Michael Kessler spricht im Interview mit unserer Redaktion über seine schauspielerische Bandbreite, seinen Märchenfilm an Weihnachten und die Gründe, warum die Sketch-Comedy und die Parodie Genres sind, die seiner Meinung nach "im Moment einfach nicht funktionieren".

Ein Interview

Die einen kennen ihn lustig aus der "Schillerstraße", die anderen ganz aktuell und ernst aus "Kohlrabenschwarz", viele von "Switch": Michael Kessler. Er gab Anfang der 1990er mit dem Kult-Film "Manta, Manta" sein Kino-Debüt, zeigt als Schauspieler und Comedian längst verschiedene Facetten seines Könnens.

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Am zweiten Weihnachtsfeiertag (26.12. um 15:25 Uhr) ist der 56-Jährige in dem ARD-Film "Das Märchen von der Zauberflöte" zu sehen. Wir haben mit Kessler über Märchenfilme, Weihnachten und darüber, was Comedy und Satire heute noch dürfen, gesprochen.

Herr Kessler, Weihnachten steht vor der Tür. Werden Sie die Feiertage gemütlich vor dem Fernseher verbringen und Weihnachtsfilme schauen?

Michael Kessler: Nein, der Fernseher bleibt an Weihnachten aus. Es gibt auch keine speziellen Weihnachtsfilme, die ich zwingend gucken müsste. Da ich mich das ganze Jahr über sehr viel mit Fernsehen beschäftige, verbringe ich das Weihnachtsfest im Kreise der Familie eher klassisch ruhig – mit Baum und Besinnung, aber mit so wenigen Geschenken wie möglich.

Gemeinsame Zeit statt Geschenke

Warum gibt es fast keine Geschenke im Hause Kessler?

Weil die meisten von uns doch sowieso fast alles haben und eigentlich nichts wirklich brauchen. Daher haben wir uns eher zu einem Verzicht in der Geschenkefrage entschlossen. Wir schenken uns lieber gemeinsame Zeit und Ruhe.

Sie lassen den Fernseher zu Weihnachten zwar aus, sind am zweiten Weihnachtsfeiertag aber im Fernsehen zu sehen. In der ARD-Reihe "Sechs auf einen Streich" spielen Sie in dem Film "Das Märchen von der Zauberflöte" mit. Durften Sie sich aussuchen, an welchem der sechs Märchenfilme Sie mitwirken wollen?

Ich wurde explizit angefragt für diesen Film und auch für die Rolle des Monostatos. Das hat mich sehr gefreut, zumal mir die Bösewichte nicht jeden Tag angeboten werden. Ich habe im Fernsehen ja auch viel Quatsch gemacht und gelte als der lustige Typ. Aber hier durfte ich in die Rolle eines fiesen und finsteren Gesellen schlüpfen. Ich habe sofort zugesagt – auch weil es uns Schauspielern ohnehin großen Spaß macht, Märchenfilme zu drehen. Schließlich darf man tolle Kostüme anziehen und dreht in tollen Locations, in diesem Fall auf einer Burg.

Ist diese Rolle mit Blick auf Ihren schauspielerischen Werdegang als Kehrtwende zu verstehen? Wird Michael Kessler jetzt böse?

(lacht) Nein. Ich bin ja dafür bekannt, dass ich durchaus verschiedene Dinge mache. Nichts wäre für mich schlimmer, als immer nur dasselbe zu machen. Ich brauche die Abwechslung. Viele fragen sich, warum man heutzutage überhaupt noch Märchen dreht. Viele Märchen erzählt man Kindern heute nicht mehr, weil sie zum Teil wirklich zu brutal sind. Früher versuchte man, seine Kinder damit zu erziehen und ihnen etwas einzutrichtern. Diese Methoden sind zum Glück längst überholt. Dennoch halte ich es für richtig, Kindern über Märchen von einer Welt zu erzählen, in der es Gut und Böse gibt – auch weil es letztlich ein Happy End gibt. Den Glauben daran, dass das Gute am Ende siegt, sollte man Kindern mehr denn je vermitteln.

