1,5 Milliarden Euro Überschuss nehmen ARD und ZDF wahrscheinlich bis 2016 durch den Beitragsservice ein. Die Zwangsabgabe ist heftig umstritten. Während die Rundfunkanstalten sie verteidigen, wollen die Gegner sie am liebsten ganz abschaffen.

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Jeder Haushalt in Deutschland muss ihn zahlen: den Rundfunkbeitrag, der die GEZ-Gebühr abgelöst hat. Seit 2013 heißt die Zwangsabgabe "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice". Die Gebühr liegt bei 17,98 Euro pro Monat, unabhängig davon, ob in dem Haushalt ein Fernseher, ein Radio oder ein Computer stehen. Das spült viel Geld in die Kassen der Kölner Behörde – mehr als gedacht. Experten gingen bisher von einem Überschuss von 1,2 Milliarden Euro bis 2016 aus. Laut Bild-Zeitung sind es 1,5 Milliarden Euro. Mit dem Geld wollen die Sender Rücklagen bilden. Es gibt aber auch andere Vorschläge: Die Mehreinnahmen könnten zum Beispiel genutzt werden, um die Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern abzuschaffen.

Pro Rundfunkbeitrag

ARD und ZDF begründen die Abgabe so: "Der Rundfunkbeitrag finanziert das vielfältige Programm von ARD, ZDF und Deutschlandradio." So heißt es auf der Homepage "Rundfunkbeitrag". Er sei für eine "demokratische und moderne Gesellschaft unentbehrlich", denn "seine Programme tragen wesentlich zur Meinungsbildung bei". Nur die "solidarische Finanzierung" durch den Beitrag garantiere jedem Bürger den freien Zugang zu Informationen und ermögliche eine von wirtschaftlichen und politischen Interessen unabhängige Berichterstattung. So entstehe ein "hochwertiges Programm" mit Information, Bildung und Unterhaltung.

Früher - zu Zeiten der GEZ-Gebühr - musste jeder Bürger mit einem Fernseher oder einem Radio zahlen. Lebten mehrere Menschen in einer Wohnung, galt die Abgabe für alle. Beim Beitragsservice muss generell eine Person pro Haushalt die Abgabe leisten. Doch der Betrag wird auch fällig, wenn überhaupt kein Empfangsgerät vorhanden ist. Das Argument, dass jemand ARD, ZDF und die dritten Programme sowie Radiosender gar nicht nutzt, zählte weder früher, noch ist es jetzt ausschlaggebend.

Einer der Befürworter der neuen Abgabe ist der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof. Er hatte eines der entscheidenden Gutachten verfasst, nach denen die Umstellung von der geräteabhängigen Abgabe auf den Rundfunkbeitrag erfolgte. Allerdings fordert auch er grundlegende Reformen: Kirchhof wünscht sich eine Senkung der Abgabe und fordert von den öffentlich-rechtlichen Sendern einen völligen Werbeverzicht. Das niedrigere Entgelt kommt im April, dann sind 17,50 Euro pro Monat fällig. Der Werbeverzicht ist bisher nur ein Vorschlag.

Contra Rundfunkbeitrag

Das allerdings reicht den Kritikern des Rundfunkbeitrags nicht aus. Sie finden die Zwangsabgabe generell ungerecht: Wer sie nicht zahlen will, bekommt einen Vollstreckungsbescheid, niemand soll der Aufforderung entkommen können. Im Internet gibt es zahlreiche Blogs und Webseiten, die sich mit dem Widerstand gegen die Gebühr beschäftigen. Knapp 20.000 Anhänger hat etwa die Facebook-Seite "GEZ abschaffen - ARD verschlüsseln". Dort heißt es: "Die Auswahl an Inhalten ist durch das Internet so groß wie noch nie. Nachrichtenseiten und Streamingangebote sind überall präsent. Ein Zwangsrundfunk ist deshalb schon längst nicht mehr nötig." In einer Online-Petition gegen die Zwangsabgabe erklären die Initiatoren: "Jeder muss nun diesen Beitrag bezahlen. Egal ob er überhaupt die Möglichkeit des Empfangs hat oder nicht." Niemand werde zudem gefragt, ob er die Sender empfangen möchte oder nicht.

Damit stehen die Kritiker nicht allein. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bundesfinanzministerium kam zu dem Schluss, dass es am besten sei, den Rundfunkbeitrag in seiner jetzigen Form abzuschaffen. Denn: "Eine der Höhe nach maßgeblich vom Anbieter bestimmte, nutzungsunabhängige Zwangsabgabe kann keine Impulse für eine optimale Angebotssteuerung setzen." Die Sender haben keine Motivation, das Programm zu verändern, wenn sie die Beiträge selbst festsetzen dürfen. Stattdessen sollen die Öffentlich-Rechtlichen nach alternativen Finanzierungsmethoden suchen, zum Beispiel bei den Ländern vorstellig werden. Die Experten befürworten eine Nutzungsgebühr: Nur die sollen für das Programm von ARD und ZDF zahlen, die die Sender auch in Anspruch nehmen.

Das Urteil der Gutachter fällt negativ aus: Die öffentlich-rechtlichen Sender könnten problemlos ihr Angebot stark einschränken, ohne dass die Nutzer darunter leiden würden. Denn das Internet biete heute eine große Vielfalt an Informationsmöglichkeiten, außerdem könnten die Privaten eventuell entstehende Lücken im Programm füllen. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nur noch Sendungen anbieten sollten, die die private Konkurrenz nicht im Programm habe.

Dieses Ergebnis ist zwar Wasser auf die Mühlen der Kritiker, stößt aber bei anderen auf Unverständnis, wie etwa beim Deutschen Journalistenverband. Der Vorsitzende Michael Konken beanstandet auf der eigenen Homepage: "Das Gutachten will ARD und ZDF zum Nischendasein verdammen, ohne auch nur eine Zeile über die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Meinungsvielfalt gerade auch im Regionalen zu verschwenden."

Ob das Gutachten überhaupt konkrete Auswirkungen hat, ist offen. Denn das Finanzministerium selbst erklärte, dass es nicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuständig sei – und der Beirat unabhängig arbeite.

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