Bekannt wurde er vor allem mit seiner Rolle in der Amazon-Prime-Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Nun ist Michelangelo Fortuzzi in einer neuen ZDF-Serie zu sehen. In "WatchMe" dreht sich alles um eine Plattform, die an das Erotik-Portal OnlyFans erinnert. Wir haben mit dem 22-Jährigen über die besonderen Bedingungen am Set und sein "Go with the Flow"-Prinzip gesprochen.
Wie viel "OnlyFans" steckt in "WatchMe", der sechsteiligen ZDF-Serie, in der Sie mitspielen?
Michelangelo Fortuzzi: Ich sage es mal so: Unsere Serie ist zumindest daran angelehnt. In "WatchMe" dreht sich alles um drei verschiedene Hauptcharaktere, die grundsätzlich nichts miteinander zu tun haben – außer, dass sie alle auf derselben Plattform tätig sind. Unser Ziel war es, nichts und niemanden zu verurteilen, sondern mit unseren Aussagen über diese Plattform neutral zu bleiben. Es gibt sie und es gibt viele Menschen, die sie freiwillig nutzen.
Die Menschen nutzen Plattformen wie diese mit erotischen Inhalten entweder als Abonnierende oder als Sexarbeitende. Ihre Figur Tim und dessen Freund Josh (gespielt von Simon Mantei) gehören zu letzterer Kategorie. Aus welchen Beweggründen erstellen die beiden Content für "WatchMe"?
Tim und Josh sind ein Paar mit einem etwas größeren Altersunterschied. Mein Charakter ist auf "WatchMe" eher aus finanziellen Gründen aktiv. Er bleibt auch länger dabei, weil er feststellt, dass man damit gutes, einfaches Geld machen kann.
Und was waren Ihre Beweggründe, in die Rolle des Tim zu schlüpfen?
Da Sex ein Thema ist, über das die Leute eher weniger gerne reden, war es für mich interessant, da mitzumachen. Ich finde es wichtig, über Plattformen wie diese zu berichten, zumal auch Themen wie Arbeitsschutz angesprochen werden. Sicherlich sind auch Leute dabei, die das nicht zu einhundert Prozent freiwillig machen. Meiner Meinung nach soll jeder Mensch tun und lassen, was er oder sie will – solange es nicht dazu kommt, dass andere Menschen zu irgendwelchen Dingen gezwungen werden. Da ist bei mir die Grenze. Vielleicht gelingt es uns ja, mit so einem Projekt einen kleinen Diskurs anzuregen.
Wie haben Sie sich auf diese nicht alltägliche Rolle vorbereitet? Vielleicht mit einem eigenen, temporären "Onlyfans"-Account?
Das nicht, aber ich habe zum Beispiel auf Instagram recherchiert, wie sich die Content Creator von "Onlyfans" und Co. auf anderen Social-Media-Diensten vermarkten. Sie machen das natürlich mit dem Ziel, einen Anteil der Abonnenten rüberzuziehen. Dadurch habe ich schon Respekt vor den Menschen aufgebaut, die tagtäglich neuen Content erstellen müssen, um damit ihr Geld zu verdienen. Ich könnte das nicht.
Sind Sie diesem Social-Media-Druck als Person des öffentlichen Lebens etwa nicht ausgesetzt?
Nein. Ich bin Schauspieler und kein Influencer. Den Druck, jeden Tag etwas machen zu müssen, damit ich keine Abonnenten verliere, habe ich nicht. Ich poste etwas, wenn es etwas zum Posten gibt. Wenn ein neues Projekt kommt, dann lade ich natürlich mehr hoch als an anderen Tagen. Das legt sich danach aber auch erstmal wieder.
Gab es Situationen am Set, bei denen Sie Hemmungen hatten oder sogar an Ihre Grenzen kamen?
Hemmungen hatte ich zu Beginn auf jeden Fall. Aber mir gefällt an der Schauspielerei, dass man immer wieder an Punkte kommt, an denen man seine Grenzen austesten kann und vielleicht sogar über seinen Schatten springen muss. Für mich war es das erste Projekt, bei dem ich mit einem Intimitätscoach zusammengearbeitet habe. Das sind Menschen, mit denen man die intimen Szenen bereits im Vorfeld durchgeht. Es wird ein genauer Ablaufplan erstellt.
Haben Sie als Schauspieler ein Veto-Recht?
Ja, das habe ich. Sollte es zu einer Szene am Set kommen, in der man sich doch unwohl fühlt, dann tritt dieser Coach als eine Art Anwalt auf und versucht in Gesprächen mit der Regie eine Lösung zu finden. Bei mir kam es allerdings nicht zu einer solchen Situation.
Sie sind 22 Jahre alt. Haben Sie auch das Gefühl, dass Jugendliche heutzutage viel früher aufgeklärt sind?
Ich habe schon das Gefühl, dass Sexualität immer früher ein Thema wird – vor allem durch das Internet. Ich glaube sogar, dass eine Generation unter mir noch früher mit dabei war. Die Schulen gehen mit diesem Zeitgeist inzwischen teilweise auch mit. In meiner Schulzeit gab es zum Beispiel einen einwöchigen Workshop, der von Ende 20-Jährigen geleitet wurde. Wir konnten über alle möglichen Dinge reden, Lehrer waren zum Glück weit und breit nicht zu sehen.
Sind Sie heute eher ein Beziehungstyp oder gestalten Sie Ihr Leben freier?
Ich bin eher der Typ "Go with the Flow". Ich gehe einfach meinen Weg und wenn etwas Schönes dazukommt, dann bin ich gerne mit dabei. Grundsätzlich mag ich auch Beziehungen, aber zurzeit bin ich eigentlich ganz froh, dass ich frei und offen leben kann.
Wie zufrieden ist jemand, der im wirklichen Leben Michelangelo Fortuzzi heißt, eigentlich mit dem Rollennamen Tim? Zu einer Serie mit erotischen Inhalten hätte Ihr Geburtsname ganz gut gepasst …
(lacht) Auf diesen Gedanken bin ich bisher noch nicht gekommen. Normalerweise denken die meisten Menschen, denen ich mich mit meinem Namen vorstelle, dass ich sie verarschen will. In solchen Situationen bliebt mir manchmal nichts anderes übrig, als meinen Ausweis vorzulegen. Ich nehme das aber ganz gelassen, schließlich habe ich ja schon Übung darin.
Sie stammen aus einer Schauspielerfamilie. Wie hat Ihr Vater Alberto auf das "WatchMe"-Angebot reagiert?
Mein Vater war sofort sehr interessiert an dem Thema, weil er vorher auch noch nie etwas davon gehört hatte. Man muss dazusagen, dass er jetzt auch schon auf die 70 zugeht. Er hat sich sofort eingelesen und freut sich sehr darauf, diese Serie zu gucken. Auch meine Mutter ist da eigentlich sehr entspannt. Sie würde sich allerdings freuen, wenn ich mal etwas Fröhlicheres drehen würde.
Geben Sie Ihrer Mutter recht?
Ach, ich fühle mich in diesem düsteren Bereich ganz wohl. Wobei eine Romcom, wenn sie gut gemacht ist, auch mal ganz lustig sein könnte. Mein Schauspielerherz brennt aber nicht so sehr dafür, dass ich es unbedingt machen müsste.
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