Yannick Haan hat geerbt und musste darauf kaum Steuern zahlen. Das findet er ungerecht und engagiert sich seitdem in dem Verein taxmenow, der sich für eine Reform der Erbschaftssteuer einsetzt. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Haan seine Einstellung.

Ein Interview

Sie haben selbst als Erbe profitiert – jetzt fordern Sie mit Ihrem Verein taxmenow eine Reform der Erbschaftssteuer und wollen, dass Erben mehr zahlen müssen. Wie viel haben Sie geerbt und wie viel Steuern mussten Sie darauf zahlen?

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Die genaue Höhe weiß ich nicht, weil ich Immobilien in verschiedenen Ländern geerbt habe. Aus den Erlösen vom Verkauf konnte ich mir zwei Wohnungen kaufen – eine in Berlin, in der ich lebe und eine in Luxemburg, die ich vermiete. Wie viel Steuern ich gezahlt habe, kann ich nicht genau sagen, weil es kompliziert war, aber es war sehr wenig.

Hätten Sie gerne mehr bezahlt?

Das fände ich gerecht, aber mein Fall stellt noch gar nicht die große Problematik dar. Wir von taxmenow wollen vor allem die Erbschaften von sehr Vermögenden stärker besteuern. Eigentlich war die Besteuerung von Erbschaften mal progressiv angedacht, wie beim Einkommen - je höher das Erbe, desto höher der Steuersatz. Ab 10 Millionen Euro Erbe sinkt die Erbschaftssteuer allerdings. Das widerstrebt jeglichem Gerechtigkeitsempfinden.

Trotzdem hat das Erbe Sie in Ihrem Leben freier gemacht. Sie müssen jetzt keine Miete mehr zahlen und haben sogar konstante Einnahmen durch die Vermietung der anderen Wohnung, warum wollen Sie daran etwas ändern?

Mir ist aufgefallen, dass ich mir aus meinem normalen Arbeitseinkommen bei den aktuellen Preisen es nie hätte leisten können, auch nur eine Wohnung zu kaufen. Egal, wieviel ich spare. Da verstehe ich nicht, warum ich auf mein Einkommen 30-40 Prozent Steuern zahlen muss und auf mein leistungsloses Erbe quasi nichts. Das ist ein Missverhältnis. Es kann nicht sein, dass die Vermögenden ihr Geld mit niedrigen Steuern „arbeiten“ lassen, während echte Arbeit höher besteuert wird. Wenn man sich das anschaut, sind wir eigentlich nicht mehr in einer Leistungsgesellschaft, sondern die Herkunft ist der zentrale Faktor für die wirtschaftliche Situation.

Also finden Sie Erben grundsätzlich ungerecht, weil manche etwas erben und andere nichts?

Nein, ich finde Erben eigentlich eine gute Institution. Die Idee, der nächsten Generation etwas weiterzugeben, ist eigentlich ein guter Grundgedanke. Das Problem ist aber aktuell, dass sich die Vermögen durch das Erben noch ungleicher verteilen. Die, die schon viel haben, weil sie privilegiert aufgewachsen sind, bekommen nochmal eine Finanzspritze, obwohl sie sie gar nicht brauchen. Damit das Erben also für die Gesellschaft gut funktioniert, brauchen wir eine halbwegs gerechte Verteilung von Erbschaften und davon sind wir heute sehr weit entfernt.

Sollte der Staat schon vor den Erbschaften umverteilen – mit einer Vermögenssteuer?

Das fordern wir auch. Ich persönlich finde aber eine Erbschaftssteuer gerechtfertigter, weil da wirklich Vermögen von Person A zu Person B wandert und dadurch ein leistungsloses Vermögen entsteht, auf das Steuern bezahlt werden sollte. Es ist aber vor allem wichtig, die vermögensbezogenen Steuern insgesamt wieder zu erhöhen.

Würden solche Steuererhöhungen nicht dazu führen, dass die Vermögenden das Land verlassen und dahin gehen, wo die Steuern niedriger sind?

Die die unbedingt ins Ausland gehen wollen, weil sie denken, sie zahlen in Deutschland zu viele Steuern, sind schon größtenteils weg. Wenn man das verhindern will, ist das eine politische Regulierungsfrage. In den USA sind die Steuern an die Staatsangehörigkeit geknüpft und nicht an den Wohnsitz. Die deutsche Staatsangehörigkeit geben viele sicher nicht leichtfertig ab.

Manche könnten denken, wenn es sich für mein Unternehmen lohnt, ist mir die Staatsangehörigkeit egal.

Viele Betriebe lassen sich nicht ins Ausland verlegen. Man muss als Unternehmer auch die Vorteile in Deutschland sehen, wie zum Beispiel die funktionierende Infrastruktur. Deshalb ist das Argument der Steuerflucht für mich eher eine politische Nebelkerze, um zu verhindern, dass Vermögende höhere Steuern zahlen müssen.

Können Unternehmen durch eine zu hohe Erbschaftssteuer in Gefahr geraten?

Da muss man eine kluge steuerliche Ausgestaltung machen, z. B. mit Stundungen. Und man muss differenzieren, ob eine Schreinerei vererbt wird oder ein Aktienpaket, bei dem sowieso nie ein Unternehmen in Gefahr geraten würde.

