Der neu formierte Frankfurter "Tatort" funktioniert: Nicholas Ofczarek schillert in der Psychopathenrolle, die Kommissare Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) gewinnen an Format. Ein erstes echtes Ausrufezeichen aus Hessen.

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Ergab die Story Sinn?

Absolut! Beim Hessischen Rundfunk ist man seit jeher geneigt, die Wurzeln des Bösen mit großem Wagemut zu vermessen. "Die Geschichte vom bösen Friederich" steht in der Tradition abgründiger HR-"Tatorte" wie "Weil sie böse sind" (2010) und "Es ist böse" (2012).

Der Österreicher Nicholas Ofczarek geht förmlich auf in der Rolle des Psychopathen Alexander Nolte, eines schwer gestörten Nihilisten, der die Kommissarin Anna Janneke mit einer Mischung aus Rachsucht und sexueller Obsession bedrängte.

Wie überzeugend waren die Kommissare?

Der Schurke war in diesem Psychopathenkrimi klar die Hauptfigur. Und doch wurden die Kommissare von dem schillernden Bösen nicht an die Seite gedrängt, ganz im Gegenteil.

Anna Janneke, die eigenwillige Frau mit dem Äußeren einer Töpferkursleiterin und unerschrocken wie eine Löwin, und Paul Brix, der lebenserfahrene und charismatische Solitär, gewannen in diesen 90 Minuten sehr an Kontur.

Wie furchteinflößend war der Mörder?

Nicholas Ofczarek, hoch dekorierter Schauspieler am Wiener Burgtheater, spielte den gefühlskalten Mörder als ebenso grausames wie charmant-manipulatives Monster. Eine bestechende, beängstigende und jederzeit glaubhafte Charakterstudie.

In der ewigen Hitliste der schlimmsten "Tatort"-Psychos ist dem unlängst wiedergekehrten "stillen Gast" Kai Korthals (Lars Eidinger) aus Kiel ein echter Konkurrent erwachsen.

Wie realistisch war dieser "Tatort"?

Nicht besonders. Aber die Macher hatten es offenkundig auf etwas anderes abgesehen. Volker Einrauch (Buch) und Hermine Huntgeburth (Regie) haben den morbiden Düster-"Tatort" philosophisch aufgeladen und einer bloß realitätsgetreuen Beschreibung der Dinge enthoben.

"Die Geschichte vom bösen Friederich" war ein artifizieller, aber keinesfalls theaterhafter Krimi, der parabelhaft auf die titelgebende Fabel aus dem "Struwwelpeter" anspielte.

Welche Nebenfigur stach besonders heraus?

Sie entwickelt sich zum gern gesehenen Stammgast im deutschen Sonntagskrimi: Ursina Lardi, gebürtige Schweizerin, wohnhaft in Berlin, war bereits zweimal im "Polizeiruf 110" zu sehen und nun sogar schon zum sechsten Mal im "Tatort".

Die zierliche 45-Jährige mit dem ausdrucksstarken Blick ist Spezialistin für leicht labile Frauenfiguren. Diesmal glänzte sie als liebesblinde Psychologin, die sich schützend vor den manipulativen Mörder stellte und ihn sogar nachts in ihr Bett ließ. Starker Auftritt.

Wie gut war der "Tatort"?

Hochspannend, kunstvoll, auf verstörende Weise anregend: Mit diesem schauerlichen Psychopathen-"Tatort" setzt das seit Mai 2015 amtierende Frankfurter Duo Janneke/Brix sein erstes echtes Ausrufezeichen.

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