Simon Gosejohann spricht im Interview mit unserer Redaktion über sein "Comedystreet"-Comeback, seine Befürchtungen mit Blick auf die Comedyszene und "spektakuläre Flops" in seiner Karriere.

Ein Interview

Ahnungslose Passanten, kleine Tabubrüche und skurrile Charaktere: Nach dem Jahrtausendwechsel erlangte die "Comedystreet" mit Simon Gosejohann Kultstatus. Am 7. August feiert die Prank-Show ihr Comeback – mit 20 neu produzierten Folgen, streambar bei Joyn. Unterstützt wird der 48-Jährige von der Comedienne Sandra Sprünken und dem Social-Media-Star Marco Gianni.

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Unsere Redaktion hat bei Gosejohann nachgefragt, ob das Format noch zeitgemäß ist, welche Aufgabe seine Freundin bei der Neuauflage übernommen hat und warum es der legendäre "Mann mit der Radlerhose" wohl nicht in die Social-Media-Welt schaffen wird.

Herr Gosejohann, hören Sie es gerne, wenn Menschen Sie darauf ansprechen, dass sie mit Ihnen und der "Comedystreet" (2002 bis 2013) aufgewachsen sind?

Simon Gosejohann: Natürlich. Ich empfinde das als ein Kompliment. Wenn ich damit konfrontiert werde, spüre ich richtig, wie da förmlich eine ganze Generation aufwacht. Meine Zuschauer von damals sind heute allesamt gestandene Menschen. Es macht mich schon stolz, dass ich sie offensichtlich auf irgendeine Art und Weise geprägt habe – in welche Richtung auch immer.

Auch ich bin ein Stück weit mit der "Comedystreet" aufgewachsen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie heute auf die damaligen Pranks zurück?

Auch ich war damals jung und brauchte das Geld (lacht). Insofern habe ich einfach mal alles rausgehauen, was für mein damaliges Empfinden lustig war – gemeinsam mit dem Regisseur Jens Holzgreve und meinem Bruder Thilo.

"Comedystreet": Simon Gosejohanns Freundin macht die Comeback-Kostüme

Zeichnet das damalige Team auch für die Neuauflage der Kult-Sendung (ab 7. August bei Joyn) verantwortlich?

Ja, die beiden sind der "Comedystreet" erhalten geblieben. Es bleibt also gleich schlimm. Die einzige Veränderung besteht darin, dass diesmal meine Freundin mit dabei ist. Sie macht die Kostüme.

Mussten Sie Ihre Freundin in die Sache reinquatschen oder war es sogar eher umgekehrt?

Letzteres. Meine Freundin findet "Comedystreet" super gut. Sie hat sich sehr über die Neuauflage gefreut und mich dabei wahnsinnig unterstützt. Eigentlich macht sie Styling für Werbung, doch hier hat sie mir die Kostüme sozusagen auf den Leib geschneidert – mit einer gewissen Liebe zu Abseitigkeiten, Subkulturen und Trash.

Nun haben sich zum einen die Zeiten geändert, und zum anderen sind sowohl die Macher der Show als auch die Zuschauer älter geworden. Sind die neuen Folgen dennoch genauso albern und Fremdscham-behaftet wie damals?

Man muss immer mit dem Zeitgeist mitgehen. Sensible Themen gibt es immer. Die gab es aber auch schon in den 2000ern. Für uns hat der Lauf der Zeit keine große Rolle gespielt. Wir haben schon immer versucht, mit den Menschen auf Augenhöhe zu bleiben – auch, weil wir es mussten. Schließlich sollen nicht nur die Zuschauer vor dem Fernseher über unsere Scherze lachen können, sondern auch die Leute, die wir in die jeweilige Sendung einbinden. Wenn diejenigen, die wir hinters Licht führen, nicht ihr Einverständnis geben, dürfen wir es nicht senden. Das Gebot des Anstands ist also per se immer gegeben. Da komme ich gar nicht drumherum.

Heißt das im Umkehrschluss: Wenn Sie dürften, würden Sie weniger Rücksicht nehmen und noch härter "draufhauen"?

