- Künstliches Fleisch, Algen und Insekten. Diese Produkte kursieren schon seit geraumer Zeit durch die Medienwelt, allerdings bislang weniger durch die Regale in den Supermärkten.
- Die Idee dahinter ist, den Fleischkonsum zu senken und damit die Umwelt zu retten.
- Aber kann es überhaupt eine Welt ohne Tierhaltung geben?
Stärkeres Gesundheitsbewusstsein, veränderte Arbeitswelt, Globalisierung und Lifestyle - Ernährungstrends haben verschiedene Ursachen. Immer häufiger spiegelt sich in solchen Trends auch der Wunsch wider, mit dem Essverhalten etwas für Umwelt tun zu wollen. Das hat die Industrie erkannt und entwickelt fortlaufend entsprechende Produkte. Zukunftsforscher gehen von großen Wachstumszahlen aus. Aber offenbar ist nicht immer alles so gut, wie es schmeckt. Verbraucher sollten zumindest kritisch hinschauen.
Fleischgeschmack ohne Fleisch
Wer in Zukunft nicht auf Fleischgeschmack verzichten will und trotzdem kein totes Tier auf dem Teller haben möchte, der kann schon heute auf mehrere Fleischersatz-Produkte zurückgreifen. Ein prominenter Hersteller ist das US-Unternehmen Beyond Meat, dessen auf Erbsen-Proteinen und Rote-Beete-Extrakt basierender "Beyond Burger" es schon bis in die Regale deutscher Discounter geschafft hat. Zwar gibt es Kritik an den Inhaltsstoffen, so stellte eine vom "Spiegel" in Auftrag gegebene Studie problematische Aromastoffe im Bratling fest. Dennoch steigen Verkäufe und Erlöse, wenn auch durch die Corona-Pandemie etwas langsamer.
Auch andere Hersteller wie die Lebensmittelgiganten Nestle oder Unilever haben Produkte im Angebot, die wie Fleisch schmecken und so aussehen, allerdings von den Inhaltsstoffen her komplett vegan sind. Selbst große Fast-Food-Ketten nehmen die hypermodernen veganen Bratlinge ins Sortiment: Burger King setzt in den USA auf den Hersteller Impossible Food, McDonalds will dagegen eigene Produkte entwickeln und greift dabei auf das Know-How von Beyond Meat zurück.
Burger-Patty aus dem Labor
An Science-Fiction erinnert die Entwicklung von In-Vitro-Fleisch, quasi Fleisch aus dem Labor. Vereinfacht erklärt, wird dabei aus Stammzellen von Kühen in einer Nährstofflösung Muskelgewebe gewonnen. Wissenschaftler der Universität Maastricht haben mit diesem Verfahren ein Burger-Patty hergestellt. Bislang fehlt es bei In-Vitro-Fleisch allerdings noch an Strukturen, weshalb zunächst nur eine Hackfleisch-ähnliche Substanz hergestellt werden konnte. Bis bei dem Verfahren ein richtiges Steak herauskommt, oder das Ganze für ein Unternehmen rentabel wird, dauert es wohl noch etwas.
Zukunftsforscher sehen jedenfalls einen großen Trend im Fleischersatz. "Wir stehen vor nichts weniger als dem Ende der Fleischproduktion, wie wir sie kennen", erklärt Carsten Gerhardt, Partner und Landwirtschaftsexperte bei A.T. Kearney. "Bereits 2040 werden nur 40 Prozent der konsumierten Fleischprodukte von Tieren stammen." Zwar gehen die Experten weltweit von einem weiterhin wachsenden Fleischmarkt aus. Sie erwarten aber, dass neue Fleischalternativen und kultiviertes Fleisch aus dem Labor gewöhnliches Fleisch langfristig verdrängen werden.
Insekten zum Essen
Vor zwei Jahren kam der erste Insektenburger aus Buffalowürmern und Bio-Soja in die Regale einiger Supermärkte. Den Osnabrücker Hersteller Bug Foundation gibt es zwar schon länger, er durfte seine Burger aber zunächst nicht in Deutschland verkaufen und exportierte sie stattdessen nach Belgien und in die Niederlande. Der Grund: In Deutschland waren weiterverarbeitete Insekten als Lebensmittel bisher verboten. Mittlerweile hat sich die Rechtslage geändert. Trotzdem sind Insekten in Deutschland noch ein hochpreisiges Nischenprodukt - neben dem Burger gibt es sie beispielsweise als Snack oder als Nudelprodukte.
