Die Preise für Gas und Strom sind so niedrig wie lange nicht. Lohnt sich ein Wechsel des Anbieters? Worauf man achten sollte.

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Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine schnellten die Preise für Energie in die Höhe. Insbesondere die hohe Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas machte sich hier deutlich bemerkbar. Zwischenzeitlich lag der Preis für eine Kilowattstunde Strom bei 70 Cent. Auch Gas wurde zeitweise sehr teuer. 40 Cent kostete eine Kilowattstunde Ende letzten Jahres.

Doch damit ist es erst mal vorbei und die Lage am Energiemarkt hat sich etwas entspannt. Dies hat mehrere Ursachen, sagt Benjamin Weigl vom Verbraucherportal Finanztip. Aufgrund des milderen Winters und der Einsparungen der privaten Haushalte und der Wirtschaft sei das Szenario der Gasknappheit im Winter ausgeblieben. Die Gasspeicher blieben gut gefüllt. Außerdem habe Deutschland mittlerweile neue Lieferanten für Gas erschlossen, sagt Weigl. So werde mittlerweile auch LNG-Gas nach Deutschland geliefert.

Gas- und Strompreise hängen zusammen

Ähnlich sieht dies auch Malte Küper vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Er weist auf den Zusammenhang von Gas- und Strompreisen hin. Denn ein Teil des Stroms in Deutschland wird auch in Gaskraftwerken erzeugt. Deswegen gilt: "Die gesunkenen Gaspreise wirken sich letztendlich auch positiv auf die Strompreise aus." Hinzu komme, dass im ersten Halbjahr 2023 besonders viel Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt wurde, sagt Küper.

Inzwischen sind die Energiepreise sogar so niedrig, dass die Preisbremse für Gas und Strom vielerorts gar nicht mehr greift. Bei diesem von der Bundesregierung eingeführten politischen Instrument ist für 80 Prozent des eigenen Gasverbrauches ein garantierter Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Beim Strom gilt: 80 Prozent des eigenen Verbrauches kosten dann nicht mehr als 40 Cent pro Kilowattstunde.

Möglichen neuen Anbieter vorher genau ansehen

Experten raten gegenwärtig immer wieder zum Wechsel des Anbieters. Doch worauf sollte man dabei achten? "Es ist wichtig, dass der künftige Stromanbieter in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen ist", sagt Weigl. So hätten manche Anbieter auch immer wieder mal gegen das Energierecht verstoßen. Zudem sollte die Preisgarantie mindestens so lange laufen, wie auch der Vertrag als Ganzes laufe. Andernfalls könne es zu Preiserhöhungen kommen.

Letztlich spiele immer auch die persönliche Präferenz eine Rolle: Wenn man gerne mal "zockt“ und darauf spekuliere, dass die Preise noch weiter sinken würden, könne man auch auf kürzere Vertragslaufzeiten setzen, sagt Weigl. Als Orientierungshilfe bieten sich etwa die Tarifrechner für Gaspreise oder Strompreise von Finanztip an, die auf Daten der Vergleichsportale Verivox und Check24 zurückgreifen.

Was bei der Kündigung beim Anbieter zu beachten ist

Auch beim Kündigen gilt es, etwas Bestimmtes zu beachten: Jedem Kunden steht nicht nur ein Sonderkündigungsrecht zu, wenn die Preise steigen. Das Sonderkündigungsrecht gilt auch bei sinkenden Preisen, erklärt Weigl. Eine Kündigung kann sich auch dann lohnen, wenn der bisherige Anbieter die Preise senkt. Denn die Preise könnten bei anderen Anbietern immer noch niedriger sein. Ein Wechsel lohnt sich also in diesem Fall besonders.

Immer wieder locken Anbieter die Kunden auch mit einem sogenannten Wechselbonus. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, mahnt Weigl. Denn dieser müsse erst nach einem Jahr ausgezahlt werden. Auch gelte er oft nur für ein Jahr. So kann es dazu kommen, dass bei einer entsprechend längeren Vertragslaufzeit nach Ablauf dieses ersten günstigen Jahres höhere Preise auf die Kunden zukommen könnten. Bei einem Bonus, den Vergleichsportale zahlen, müsse der Kunde darauf achten, diesen auch aktiv beantragen, um ihn zu bekommen, sagt der Experte.

Wer den Anbieter wechseln möchte, um Ökostrom zu beziehen, müsse auch genau hinsehen, bei wem er einen Vertrag unterschreibe und dürfe nicht auf den erstbesten Stromerzeuger setzen, sagt Küper. Es gelte zu beachten, dass "die Anbieter tatsächlich in den Bau neuer Anlagen investieren und nicht nur mit bestehenden, bereits finanzierten Anlagen werben.“

Strom sparen durch Austausch von Stromfressern

Eine weitere Strategie, um den Strompreis zu senken, ist neben dem Anbieterwechsel das Stromsparen. Küper weist darauf hin, dass viele Stadtwerke und Kommunen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit bieten, sich kurzfristig ein Strommessgerät auszuleihen. So können Stromfresser identifiziert werden und Geräte mit hohem Verbrauch gegen sparsamere Geräte ausgetauscht werden. Auch Balkonkraftwerke lohnen sich für viele Menschen, sagt Küper. Die entsprechenden Gesetze treten ab kommendem Jahr in Kraft und so rentiere sich eine solche Anschaffung für Menschen ohne eigenes Haus schon nach wenigen Jahren, erklärt der Wirtschaftsforscher.

Wie jedoch eine langfristige Preisentwicklung aussieht, darüber können auch Experten bisher keine genauen Angaben machen. Bei den Gaspreisen müsse man davon ausgehen, dass es noch einige Jahre dauern werde, bis sie wieder so niedrig werden, wie vor dem Ukrainekrieg. Der Strombedarf werde etwa durch E-Autos und Wärmepumpen langfristig steigen. "Wir wollen ja alles elektrifizieren in Deutschland und das macht immense Investitionen notwendig“, sagt Weigl. Das müssten auch die Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen. Einen Lichtblick gibt es jedoch hierbei: Sonnen- und Windstrom sei sehr viel günstiger – wenn die Infrastruktur dafür erst mal geschaffen sei.

Zu den Personen: Benjamin Weigl ist Experte beim Online-Portal "Finanztip“ für den Themenkomplex Energie. Malte Küper ist Referent für Energie und Klimapolitik am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.
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