Kann man das rechtlich so klar trennen?

Das gibt es schon Möglichkeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat eine kluge Regelung vorgeschlagen. Unternehmen mit unter 12 Personen sollen demnach von der Erbschaftssteuer größtenteils befreit sein. Bei allen größeren Unternehmen sollte genau geprüft werden, ob Erbschaftssteuer erhoben werden soll.

Aktuell gibt es aber viele Schlupflöcher, sodass die Erben von großen Unternehmen fast gar keine Steuern zahlen müssen. Warum?

Das war nicht immer so in Deutschland, sondern ist eher ein neues Phänomen. Die Grundidee war, dass man Unternehmen besser schützen wollte, was erstmal kein komplett falscher Ansatz ist. Allerdings hat man es hier politisch komplett auf die Spitze getrieben. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb auch die Erbschaftssteuer bereits dreimal gekippt und bemängelt, dass Betriebsvermögen viel zu sehr verschont wird.

Und wie hat die Bundesregierung darauf reagiert?

Beim letzten Mal unter dem Finanzminister Wolfgang Schäuble hat man das Urteil minimal umgesetzt und dann wieder so viele Schlupflöcher geschaffen, dass sich die Situation für Erben von Betriebsvermögen sogar verbessert hat. Das ist anscheinend politisch gewollt. Der Lobbydruck ist auch extrem hoch. Sobald man das Wort Erbschaftssteuer in den Mund nimmt, wird mit falschen Narrativen und Behauptungen dagegen gearbeitet.

Welche falschen Behauptungen meinen Sie?

Was mir häufig begegnet, ist die Behauptung, dass die Menschen durch die Erbschaftssteuer doppelt besteuert werden. Das ist doppelt falsch. Ich zahle ja auf mein Arbeitseinkommen Steuern und muss dann trotzdem beim Kaufen von Lebensmitteln mit demselben Geld Mehrwertsteuer zahlen. Da schreit auch keiner an der Kasse: „Doppelbesteuerung“. Zweitens handelt es sich nicht um eine Doppelbesteuerung, weil die Erbschaftssteuer ja vom Erben gezahlt wird, der auf dieses Geld noch nie Steuern gezahlt hat.

Was ist mit der Sorge davor, dass Omas Häuschen nicht zu halten ist, weil die Erbschaftssteuer zu hoch ist?

Die ist auch größtenteils unberechtigt. Erstens gibt es dafür hohe Freibeträge und zweitens zahlt der Erbe auf eine Immobilie, in die er selbst einzieht, gar keine Steuern – egal wie viel das Haus wert ist. Trotzdem wird Omas Häuschen immer wieder in Debatten verwendet, um Stimmung gegen die Erbschaftssteuer zu machen.

Viele Vermögen haben ihren Ursprung auch in den dunklen Zeiten der deutschen Geschichte. Würden Sie die Erbschaft von solchem Vermögen anders besteuern?

Das wäre rechtlich sehr schwierig. Was wir aber brauchen, ist eine Debatte, wo die großen Vermögen in Deutschland herkommen. Wenn man sich die reichsten Deutschen anschaut, dann waren das nicht unbedingt Menschen, deren Vorfahren im Dritten Reich in der Opposition waren.

Zum Beispiel?

Die Familie Klatten hat Uniformen für die Nazis produziert und stark vom System profitiert. Das Unternehmen von Milliardär Kühne hatte einen jüdischen Miteigentümer, der rausgeschmissen wurde und am Ende in Auschwitz gelandet ist. Eine Aufarbeitung der Geschichte in Verbindung mit den heutigen Vermögen würde dem Land guttun – ganz unabhängig von der Besteuerung.

Wie viel Geld ließe sich durch eine reformierte Erbschaftssteuer mehr einnehmen?

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat berechnet, dass dem Staat seit 2009 72 Milliarden Euro entgangen sind durch die Privilegien der sehr Vermögenden. Allein durch den Abbau davon könnte man also bereits einiges mobilisieren. Wir müssen gerade jetzt an der Einnahmeseite drehen, weil die Möglichkeiten im Haushalt begrenzt sind. In Zeiten extremer Krisen, in denen Menschen in Armut rutschen und auf Unterstützung angewiesen sind, müssen wir die sehr Vermögenden endlich mehr beteiligen.

Sie bringen die Idee eines Grunderbes ins Spiel, bei der jeder in Deutschland mit 18 Jahren 20.000 Euro vom Staat bekommt. Ließe sich das allein mit einer reformierten Erbschaftssteuer finanzieren?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat das durchgerechnet und hält das für machbar. Aber das ist nur eine Idee. Wir von taxmenow wollen bewusst keine Forderungen aufstellen, sondern eine Diskussion in der Gesellschaft entfachen, was man mit dem Geld machen könnte. Steuereinnahmen sind kein Selbstzweck, es geht immer auch darum, was wir als Gesellschaft mit dem Geld machen wollen.

Zur Person: Yannick Haan ist Mitglied im Presseteam von taxmenow und Autor des Buches "Enterbt uns doch endlich!". Taxmenow ist ein Verein aus Vermögenden im deutschsprachigen Raum, der sich für eine gerechtere Verteilung von Vermögen einsetzt.
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