Die Altersarmut steigt und steigt: Fast jeder zweite Bürger, der nach 2030 in Ruhestand geht, wird eine Altersversorgung unter der Armutsgrenze haben. Das ergibt sich aus Berechnungen und Recherchen des WDR.

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Wichtigster Grund sei das sinkende Rentenniveau. Dieses liegt derzeit bei nur knapp 48 Prozent. Auch niedrige Löhne im Einzelhandel oder Gastgewerbe werden ebenfalls als Ursache genannt.

Bis 2029 dürften die Renten laut jüngsten Rentenversicherungsbericht im Schnitt zwar um rund zwei Prozent pro Jahr steigen. Von den Löhnen koppeln sich die Renten aber immer mehr ab. Faktoren wie die Nachhaltigkeitsrücklage dämpfen das Rentenplus. Immer mehr geburtenstarke Jahrgänge gehen in den Ruhestand. Das Rentenniveau - das Verhältnis der Rente zu den Löhnen - liegt bei rund 48 Prozent. Unter 43 Prozent soll es laut politischer Vorgabe bis 2030 nicht fallen. Derzeit sind knapp 45 Prozent bis 2029 vorhergesagt.

Nach einem Bericht des WDR droht fast jedem zweiten Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, eine Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterhalb der Armutsgrenze. Beinahe die Hälfte der Rentner wären dann möglicherweise abhängig von staatlichen Grundsicherungsleistungen, also faktisch Hartz-IV-Empfänger, berichtete der WDR unter Berufung auf eigene Recherchen und Berechnungen. Wichtigster Grund dafür sei das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente.

Nahles kündigt neues Konzept an

In der Debatte um die Zukunft der Rente hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) indes ein umfassendes Konzept angekündigt. Aus den Veränderungen der ökonomischen und demografischen Bedingungen ergäben sich neue Antworten, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Ich werde dafür sorgen, dass wir diese Antworten zügig, aber mit größter gebotener Sorgfalt erarbeiten und ein Gesamtkonzept vorlegen."

Eine belastbare Grundlage dafür seien die Berichte zur Alterssicherung und Rentenversicherung, die die Bundesregierung im Herbst vorlegen werde, sagte Nahles.

Damit zeichnet sich immer stärker die Rente als ein zentrales Thema für den Bundestagswahlkampf 2017 ab. Zuletzt hatte sich CSU-Chef Horst Seehofer für eine große Rentenreform ausgesprochen. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) soll ein eigenes Konzept für die CSU erarbeiten, berichtet die "Bild"-Zeitung (Dienstag).

Nahles sieht die gesetzliche Rentenversicherung als "das zentrale Versprechen des Sozialstaats" an, dass Arbeitnehmer nach einem Arbeitsleben im Alter auch davon leben können. "Wer die Ärmel hochgekrempelt hat, steht später nicht mit leeren Händen da."

"Es kann und darf nicht nur für die alten Menschen von gestern und von heute gelten, es muss auch für die heute jungen Menschen ein glaubwürdiges Versprechen sein, die sich in der Zukunft darauf verlassen wollen", sagte Nahles. "Deshalb ist es angesichts sich ändernder ökonomischer und demografischer Bedingungen richtig, immer wieder notwendige Veränderungen wahrzunehmen."

Nahles hatte bereits angekündigt, eine Reform bei den Betriebsrenten und eine Aufwertung kleiner Renten, die so genannte Lebensleistungsrente, auf den Weg bringen zu wollen.

Seehofer hatte eine künftige Erhöhung der Altersbezüge für breite Schichten verlangt. Die Anfang des vergangenen Jahrzehnts beschlossene Kürzung des Rentenniveaus wird etwa die Hälfte der Bevölkerung laut dem CSU-Chef abhängig von Sozialhilfe machen. Die 2001 eingeführte Riester-Rente sieht Seehofer als gescheitert an.  © dpa

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