"Zunächst einmal ist es richtig, dass man dieses Wort heute so nicht mehr benutzen darf."

Im Libretto der "Zauberflöte" wird der schwarze Sklave Monostatos als "Mohr" beschrieben. Ist die "Zauberflöte" rassistisch und wie wird die Geschichte des Monostatos in Ihrem Märchenfilm erzählt?

Zunächst einmal ist es richtig, dass man dieses Wort heute so nicht mehr benutzen darf. Diese Figur wurde früher ausschließlich mit einem schwarzen Sänger besetzt. Das macht man aber auch in den Operninszenierungen schon lange nicht mehr. In unserem Märchenfilm wurde der Bösewicht mit mir – also mit einem weißen Mann – besetzt. Grundsätzlich hat der Regisseur Marvin Litwak einen sehr interessanten Ansatz gefunden, der Film ist divers und multikulti. So wird zum Beispiel der Papageno von einem schwarzen Schauspieler (Dimitri Abold; Anm. d. Red.) verkörpert. Zudem wurde die Geschichte der "Zauberflöte", die im Original eher lang und kompliziert ist, deutlich komprimiert. Wir erzählen sie in 60 Minuten und haben sie an die Bedürfnisse des Fernsehens und der Kinder angeglichen. Ich hoffe, wir haben alles richtig gemacht.

Das werden Sie vermutlich erst nach der Ausstrahlung erfahren – in den Kritiken und den Sozialen Medien.

Das stimmt. Irgendeiner findet immer noch etwas, was heute so nicht mehr geht. Oft habe ich das Gefühl, dass mittlerweile alle Polizisten sind, die den Zeigefinger ausstrecken und auf Menschen deuten, die angeblich etwas falsch gemacht haben. Ich finde es sehr richtig, dass wir grundsätzlich eine größere Sensibilisierung für diese Themen haben. Doch wir sollten jetzt auch nicht päpstlicher als der Papst werden.

Was darf Comedy heute noch und was darf sie nicht?

Egal ob Comedy, Humor oder Satire: Alles hat seine Zeit. Wir würden wahrscheinlich vieles von dem, was wir früher bei "Switch reloaded" gemacht haben, heute so nicht mehr machen. Dennoch ist es an vielen Stellen sehr lustig. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Satire Freiheit braucht. Und bei der Parodie müssen auch immer alle mit einbezogen werden, wir sollten da niemanden ausklammern. Allerdings haben sich die Befindlichkeiten der Zuschauer gewaltig verändert. Sie sind empfindlicher geworden.

Haben Sie vielleicht ein konkretes Beispiel?

Während es früher viele lustig fanden, wie ich den Silbereisen durch den Kakao gezogen habe, gibt es heute ebenso viele Menschen, die sagen würden: "Ich finde das total gemein, wie du den Silbereisen fertig machst." Dann müssen wir uns aber auch darüber unterhalten, was Parodie eigentlich ist. Es geht immer darum, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, ohne zu denunzieren. Loriot, der kürzlich 100 Jahre alt geworden wäre, ist genau das gelungen – weil er sich selbst mit einbezogen hat. Wir mit "Switch reloaded" haben damals das deutsche Fernsehen auf die Schippe genommen, aber natürlich auch kritisiert. Und wenn wir das heutzutage nicht mehr dürfen, wird es schwierig.

Tabus in der Comedy

Gibt es Tabus, also Themen, die in der Comedy nichts zu suchen haben?

Ganz sicher sogar. Schon damals gab es bestimmte Bereiche, die wir nicht berührt haben. Es gibt zum Beispiel keine Comedy über den Holocaust. Das darf es auch nie geben! Bei unseren "Obersalzberg"-Parodien haben wir das immer ausgeklammert. Es ging grundsätzlich um den Idioten Hitler. Wir sind damit also sehr bedacht umgegangen. Dennoch muss auch Hitler ein Teil der Comedy sein dürfen.

Sind Parodien, wie sie in "Switch reloaded" vorkamen, heute überhaupt noch en vogue?

