fest.

Eigentlich läuft es gerade für den US-Präsidenten - doch jetzt ist er in der Defensive

Ironischerweise wird Biden just in einem Moment in die Defensive gedrängt, in dem er gerade einen guten Lauf hat. Die Inflation sank seit Juni von 9,1 Prozent auf 6,5 Prozent. Die Wirtschaft ist robust und eine Rezession scheint unwahrscheinlich. Bidens erster Besuch an der US-mexikanischen Grenze hat zudem denjenigen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen, die dem Präsidenten vorwerfen, illegale Einwanderung zu ignorieren. Bidens Umfragewerte sahen zuletzt deutlich freundlicher aus als noch im Juli.

Politikwissenschaftlerin Lara Brown warnt, dass unabhängig vom Ausgang der Dokumenten-Affäre das fortwährende Tröpfeln von Nachrichten über die Ermittlungen Biden schaden werden. Allein die Ernennung eines Sonderermittlers "stellt sicher, dass diese Geschichte noch wochenlang weitergehen wird, wenn nicht sogar Monate", sagt Brown. "Was auch immer gefunden wird, egal wie unverfänglich, wird von seinen Gegnern benutzt werden."  © AFP

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.