Für den menschlichen Verzehr konzentriert sich die Zucht in Europa momentan auf vier Insektenarten: Heuschrecken, Grillen sowie Mehl- und Buffalowürmer. Das eine sind die Larven des Mehlkäfers, das andere die Larven des Getreideschimmelkäfers.
Einfach verkauft werden dürfen die Krabbeltiere übrigens nicht. "Alle Insekten oder insektenhaltigen Produkte, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden sollen, müssen vorab gesundheitlich bewertet und zugelassen werden", sagt Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen.
Insekten gelten als eiweißreich und enthalten ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Allerdings weist die Lebensmittelexpertin darauf hin, dass Insekten Allergien hervorrufen könnten. "In der Wissenschaft werden Kreuzallergien gegen Schalen- und Krustentiere sowie Weichtiere diskutiert, auch Kreuzallergien bei Hausstaubmilben-Allergikern", so Brendel. Ein zweiter Punkt sei die Übertragung von Krankheitserregern. "Hier ist ein wesentlicher Punkt, dass der Verdauungstrakt der Tiere nicht entfernt wird. Daher sollten Insekten nur durchgegart verzehrt werden."
Insekten-Forschung erst am Anfang
Auch der Ekelfaktor dürfte für viele Verbraucher ein Problem sein. Nicht jeder Deutsche kann sich diese Hüpf-, Kriech- und Krabbeltiere in seinem Mund vorstellen. Der Biologe Florian Fiebelkorn von der Uni Osnabrück will die Akzeptanz von Insekten trotzdem stärken - vor allem aus ökologischen Gründen. Ihm zufolge lassen sich Insekten in vielen Fällen, im Vergleich zu konventionellen Nutztieren, wesentlich nachhaltiger in Bezug auf Landnutzung, Wasser- und Energieverbrauch züchten. "Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind viele Insektenarten traditionellen Nutztieren ebenbürtig und in einigen Punkten sogar überlegen", sagt er.
Bevor in Deutschland große Insektenfarmen öffnen, ist allerdings noch viel Forschungsarbeit nötig, sagt Professor Wilhelm Windisch vom Lehrstuhl für Tierernährung an der TU München. "Viele der hierzulande erhältlichen Insekten bekommen hochwertiges Futter, das für den Menschen auch direkt essbar ist oder mit dem auch andere Nutztiere gefüttert werden", sagt er. "Wenn die Insekten Abfälle bekommen, ist die Futterverwertung alles andere als hoch." Windisch stellt auch die Frage: "Ob Würmer bessere Futterverwerter sind als Masthähnchen, das ist noch nicht bewiesen."
Andere Insekten, die Bioabfall bis hin zu Baumresten verwerten könnten, seien als Nahrungsmittellieferanten interessanter, sagt Professor Windisch. Sie könnten auch aus Stoffen, die für den Menschen unverdaulich sind, hochwertige Proteine produzieren. "Das wären dann aber ganz andere Insektenarten und wir müssten auch unsere strenge Futtermittelgesetzgebung anpassen."
Algen - Superfood aus dem Meer
Die Anbauflächen auf der Erde sind begrenzt, und mit dem Klimawandel werden weitere Flächen wegfallen. Die Meere und Ozeane bieten dagegen ein riesiges Potenzial für Nahrungsmittelanbau, 71 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Unter der Wasseroberfläche wachsen ganzjährig Algen. In asiatischen Ländern werden sie schon längst in Suppen und Salaten sowie als Beigabe zu Reis und Fisch oder als Snack und Sushi zubereitet. In Europa hält die Alge in der Spitzengastronomie Einzug und befindet sich oft in Nahrungsergänzungsmitteln.
Mikroalgen haben einen relativ hohen Proteingehalt bei niedriger Kalorienzahl. Auch produzieren Algen gesunde Omega-3-Fettsäuren, die es als Dragee zu kaufen gibt. Aber werden wir in Zukunft nur noch Algen schlürfend in Restaurants oder Kantinen sitzen? Eher unwahrscheinlich. Der großflächige Anbau für die Massenproduktion ist nicht einfach und ob die Inhaltsstoffe für den menschlichen Verzehr wirklich so überzeugend sind, wie es von den Herstellern behauptet wird, ist umstritten.
