Downsizen macht auch vor dem Kleiderschrank keinen Halt. Doch was steckt eigentlich hinter dem Trend "Capsule Wardrobe" und wie schafft man es, endlich für Überblick im eigenen Schrank zu sorgen?

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Der Kleiderschrank ist voll und trotzdem finden Sie einfach nichts zum Anziehen? Vielleicht hängt das ja mit den vielen nie getragenen Schrankleichen zusammen.

Im Durchschnitt kauft jeder Deutsche laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Jahr rund 50 bis 70 Kleidungsstücke.

Ein Großteil der im Shoppingwahn gekauften Teile wird nicht alt und landet im Müll – oder endet als Schrankhüter zwischen zahlreichen anderen selten bis nie getragenen Kleidungsstücken.

Nur noch 20 bis 35 Kleidungsstücke

Oft fragt man sich dann: Brauche ich das denn alles? Eigentlich trage ich doch meist meine liebsten Basics. Und genau da setzt der Capsule-Wardrobe-Trend an. Eine Capsule Wardrobe besteht aus etwa 20 bis 35 zeitlosen und untereinander kombinierbaren Kleidungsstücken.

Mit saisonalen Accessoires kann die Basic-Ausstattung erweitert werden. So können mit wenigen Lieblingsteilen immer neue Looks kreiert werden. Zwar erfreut sich der minimalistische Kleiderschrank aktuell einer stetig wachsenden Fangemeinde, doch wirklich neu ist die Idee nicht.

Die Erfinderin der Capsule Wardrobe

Susie Faux war es, die in den 1970er-Jahren den Begriff "Capsule Wardrobe" definierte. Die Idee der Londoner Boutique-Betreiberin wurde einige Jahre später von der US-amerikanischen Modedesignerin Donna Karan aufgegriffen.

1985 brachte sie eine siebenteilige Kollektion heraus. Das Besondere an der Kollektion war, dass die Kleidungsstücke sich perfekt miteinander kombinieren ließen. Bis heute gilt Donna Karans "Essentials"-Linie als revolutionär und Steilvorlage für moderne Minimalisten.

Minimalistischer Lifestyle wird immer beliebter

Immer mehr Menschen wenden sich dem exzessiven Konsumverhalten ab – und dem minimalistisch geprägten Lebensstil zu. Downsizing wird das in der Szene genannt.

Weniger besitzen, um freier zu sein und mehr Zeit für das wirklich Wichtige im Leben zu haben. Und oft auch, um einen klareren Kopf zu haben und strukturierter vorgehen zu können.

Denn: Chaos und Genie hängen nicht zwangsläufig zusammen. Wer sein Chaos nicht beherrscht, fährt mit überschaubarem Besitz eindeutig besser.

Das meint auch Silke Gerdes, die das Motto "weniger ist mehr" lebt. "Je mehr Ordnung man hat, desto besser kann man alles überblicken und desto glücklicher ist man. Ganz einfach, gilt ja für alles im Leben", sagt sie und blickt zufrieden in ihren ordentlich sortierten Kleiderschrank.

Ein Guide für angehende Puristen

Lina Jachmann ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Puristen-Szene. Die in Berlin lebende Kreativ-Direktorin ist die Autorin des Bestsellers "Einfach Leben: Der Guide für einen minimalistischen Lebensstil".

In ihrem Buch bringt sie dem Leser verschiedene Aspekte des Downsizens näher und porträtiert Anhänger dieses Lebensstils.

Doch was ist zu tun, wenn man zur Gattung Hamster gehört und das Entrümpeln des Schranks eine Herausforderung darstellt? Expertin Jachmann rät, erst einmal alles rigoros aus dem Schrank zu holen.

"Die Stunde der Wahrheit" nennt sie das Vorgehen, bei dem die Kleidungsstücke erst auf einen großen Haufen getürmt und danach genau begutachtet und sortiert werden.

Hilfreich sei es, systematisch vorzugehen. Sie empfiehlt, sich zunächst auf die Kleidungsstücke zu fokussieren, die bleiben dürfen. Dabei könne ein Blick auf den Wäscheständer helfen, denn was regelmäßig gewaschen wird, wird auch oft getragen.

Wenn die Entscheidung schwerfällt, rät sie, ein Kleidungsstück in die Hand zu nehmen, kurz in sich zu gehen und sich zu fragen, ob dieses Stück das Leben wirklich bereichert. "Fühlt man sich rundum wohl darin?".

Ein Kleidungsstück zu behalten, weil es mal sehr teuer war oder man es eventuell irgendwann mal tragen kann, mache wenig Sinn.

Viel besser sei es, die Freundinnen zu einer Klamotten-Tauschparty einzuladen, die entsorgten Teile zu spenden oder zu verkaufen. "Die Garderobe soll jetzt zum Leben passen, nicht in die Zukunft", meint sie.

Wie wird die Capsule Wardrobe aufgebaut?

YouTuberin und Stylistin Christie Ressel empfiehlt, zunächst die persönlichen Lebensumstände unter die Lupe zu nehmen und herauszufiltern, welche Art von Kleidungsstücken essenziell sind. Business, Casual, Outdoor?

Hilfreich könne eine Checkliste sein, so die Stylistin. Beim Einrichten der Capsule Wardrobe werden dann Schicht für Schicht Basics zusammengestellt: Jacken, Mäntel oder Blazer, Tops und Blusen sowie Röcke und Hosen.

So kann ein einziger Blazer zum Beispiel wunderbar zum Business-Rock getragen werden, genauso gut passt der Klassiker auch zur lässigen Jeans. Je nach Anlass runden Sneaker oder Pumps den Look perfekt ab.

Besonders gut gelingt das Kombinieren der Basics, wenn eine Grundfarbe festgelegt wird, die sich wie ein roter Faden durch die Garderobe zieht. Dazu werden Pieces in neutralen Farben ausgewählt.

Damit es nicht zu langweilig wird, sollte auch etwas Farbenfrohes dabei sein, zum Beispiel ein bedrucktes Shirt. Last but not least ergänzen Accessoires wie Schuhe, Schmuck und Taschen den Kleiderschrank.

Nachhaltig aussortieren

Vielen geht es beim Downsizen nicht nur um den eigenen Komfort. Auch der Umweltaspekt spielt eine große Rolle.

Rund 800.000 Tonnen Müll werden pro Jahr allein in Deutschland durch ausgemistete Kleider produziert. Lediglich ein Bruchteil wird zu Recycling-Mode verarbeitet. Zudem werden bei der Herstellung wertvolle Ressourcen verbraucht, Düngemittel und Pestizide in hohen Mengen eingesetzt.

Laut Umweltbundesamt werden 25 Prozent des weltweiten Insektizidmarktes für die Primärproduktion von Textilfasern verwendet, zehn Prozent des Pestizidmarktes für den Anbau von Baumwolle.

Der immense Wasserverbrauch zur Bewirtschaftung der Baumwollplantagen führe zum Austrocknen wichtiger Gewässer wie dem Aralsee.

Deshalb achtet Lina Jachmann beim Aussortieren darauf, möglichst nachhaltig vorzugehen. Sprich: Ausgemistete Kleidungsstücke werden dem Kreislauf wieder zugefügt - durch Tauschen, Verkaufen oder Spenden.

Und wenn dann doch mal etwas Neues in den Kleiderschrank kommen soll? Dann investiert die Minimalismus-Anhängerin in ein hochwertiges, gut sitzendes und unter fairen Bedingungen produziertes Kleidungsstück.

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