Es war der erwartet heftige Schlagabtausch zwischen der taffen Ex-Generalstaatsanwältin und dem Polit-Rüpel aus Mar-a-Lago. Doch was fängt Amerika nun mit dem TV-Duell zwischen Harris und Trump an? Vieles spricht für Harris. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand später aber plötzlich jemand völlig anderes.
Der eindrücklichste Moment bot sich den Zuschauerinnen und Zuschauern gleich in den ersten Minuten. Und nein, es war nicht der obligatorische Handschlag zwischen den Kontrahenten vor Beginn der TV-Debatte.
Es war der Moment, als
Sogleich fuhr es aus dem ehemaligen Präsidenten in typischer Trump-Manier heraus, da kochte er innerlich und musste sich so sehr im Zaum halten, dass sein Rednerpult sogar leicht wackelte.
Würde man an dieser Stelle die Aufarbeitung der ersten und mutmaßlich letzten - oder vielleicht doch nicht? - TV-Debatte zwischen Harris und Trump abbrechen, könnte man sagen: Erwartbar, der rüpelhafte Trump hatte sich nicht im Griff, leichtes Spiel für die rhetorisch begabte und besonnenere Ex-Generalstaatsanwältin Harris.
Die Wahrheit hat öfter mal einen schweren Stand
Doch das entspräche nicht der Wahrheit, die an diesem Abend im National Constitution Center in Philadelphia ohnehin öfter mal einen schweren Stand hatte. Zur Wahrheit der 90-minütigen Wahrheit gehört auch: Harris überzeugte nicht restlos. Doch am Ende sollte es reichen.
Harris' Aufgabe war klar: Sie musste inhaltlich Farbe bekennen und Klartext sprechen zu einem Volk, das vermutlich noch nie vor einer so richtungweisenden Entscheidung stand wie bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 5. November. Harris musste liefern: Nicht nur einen weiteren Schwung Hoffnung für die Demokraten, die nach dem Rückzug des körperlich und geistig schwer angeschlagenen Joe Biden Morgenluft gewittert haben. Sie musste Inhalte liefern.
Der Swift-Effekt
Das gelang der 59-Jährigen über weite Strecken. Überzeugt hat Harris vor allem bei jenen Themen, mit denen sie progressive, liberale und urbane Amerikanerinnen und Amerikaner abholen kann - Abtreibungsrecht, soziale Gerechtigkeit, Rassismus, aber auch gesellschaftspolitische Themen wie Zusammenhalt oder Optimismus beim Blick nach vorn.
Denn es sind längst nicht nur junge, weibliche Wähler, die genau hinhören und -sehen, wen ihr Star gut findet - und ihre Wahlentscheidung womöglich danach ausrichten. "Swifties", so nennen sich Swift-Fans, finden sich in nahezu jeder Altersschicht, Mann, Frau, divers, liberal oder konservativ - mit Swift kann man Wahlen zu seinen Gunsten beeinflussen oder es kann ganz schnell vorbei sein. Das ist schlecht für Trump - und gut für Harris.
Aber auch Trump hatte seine Momente, etwa als er sich auf Harris' bisherige Bilanz als Vizepräsidentin einschoss: "Sie redet nur. Was ist ihr Plan?" Ansonsten mussten die angenehm zurückhaltend auftretenden, aber dennoch widerspruchsfreudigen Moderatoren Linsey Davis und David Muir viele Halbwahrheiten (Wirtschaft, Abzug aus Afghanistan) und teils haarsträubende Unwahrheiten (Migration, Abtreibungsrecht, Krieg Russlands gegen die Ukraine), vor allem aufseiten Trumps, benennen und zumindest verbal aus dem Weg räumen.
Trump macht eben Trump-Dinge
Die Demokraten können, ja müssen den Schlagabtausch als Erfolg für ihre Kandidatin werten. Harris konnte ihre Themen platzieren, sie brachte vor allem zu Beginn und noch mal gegen Ende der Debatte Trump mit Seitenhieben und gezielten Sticheleien aus dem Konzept.
Trump hingegen machte eben Trump-Dinge, die seine Fans sehen und hören wollen - aber eben meist nur die. Unentschlossenen oder Wechselwählerinnen und -wähler holt der 78-Jährige damit wohl nicht mehr ab. Vor acht Jahren mag das bei dem einen oder anderen noch verfangen haben - 2024 nicht mehr.
Die schlüssigeren Argumente, warum sie die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten sein sollte, hatte zweifellos Harris auf ihrer Seite. Und das ist mehr, als die Demokraten erwarten durften. Und dann ist da ja auch noch Taylor Swift.
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