Am Donnerstag (20.15 Uhr im Ersten) ermittelt Hayal Kaya in "Seeland – Ein Krimi vom Bodensee" zum zweiten Mal als Elena Barin. In dem komplexen Fall "Dämonen" wird auch gezeigt, wie sich die transidente Kommissarin in ihrer neuen Führungsposition behauptet.
Im Interview spricht die in der Türkei geborene Schauspielerin über die Reaktionen auf ihre Rolle – sie ist die erste transidente Ermittlerin im deutschen Fernsehen – sowie über die Besetzung von trans Menschen in Filmen.
Frau Kaya, Sie verkörpern zum zweiten Mal die erste transidente Kommissarin im deutschen TV. Werden die Zuschauer Elena Barin in "Dämonen" ähnlich ruhig und beobachtend erleben wie bereits im ersten Film?
Hayal Kaya: Es findet auf jeden Fall eine Entwicklung statt. Wir werden zum ersten Mal sehen, wie Elena mit ihren Kolleginnen und Kollegen, also mit Achim Schatz (gespielt von Julian Bayer; Anm. d. Red.), Hanno Kienle (Florian Kleine) und Britta Heinemann (Aliki Hirsch), zusammenarbeitet. Im ersten Film war Elena noch nicht die offizielle Kommissarin, dennoch musste sie ja ganz schön viel leisten. Diesmal erleben wir sie auch im Kommissariat. Eines darf ich verraten: Der Fall ist ziemlich komplex – selbst für uns Darstellerinnen und Darsteller. Zum Beispiel waren wir uns bei den Leseproben und Dreharbeiten zwischendurch gar nicht sicher, ob wir zu dem jeweiligen Zeitpunkt überhaupt wussten, wer unser Täter ist (lacht). Die Zuschauer sollten also sehr aufmerksam sein.
Trans Menschen werden in Filmen häufig schrill und bunt dargestellt, vorwiegend finden sie im Nachtleben statt. In diesem "Bodensee-Krimi" ist das anders. Sehen Sie sich diesbezüglich als Vorreiterin?
Es stimmt, unheimlich viele transidente Figuren werden in Filmen entweder als Opfer dargestellt oder eben als laut oder schrill. Häufig finden sie im Nachtleben statt oder spielen Prostituierte, damit sie Interesse erwecken. Grundsätzlich werden queere Figuren meistens so dargestellt. Doch sowohl unter cis Menschen als auch in der queeren Community gibt es Personen, die gerne laut und schrill sind. Da gibt es keinen Unterschied.
Und es gibt auch in der queeren Community Menschen, die eben genau das Gegenteil von laut und schrill sind …
Absolut. Daher finde ich es total wichtig, dass wir zeigen, dass es auch solche Figuren gibt. Elenas Vorgeschichte ist nur ein Teil von ihr. Aber das, was sie als Kommissarin ausmacht, ist ja nicht unbedingt ihre Identität.
Wie viel Entwicklungspotenzial steckt in dieser Kommissarin?
Eine Menge. Ich würde mir persönlich wirklich wünschen, dass wir noch viel mehr über Elena erfahren. Welche Geschichte bringt sie mit? Wer ist diese coole Kommissarin überhaupt? Wir wissen sehr wenig über sie, erfahren im zweiten Film aber schon ein bisschen mehr. Trotzdem gibt es da noch Luft nach oben. Ich gehe stark davon aus, dass sich auch das Publikum wünscht, Elena Barin näher kennenzulernen.
Wie sind die Reaktionen auf den ersten Film ausgefallen?
Ich glaube, dass wir unser Ziel erreicht haben und dass Elena eine gewisse Selbstverständlichkeit und Normalität mitgebracht hat. Das hat sicherlich auch etwas mit meiner Persönlichkeit zu tun. Ich bin kein schriller Mensch. Natürlich kann auch ich, wenn ich gut drauf bin und zum Beispiel feiern gehe, mal schrill und laut sein. Ich habe aber das Gefühl, dass mich die Leute sowohl in Filmen als auch im Privaten eher als unaufgeregten, herzlichen, normalen Menschen wahrnehmen. Dass auch Elena als souveräne, kluge und kompetente Kommissarin dargestellt wurde – und eben nicht als Opfer –, hat vielen Zuschauerinnen und Zuschauern gefallen. Was will man mehr?
"Tatort"-Schauspieler Mark Waschke hat im Interview mit unserer Redaktion gesagt, dass er den Begriff "queer" zwar befürwortet, dass er aber von einer Gesellschaft träumt, "in der es überhaupt keine Begrifflichkeiten braucht". Geht es Ihnen ähnlich?
Ja, das ist auf jeden Fall eine Traumvorstellung. Ich stimme meinem Kollegen hundertprozentig zu. In meinem privaten Leben denke ich auch nicht die ganze Zeit über solche Themen nach. Ich habe gar keine Lust, mich jeden Tag dazu zu äußern. Auf Dauer ist das nämlich wirklich sehr ermüdend. Insofern wünsche auch ich mir, dass wir diese Begrifflichkeiten irgendwann einmal überhaupt nicht mehr brauchen werden. Elena ist einfach Elena und sie ist eine Kommissarin. Und ich bin einfach Hayal Kaya, eine Schauspielerin im deutschen Fernsehen. Das wünsche ich mir.