Neben den angesprochenen Befindlichkeiten arbeitet die Flut der Medien gegen die Parodisten. Schon bei "Binge Reloaded" (lief bei Amazon Prime) haben wir gemerkt, dass viele Zuschauer das, was wir da parodiert haben, zum Teil gar nicht mehr kannten. Wenn es dieses Wiederkennen nicht mehr gibt, muss man allgemeinere Gags schreiben – und dann wird es schwierig. Das Angebot ist zu groß geworden und das Medium Fernsehen interessiert die Zuschauer nicht mehr so wie früher. Sowohl die Sketch-Comedy als auch die Parodie sind Genres, die im Moment einfach nicht funktionieren.

Wenn das Medium Fernsehen für viele nicht mehr so interessant ist: Wie wollen Sie die Menschen dann erreichen? Mit einem Podcast, wie es fast jeder Prominente heute versucht?

Um Gottes willen! Das ist ja nun auch nicht unbedingt komisch. Es ist wie mit den Hörbüchern vor einigen Jahren: Man wird momentan mit Podcasts zugeschüttet. Das kann man sich gar nicht alles anhören. Zudem finde ich es fragwürdig, wer sich inzwischen alles hinsetzt und meint, etwas sagen zu müssen. Es hat doch nicht jeder etwas wirklich Spannendes zu erzählen. Podcast ist nicht mein Medium und ich bin auch niemand, der stundenlang reden muss. Ich werde übrigens auch immer wieder gefragt, ob ich nicht mal gerne ein Buch schreiben würde …

… und würden Sie?

Solange es keine Relevanz hat, werde ich das nicht tun. Ich müsste ein Thema finden, das einen neuen Ansatz verfolgen würde. Es liegen tausende Bücher von meinen Kollegen in Buchhandlungen auf irgendwelchen Büchertischen. Ich möchte mich da nicht einreihen, sondern die Leute überraschen – so wie ich es im Fernsehen auch immer getan habe.

"Für mich gab es praktisch keine Tabus, über die wir keine Witze machen durften."

Zurück zum Fernsehen: Die Sitcom "Pastewka", in der Sie sich selbst gespielt haben, hat funktioniert. Dort war es Grundvoraussetzung, dass jeder Darsteller über sich selbst lachen konnte. War der Erfolg der Serie genau darauf zurückzuführen?

Ja, natürlich. Für mich gab es praktisch keine Tabus, über die wir keine Witze machen durften. Der Tod der Comedy ist die Eitelkeit. Wenn ich ein eitler Künstler bin, werde ich auch nie komisch sein. Zur Comedy gehört nämlich, die Hosen herunterzulassen und über sich selbst lachen zu können.

Was hätte Bastian Pastewka in der Serie wohl zu Michael Kesslers "Zauberflöten"-Rolle gesagt?

Das wäre vermutlich in die Richtung "Da bist du falsch, du müsstest doch Zwergnase spielen" gegangen.

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Werden Sie heute, knapp vier Jahre nach Ausstrahlung der letzten Staffel, vielleicht sogar häufiger auf "Pastewka" als auf "Manta, Manta" angesprochen?

Letztendlich ist es immer eine Mischung. Die einen kennen mich lustig aus der "Schillerstraße", die anderen ganz aktuell und ernst aus "Kohlrabenschwarz", viele von "Switch". Häufig werde ich aber auch auf meine Reisesendung ("Kesslers Expedition") angesprochen. Aber natürlich ist die "Pastewka"-Fanbase nach wie vor riesig. Da ich viele verschiedene Sendungen gemacht habe, sind auch die Fangruppen mittlerweile recht unterschiedlich.

Und jetzt überraschen Sie Ihre Fans auch noch mit einem Märchenfilm zu Weihnachten. Bitte vervollständigen Sie folgenden typischen Märchen-Satz, damit sich der Kreis schließt: Es war einmal ein junger Schauspieler namens Michael Kessler, der...

… seine Wurzeln auf der Bühne hat, dann mit der Bühne so seine Probleme bekam und ins Fernsehen wechselte, um dort die Freiheit zu finden, die er in seinem Beruf bis dahin immer gesucht hatte.

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