• Im neuen "Tatort" aus Dresden hat es ein Mörder auf Rettungssanitäter abgesehen.
  • Es ist der passende Krimi zum trüben Winter: "Rettung so nah" handelt von überforderten Helfern und einer Kommissarin, der es auch nicht besonders gut geht.
Eine Kritik

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Diese Dresdner Folge ist der perfekte "Tatort" zur Saison: Es ist kalt, alle sind krank, genervt, gereizt und sauer aufeinander. Nur der Titel, der gibt falsche Hoffnung: "Rettung so nah"? Sieht nicht danach aus. Im Gegenteil, ein Toter nach dem anderen. Und die Lebenden sind überfordert, greifen zu Tabletten - und zu leichten Drogen.

Ein düsterer "Tatort", der wenig Hoffnung stiftet

Eigentlich geht es im Dresdner "Tatort: Rettung so nah" um überforderte Rettungssanitäter. Man muss nicht besonders sensibel veranlagt sein, um Parallelen zur Wirklichkeit zu sehen, die nichts mit diesem beabsichtigten Realitätsbezug zu tun haben. Eine kleine Warnung aus der Fernsehapotheke: "Rettung ist nah" ist ein deprimierender "Tatort". Kein schlechter, überhaupt nicht. Nur eben kein Krimi, der unterhaltsame Ablenkung von der deutschen Wintermisere 2020/21 leicht macht.

Die grauen Fakten: Der Rettungssanitäter Tarik Wasir ist ermordet worden. Während eines Einsatzes mit Kollegin Greta Blaschke bei einer unterkühlten Obdachlosen am Elbufer geht er zurück zum Wagen und kommt nicht wieder. Als Greta nachsieht, findet sie ihn mit Kabelbindern ans Lenkrad gefesselt und mit einer Plastiktüte über dem Kopf erstickt.

Arbeiten unter Extrembedingungen

Tarik war ein Medizinstudent aus Syrien, ein fremdenfeindliches Motiv liegt nahe. Sein Kollege Hagen (Matthias Kelle) scheint vom Tod nicht besonders ergriffen. Eine weitere Kollegin, Elena (Mieke Schymura), meint, dass sich Hagens Problem damit "ja wohl erledigt" habe. Und ein fünfter Sanitäter fuchtelt ziemlich unsouverän mit einer Pistole herum, weil er sich bei seinen Einsätzen nicht mehr sicher fühlt. An Verdächtigen herrscht kein Mangel. Und dann stirbt ein weiterer Sanitäter, und Elena landet schwer verletzt im Krankenhaus.

Als die Kommissarinnen routinemäßig wissen wollen, ob sie irgendwelche Feinde hätten, kann diese Truppe nur bitter lachen: Eine ganz schön dumme Frage sei das - "wir werden ständig angemacht!" Kein Wunder: Rettungskräfte werden in Extremsituationen gebraucht, arbeiten unter Extrembedingungen und sind, wie in vielen medizinischen Bereichen, extrem unterbesetzt und überlastet. Sie haben es mit Menschen zu tun, die unter Drogen stehen und Schmerzen leiden und Angst haben. Die sich Sorgen um verletzte Angehörige oder Freunde machen, oder die alles besser zu wissen meinen und vielleicht selbst Hilfe nötig hätten. Und in diesem hochemotionalen Gebrodel sollen die Sanitäter einen kühlen Kopf bewahren, um mitunter Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen.

Konventionelles Storytelling - verschenktes Potenzial

Es ist ein psychologisch reizvolles, eigentlich dankbares Thema, das Christoph Busches Drehbuch aber nicht wirklich auslotet. Auch Isabel Braaks Regie inszeniert die Geschichte – sicher auch Corona-bedingt – mit einer Zurückhaltung, die Extremsituationen geradezu willentlich vermeidet. Der Film marschiert recht konventionell durch den Plot und konzentriert sich auf Tariks Kollegin Greta (Luise Aschenbrenner): Eine der Besten auf der Rettungswache, aber auch alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter. Eine junge, sensible Frau, die den ständigen Stress längst nicht mehr nur mit Zigaretten bewältigen kann.

Als die Angst der Sanitäter immer größer wird, fährt Karin Gorniak bei Einsätzen mit und hat auf Greta Blaschke als dem wahrscheinlich nächsten Opfer ein besonders wachsames Auge. Auch das eine interessante Konstellation, aus der dieser "Tatort" nur wenig macht. Schließlich ist die Kommissarin ebenfalls alleinerziehende Mutter. Und ebenfalls angeschlagen: "Rettung so nah" präsentiert eine völlig übermüdete, überlastete und schniefende Ermittlerin – Karin Gorniak hat sich kaum von einer Grippe erholt, und Schmerzen einer alten Verletzung plagen sie. Diese wiederum geht auf den ersten gemeinsamen Fall mit Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) zurück, ein Einsatz, der das Verhältnis der beiden nachhaltig gestört hat. Jetzt plagt Leonie Winkler das schlechte Gewissen, und die beiden Frauen fremdeln.

Stress, wohin man nur sieht also. Alle sind gereizt, fühlen sich ungeschützt, überfordert und erschöpft. Der Fall wird trotzdem gelöst. Und Karin und Leonie wollen zusammen "was trinken gehen". Das ist doch wenigstens etwas in diesem kalten, dunklen Winter.

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