Es mag naiv klingen: Aber genauso ist es doch auch …
So lebe ich meinen Alltag, ja. Das bin tatsächlich ich. Ich lebe in einer ganz anderen Realität. Für Elena gilt das ebenso. Sie möchte in Konstanz ankommen und dort so angenommen werden, wie sie ist. Sie möchte so akzeptiert werden, wie sie ist. Ich glaube, dass die Vergangenheit manchmal überbewertet wird.
Was halten Sie davon, wenn cis Menschen in Filmen transidente Figuren darstellen?
Es kommt darauf an. Wäre ich eine Casting-Direktorin, die eine transidente Geschichte zu besetzen hat, würde ich erst einmal versuchen, eine Person zu finden, sie selber so eine Geschichte erlebt hat. Denn: Kamera akzeptiert keine Fakeness! Kamera möchte alles so echt und authentisch wie möglich haben. Grundsätzlich ist das Thema Besetzung aber eine komplexe Sache. Es geht nicht nur darum, jemanden zu finden, der gut zur jeweiligen Rolle passt. So funktioniert das nicht.
Wie funktioniert es dann?
Zunächst einmal müssen die Voraussetzungen stimmen. Termine, Talent, Gage: All das muss passen. Es sollte schon immer der Anspruch sein, eine trans Frau logischerweise mit einer Frau und nicht mit einem Mann zu besetzen – damit wir uns möglichst von diesen Klischees verabschieden können. Das zu erreichen, ist auch mein persönliches Anliegen als Schauspielerin. Sowohl als Elena als auch als Antonia (in dem Film "Ungeschminkt"; Anm. d. Red.) möchte ich eine gewisse Echtheit und Selbstverständlichkeit transportieren. Immer diese Klischeebilder bedienen: Das werde ich nicht machen.
Wie echt war
Adele Neuhauser ist eine großartige Schauspielerin und ein ganz toller Mensch. Ich bin sehr glücklich, dass eine erfahrene Schauspielerin wie sie zu Diversität und Sichtbarkeit beigetragen und diese Rolle wunderbar verkörpert hat. Deshalb habe ich ihr Mitwirken als sehr positiv empfunden. Gleichzeitig erwarte ich als ausgebildete Schauspielerin aber, dass auch mir Rollen für Frauen angeboten werden, die keine transidente Geschichte hinter sich haben.
Kennt Achim Schatz laut Script eigentlich Elena Barins persönliche Geschichte? Im zweiten Film fühlt er sich von seiner neuen Chefin ein Stück weit ausgebremst.
Elenas Geschichte wird nicht wirklich thematisiert. Übrigens erfahren wir auch im zweiten Film nicht, ob die Kolleginnen und Kollegen schon mehr über Elena wissen oder nicht. Es spielt gar keine Rolle. Vielleicht wird es irgendwann einmal erzählt, aber selbst ich weiß momentan nicht, wie damit in der Zukunft umgegangen werden soll. Grundsätzlich ist es aber immer noch für viele Männer ein Thema, wenn eine Frau eine Führungsposition übernimmt.
Achims "Problem" ist also nicht, dass Elena eine trans Frau ist, sondern dass sie eine Frau ist?
In diesem Fall kommt hinzu, dass Achim diese Stelle selbst unbedingt haben wollte. Dass nun eine echte Erscheinung wie Elena aus dem hohen Norden an den Bodensee kommt und sich aufgrund ihrer Kompetenz den Respekt ihrer neuen Kolleginnen und Kollegen erarbeitet, macht ihm schon zu schaffen. Auch im realen Leben gibt es viele Männer, die Angst vor starken Frauen haben – vielleicht, weil ihnen dadurch ihre eigenen Schwächen aufgezeigt werden. Hat man nämlich eine eher schwache Frau an seiner Seite, fühlt man sich automatisch groß und stark.
Julian Bayer, der Elenas Kollegen verkörpert, hat sich während der Dreharbeiten den Arm gebrochen. Waren Sie in dem Moment dabei?
Ja, es ist direkt vor meinen Augen passiert. Genau dieser Moment ist übrigens im Film zu sehen. Die Szene im Anschluss, als Elena ihrem Kollegen beim Aufstehen hilft, haben wir nach Julians Genesung wiederum nachgedreht. Der Unfall war für uns alle ein Schockmoment, zum Glück waren Sanitäter vor Ort.
Über die Gesprächspartnerin
- Hayal Kaya ist eine türkische Schauspielerin, die in Deutschland lebt. Nach ihrem Debüt in "Seeland – Ein Krimi vom Bodensee" Ende 2022 wurde die Geschichte der Kommissarin Elena Barin im November 2024 in dem Film "Dämonen" weitererzählt. In "Ungeschminkt" verkörperte Kaya an der Seite von Adele Neuhauser die Zahnärztin Antonia.
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