Alleine auf Achse zu sein, das ist stets eine Herausforderung. Schon 1956 startet Milli Bau mit ihrem Bulli durch, bis nach Japan. Die Bilder der Reise-Pionierin sind nun erstmals in Darmstadt zu sehen.

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Eine Ausstellung zu Milli Bau? Nein, das "gab es tatsächlich noch nie", erklärt Julia Reichelt, Leiterin des Kunstforums der TU Darmstadt. Sie hat die Werkschau der Weltenbummlerin kuratiert – und lernte dabei auch die Person hinter der Kamera kennen. "Und das macht Staunen", versichert sie, "denn mehr als sechstausend Bilder finden sich im Nachlass."

Verwahrt wird dieser im Weltkulturen Museum Frankfurt, die Kustodin Alice Pawlik hat die Ausstellung als Co-Kuratorin unterstützt. Der schriftliche Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Darmstadt: In Darmstadt wurde Milli Bau geboren, hier verstarb sie im hohen Alter von 99 Jahren. Elf Jahre zuvor hatte sie eine letzte große Reise unternommen, nach Sibirien mal eben.

Das Leben von Milli Blau

Im selben Jahr gab sie dem Hessischen Rundfunk ein Interview – und erklärte ihre Liebe zu Asien, sie sei eben die Tochter eines Sven-Hedin-Verehrers: "Ich habe wirklich zuerst gewusst, was Lhasa ist, bevor ich in der Schule lernte, was es mit Berlin auf sich hat", wird sie zitiert. Mitte der 1920er Jahre reist sie zunächst nach Italien, um in Rom die Sprache zu studieren, und belegt wohl auch kunsthistorische Seminare. Dennoch lebt sie eher in geregelten Bahnen, heiratet mit 26, wird Mutter – doch der Sohn stirbt mit nur 15 Monaten durch einen häuslichen Unfall.

"Das ist ein Lebenseinschnitt", erklärt Julia Reichelt, Milli wird nun zusehends reiselustiger, unruhiger wohl auch. Während des Zweiten Weltkrieges ist sie im Kulturressort der Hamburger Zeitung "Die Welt" tätig. Im November 1948 ergreift sie die Gelegenheit, als Dolmetscherin und Berichterstatterin die dreijährige "Deutsche Anden-Kundfahrt" durchs südamerikanische Amazonasgebiet zu begleiten, als einzige Frau wohlgemerkt. "Schon in Genua konnte sie ihr Organisationstalent und ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen, war doch die Reiseleitung verschwunden. Das zeigt gut ihren Charakter, ihre Fähigkeit, sich durchzuschlagen."

Bulli als neues Zuhause

Zurück aus Südamerika, ist das Reisefieber nicht mehr zu heilen. Ihrem Mann teilt sie mit, dass sie zumindest acht Monate im Jahr unterwegs sein will. Doch er verstirbt schon 1953, eine überschaubare Witwenrente wird künftig eine finanzielle Basis sein. 1955 stirbt zudem ihr Marimono-Affe "Fips Peter Schwanzlhuber", den sie im südamerikanischen Urwald gefunden und aufgezogen hatte. Nichts hält sie mehr: Im selben Jahr löst sie ihren Haushalt auf, parallel erwirbt sie einen neuen Bulli und lässt ihn zum Reisemobil ausbauen. Ihre verwegene Aussage "Ich bin die Erste gewesen, die auf die Idee kam, aus einem Volkswagen Bus ein rollendes Haus zu machen" stimmt zwar nicht, doch unbestritten bereitet sie sich akribisch vor. "Milli Bau hospitierte sogar eine Weile in einer Werkstatt, um die Technik des Wagens zu verstehen, ihn unterwegs reparieren zu können", erklärt Julia Reichelt.

Ab dem 1. Januar 1956 reist sie vier Jahre allein im VW-Bus Richtung Osten: Ihr Weg führt sie unter anderem über den Libanon, nach Syrien, Jordanien, Irak, Iran, Pakistan, Indien und Nepal, nach China und Japan. "Und in Beirut hat dann ein Kran mein kleines Haus auf Land gestellt und dann bin ich von dort aus losgefahren und hab mich an meinen Arbeiten, an meinen Artikeln für Zeitungen und Rundfunk sozusagen um die Welt gewickelt."

Als Korrespondentin in Teheran

Neun Jahre später ist sie wieder im Bulli unterwegs, diesmal in den Iran, sie lebt sieben Jahre in Teheran als Korrespondentin der "Welt", und das auch noch im Umfeld der Schah-Familie Pahlavi: "Hier habe ich einen märchenhaften Standplatz im Park der Botschaftersommerresidenz. Das alte Haus ist buchstäblich zusammengefallen und in dem Park spielt sich nichts mehr ab von den herrlichen Festen, die es früher gab, und so stehe ich unter alten Bäumen zwischen gepflegten Rasenflächen und habe den Blick auf das Gebirge frei, auf das inzwischen Schnee gefallen ist", wird sie zitiert. Die Eindrücke fließen in ihr Buch "Iran. Wie er wirklich ist", das 1974 erscheint, "nach heutigen Maßstäben jedoch aufgrund der unreflektierten Begeisterung für den Schah kritisch zu hinterfragen ist", betont Julia Reichelt. "Milli Bau war bestens vernetzt und wusste ganz sicherlich um die Schattenseiten des Schah-Regimes, die sie jedoch bewusst ausgeblendet hat." Als die schillernde Figur, die sie war, zog es sie wohl zur opulenten Pracht des Pfauenthrons. Indes kann auch Schwelgerei ermüden: "Kaviar ist eine köstliche Delikatesse – aber für die nächste Zeit brauche ich mal keinen."

Zurück in Darmstadt, baut sie ihr Asien-Archiv auf, "es besteht aus mehr als 6.000 Dias, rund 4.000 Büchern und Dokumenten", erklärt Kuratorin Reichelt, die stolz ist, über 800 Bilder von Milli Bau zeigen zu können. "Eins berührt mich dabei wohl ganz besonders, da sitzt Milli mit über 80, aber wie ein kleines Mädchen auf einer Kommode, hinter ihr die große Weltkarte, auf der eingezeichnet ist, wo sie überall war, und blickt stolz in die Kamera."

Diese Aussage könnte ein Hinweis darauf sein, dass Milli Bau in ihrem Leben viel gelang, nicht nur Tausende von Fotos. Doch eines hat sie wohl nie geschafft: erwachsen und geistig satt zu werden. Dafür war sie ganz sicher zu sehr fasziniert von der Fremde. "Die Unruhe bleibt", sagte sie 1988 in einem Rundfunkbeitrag, 1996 erhielt sie die Verdienstplakette der Stadt Darmstadt für ihr weltweites Engagement in der Völkerverständigung. Ein rollender Stein setzt eben kein Moos an…

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Die Ausstellung

Die Ausstellung "MILLI BAU. 5000 km bis Paris" wird in Kooperation mit dem Weltkulturen Museum Frankfurt, einem Partnerprojekt der RAY Fototriennale Frankfurt/RheinMain, gezeigt und ist noch bis 27. Oktober zu sehen. Die Ausstellung des Kunstforums der TU Darmstadt ist Mittwoch bis Sonntag von 13:00 bis 18:00 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen. Erarbeitet haben die Ausstellung Co-Kuratorin Alice Pawlik, die kuratorische Assistenz Kathrin Stößer und Kuratorin Julia Reichelt.

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