Charkiw/Hamburg - Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan betreibt im Militärdienst ein Frontradio in der ständig von Russland bombardierten Großstadt Charkiw. "Wir machen Interviews mit Soldaten und Zivilisten und versuchen, eine Brücke zwischen dem Militär und der Zivilbevölkerung zu schlagen", sagte der 50-Jährige in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstagausgabe). "Wir wollen den Kämpfern, die in den Brigaden dienen, eine Stimme geben", sagte Zhadan, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2022.

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Der Autor ("Internat", "Die Erfindung des Jazz im Donbass") hatte sich im Frühjahr 2024 zur ukrainischen Nationalgarde gemeldet und die militärische Grundausbildung durchlaufen: "Truppenübungsplatz, Waffenkunde, medizinische Notversorgung." Nun mache er beim Militär, was er am besten könne und dem Land am meisten nutze: "Und das ist nicht das Kämpfen an der Front, sondern die Kommunikation."

"Jede Nacht hörst du Einschläge von Raketen"

Angesichts des Krieges seien ihm Auftritte mit seiner Band Zhadan i Sobaky weniger wichtig geworden. Auch als Lyriker habe es ihm zeitweise die Sprache verschlagen. "Das Schreiben fällt mir immer noch schwer", sagte er. "Jede Nacht hörst du die Einschläge der Raketen. Und am Morgen wachst du dann auf und liest die Chronik der Getöteten. Das sind keine guten Zeiten für Gedichte."

Wegen der Schäden am Energiesystem gehe die Ukraine in einen sehr harten dritten Kriegswinter, sagte Zhadan. Aber es gehe nicht an, sich der Aggression zu beugen. In Deutschland gebe es viele Menschen, die einen Frieden erwarteten, wenn die Ukraine die Waffen streckt. "Viele verstehen nicht, dass eine Kapitulation das Ende unseres Staates bedeuten und erst recht zu vielen Opfern führen würde." Zhadan stammt aus Starobilsk in der Region Luhansk, das von russischen Truppen besetzt ist.  © Deutsche Presse-Agentur

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