So heißt es oft, Algen hätten viel Vitamin B12, das für die Zellerneuerung wichtig ist. An der ausreichenden Zufuhr dieses Vitamins mangelt es gerade bei veganer Ernährung. Eine Studie der Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit Baden-Württemberg zeigte jedoch, dass auf den Verpackungen meist viel höhere Werte angegeben werden, als die Produkte tatsächlich enthalten. Spirulina, Afa und Chlorella sind deshalb keine sicheren Quellen für die Zufuhr von Vitamin B12.
Ein anderes Problem: Vor allem Makroalgen, die zum Beispiel für Sushi genutzt werden, haben oft einen hohen Jodgehalt und sollten maßvoll verzehrt werden. "Es ist daher empfehlenswert, nur solche Algenprodukte zu kaufen, die eindeutige Angaben zum Jodgehalt und zur maximalen Verzehrmenge aufweisen. Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen sollten auf den Verzehr von Nahrungsergänzungsmitteln mit Meeresalgen verzichten", sagt Verbraucherschützerin Brendel.
Wo Algen auch in Europa zunehmend zum Einsatz kommen: als Futtermittel. So werden Mikroalgen an Fische verfüttert. Sie liefern Omega-3-Fettsäuren für die Meeresbewohner. "Denn Fische können, wie auch der Mensch, die gesunden Fettsäuren nicht ausreichend selbst produzieren, sondern nehmen sie durch die Nahrung auf", erklärt Fabian Schäfer, der am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei über Fischzucht in Aquakulturen forscht.
Vegane Produkte statt Käse und Milch
Der Verkauf von veganen Produkten ist ein Wachstumsmarkt, zuletzt stiegen die Umsätze um 17 Prozent innerhalb eines Jahres, wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigt. Diesen Trend bestätigt auch Ernährungsberaterin Birgit Brendel - wenn auch eher bei jungen Konsumenten in Städten. Wichtige Motive dafür sind Berichte über Massentierhaltung, Klimaschutzgründe und gesundheitliche Aspekte.
Allerdings seien rein vegane Produkte nicht immer die bessere Wahl. Birgit Brendel rät, auf das Zutatenverzeichnis und die Nährwerttabelle zu schauen und nennt als Beispiel einen veganen Käse: "Was ein Unterschied sein kann: Der hohe Salzgehalt im Vergleich zum richtigen Käse. Außerdem hat richtiger Käse einen höheren Eiweißgehalt, mehr Calcium und dafür weniger Kohlenhydrate."
Ein anderes Beispiel ist Hafermilch. Hier sollten Verbraucher darauf achten, dass kein zusätzlicher Zucker beigefügt wurde, sagt Birgit Brendel. Außerdem enthalte Hafermilch viel weniger Eiweiß. Kalzium und Vitamine müssten künstlich zugeführt werden. Hafermilch könne dagegen mit Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren punkten.
Und was ist überhaupt mit richtigem Fleisch?
Der Fleischkonsum in Deutschland ging in den vergangenen Jahren zurück, wenn auch nur leicht. Der Durchschnittsverzehr lag im Jahr 2019 bei 59,5 Kilogramm pro Jahr. Dagegen steigt der weltweite Fleischkonsum nach einem leichten Rückgang wieder - vor allem bei Huhn und Schwein.
Bei Fleisch werden oft moralische Dinge ins Feld geführt. Sicherlich, wer die Tötung von Tieren nicht unterstützen will, der muss darauf verzichten. Zum Gesundheitsaspekt kann man sagen: Fleisch enthält viel Eiweiß und vor allem Rind und Schwein zusätzlich viele Nährstoffe wie Eisen, Zink und Selen sowie A- und B-Vitamine. Andererseits zeigen aktuelle Studien, dass sich durch den hohen Konsum von rotem Fleisch die Risiken für die Entstehung von Diabetes und Bluthochdruck erhöhen. "Ein hoher Fleischkonsum und das Auftreten einiger Krebserkrankungen, wie Darmkrebs, stehen ebenfalls miteinander in Verbindung", sagt Birgit Brendel und rät deshalb zu maximal dreimal Fleisch pro Woche, maximal 300 bis 600 g insgesamt.
