Zum ersten Mal hat sich das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch mit Fragen der Wahl und Abwahl von Vorsitzenden in Bundestagsausschüssen befasst.
Das höchste deutsche Gericht will klären, ob Mitwirkungs- und Teilhaberechte der AfD-Fraktion aus dem Grundgesetz die Geschäftsautonomie des Bundestags einschränken. Insbesondere wollen sich die Karlsruher Richter und Richterinnen ein "genaueres Bild von der bisherigen parlamentarischen Praxis und Tradition" machen, wie Vize-Gerichtspräsidentin Doris König sagte. Ein Urteil des Zweiten Senats wird erst in einigen Monaten erwartet.
Hintergrund sind zwei Klagen der AfD, unter anderem zur bis dato beispiellosen Abwahl Stephan Brandners als Vorsitzender des Rechtsausschusses im November 2019. Der AfD-Politiker war nach mehreren selbst ausgelösten Eklats abberufen worden. (Az. 2 BvE 1/20).
In einer zweiten Klage geht es darum, dass nach der Bundestagswahl 2021 die jeweiligen AfD-Kandidaten die erforderliche Mehrheit bei der Wahl der Vorsitzenden in den Ausschüssen für Inneres, Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit verfehlten.
Die AfD-Fraktion moniere den "Bruch einer jahrzehntelangen Parlamentspraxis", sagte König. Denn üblicherweise wird vorab geklärt, welcher Ausschuss von welcher Fraktion geführt wird - und anschließend die benannte Person ohne Widerspruch ernannt. Da dies nicht geschah, poche die AfD auf eine faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung. Dort ist geregelt, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden "bestimmen". (Az. 2 BvE 10/21)
Die Antragsgegner - der Bundestag, dessen Präsidentin und die betroffenen Ausschüsse - sind König zufolge hingegen der Auffassung, die Anträge seien teilweise unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die AfD-Fraktion habe nach deren Argumentation keinen Anspruch auf unmittelbare Entsendung eines Ausschussvorsitzenden. Auch die Möglichkeit zur Abwahl eines Vorsitzenden sei durch das Demokratieprinzip unmittelbar geboten. © dpa
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