Und der ökologische Aspekt? Hoher Fleischkonsum führt laut Umweltbundesamt zu Schäden an der Natur – etwa durch Nitrat im Trinkwasser. Und: 60 Prozent der Fläche wird für Futtermittel für Rinder, Schweine und andere Tiere verwendet. Nur 20 Prozent sind direkt für den menschlichen Verzehr bestimmt. "Wenn wir mehr pflanzliche Nahrung und weniger Fleisch essen, schützt das unmittelbar die Umwelt und das Klima", so die Argumentation.
Ohne Tierhaltung geht es nicht
Mehr Obst und Gemüse zu essen, wäre also ein Weg, aber er hat Grenzen. Denn mit einer ausschließlich veganen Ernährung die Umwelt zu retten und vor allem damit die Welternährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicherstellen zu wollen, ist eine Utopie. "In vielen Teilen Afrikas und Asiens wächst nur Gras oder Stroh, das erst von Wiederkäuern verdaut werden muss", sagt Professor Windisch von der TU München. Auf den trockenen Böden lasse sich kaum Gemüse oder Obst anbauen. Für die Menschen dort seien Schafe, Ziegen oder Rinder und deren Milch die einzige Nahrungsquelle.
Auch in dem durch ausreichend Ackerfläche versorgten Europa sei eine ausschließlich vegane Ernährung schwer vorstellbar, sagt Windisch und erklärt das am Beispiel Bayern: Im Freistaat ist wegen der geografischen Gegebenheiten etwa ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche absolutes Grünland. "Dort können sie keinen Ackerbau betreiben, dort wächst nur Gras." Dieses Gras oder die Silage könnten nur Kühe fressen und nicht der Mensch.
Ein weiterer Punkt: Wenn man Getreide anbaut, wird mindestens die gleiche Menge an Stroh geerntet - ein Futtermittel für Rinder. Und wenn man das Getreide zu Mehl verarbeitet, bleibt jede Menge Kleie zurück – wieder ein Futtermittel. "Egal was man macht, es fallen stets größere Mengen an Futtermittel an, als man an pflanzlichen Lebensmittel von der Nutzfläche gewinnt", erklärt der Wissenschaftler.
Was passiert mit dem Fleischpreis?
Dazu kommt für die Bedeutung der Tierhaltung für die Nährstoffzufuhr auf den Feldern. Fehlen Tiere auf einem Bauernhof, fehle Dünger für die Pflanzen, erklärt der Wilhelm Windisch. Ohne Tierhaltung müsse man teuren Mineraldünger kaufen. Selbst eine Biogasanlage, in der Pflanzenreste zu Dünger vergären, habe nur 20 Prozent der Effizienz der Verdauung einer Kuh.
Der Wissenschaftler geht davon aus, dass es trotzdem zu einem Rückgang des Fleischverbrauchs kommt - allerdings vor allem beim Hühnerfleisch, und dass vor allem wegen steigender Preise. Bei der Hühnerproduktion sei die industrielle Massentierhaltung am meisten optimiert - mit dem weltweiten Anbau und Transport von Soja, Mais und Weizen. In Zukunft werden die Anbauflächen immer knapper, und die Menschen werden Soja, Mais und Weizen selber essen und immer weniger an Nutztiere verfüttern.
Auch auf Rind- und Schweinefleisch haben steigende Futtermittelpreise einen Einfluss. Beispielsweise werden bei Hochleistungsrindern bis zu 50 Prozent des Futters aus hochwertigem Kraftfutter eingesetzt, dass man teilweise selber essen könnte. Windisch: "Hier wird man in Zukunft entscheiden müssen, ob man solche Hochleistungstiere will oder eher gute Verwerter von nicht essbarer Biomasse, die auch in der zukünftigen Landwirtschaft in großen Mengen anfallen wird."
Ist Fisch die Lösung? Auch hier gibt es große Herausforderungen in der Zukunft. Den Text dazu lesen Sie hier:
Verwendete Quellen:
- Studie über Fleischersatz-Produkte von A.T. Kearney
- YouTube.com: Insekten auf dem Teller: Was halten wir von Novel Food?
- Verbraucherzentrale: Inhaltsstoffe von Algen
- Untersuchungsämter Baden-Württemberg: Studie über Vitamin B12 in Algen
- Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen
- Professor Wilhelm Windisch, Tierernährungsexperte von der TU München
- Dr. Fabian Schäfer vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
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