Nein, das ist grundsätzlich nicht meine Art von Humor. Im Übrigen begrüße ich den Wertewandel hin zu einem respektvolleren Miteinander total. Als ich jung war, stand das bei mir und meinen Freunden nicht so weit oben auf der Agenda. Und ich frage mich, warum das so war. Umso mehr ziehe ich den Hut vor der jungen Generation von heute, die eine andere Sensibilität einfordert. Ich glaube, dass wir alle davon noch profitieren werden.

Gosejohann: "Ich brauche das jedenfalls nicht"

Sind die Tage von Comedians, die auf der Bühne gerne mal nach unten treten und Menschen verbal attackieren, mittlerweile gezählt?

Ich kann nur für mich sprechen: Ich brauche das jedenfalls nicht. Generell finde ich es gesellschaftspolitisch unangenehm und fragwürdig, wenn man meint, man wüsste besser, was gut für andere ist. Ich fürchte aber, dass das nochmal seine Renaissance kriegen wird. Die Frage ist dann nur, wer es mit sich machen lässt. Denn fairerweise muss man sagen: Zu einem Humor, der andere vorführt und niedermacht, gehören in der Regel immer mindestens zwei dazu. Überrascht wäre ich nicht, wenn diese Form der Comedy zurückkommt. Aber ich bringe sie nicht zurück.

Auch wenn die "Comedystreet" damals als deutsche Adaption des britischen Formats "Trigger Happy TV" auf Sendung gegangen ist: Sehen Sie sich in gewisser Weise als Vorreiter – auch mit Blick auf Prank-Videos, die heute über Social Media gespielt werden?

Irgendwie schon. Dieser kleinere Quatsch, den wir damals mit den Street-Pranks oder mit "Elton vs. Simon" auf die Spitze getrieben haben, findet teilweise heute noch bei Social Media statt. Die Pranks sind relativ leicht nachzumachen, wozu ich an dieser Stelle aber nicht aufrufen möchte. Heutzutage erreicht das Fernsehen nicht mehr so viele Menschen wie früher, alle hängen ständig an ihren Smartphones. Daher ist der Social-Media-Content häufig näher am Leben. Und da kommt "Comedystreet" ins Spiel: Dieses Format verbindet beide Welten miteinander.

Die eine Welt, also die Social-Media-Welt, war zu "Comedystreet"-Zeiten allerdings noch nicht wirklich salonfähig …

Stimmt, das Format selber wusste damals noch nicht, dass es eines Tages zwei Welten miteinander verbinden würde (lacht). Aber es findet nach wie vor in der Realität, in der Öffentlichkeit statt. Das ist bis heute die Stärke der Sendung. Einige Figuren sind natürlich aus der Zeit gefallen.

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Inhaltlich wurde das Format also schon an die heutige Zeit angepasst?

Wenn ich das bestätigen würde, könnte man ja denken, dass wir nicht mehr krass sind. Das meine ich damit gar nicht. Wir sind weiterhin krass – um nicht "frech" zu sagen. Für dieses Format Adjektive zu finden, die nicht cringe sind, ist gar nicht so leicht.

Welche der Kult-Figuren werden auch in der "Comedystreet 2.0" zu sehen sein und sind somit nicht aus der Zeit gefallen?

Der Mann in der Radlerhose ist wohl der bekannteste Character in der "Comedystreet". Ihn mussten wir wieder mitnehmen, das ging gar nicht anders. So viel kann ich schon vorwegnehmen: Sein Weg wird nicht in die Social-Media-Welt führen, weil er mit seiner Proportion dort verboten ist. Das ist nicht gerecht, weil er ja gar nichts dafür kann (lacht). Bei Joyn darf er weiterhin stattfinden. Wir gehen in vielerlei Hinsicht back to the roots.

Welche Ihrer Formate würden Sie heute nicht mehr aus der Mottenkiste hervorholen?

Auch ich habe mit Blick auf meine Karriere spektakuläre Flops zu verzeichnen. Über diese könnte ich jetzt zwar sprechen, es würde sich nur niemand mehr daran erinnern.

Gosejohann über seine "Promibacken"-Teilnahme: "Da war ich eher der Flop"

An Ihren Auftritt bei "Das große Promibacken" werden sich die Leute noch erinnern, da die Staffel in diesem Jahr ausgestrahlt wurde. Top oder Flop?

Da war ich eher der Flop, weil ich bereits nach der zweiten Show rausgeflogen bin. Es hat aber großen Spaß gemacht, 15 Tage lang dem Konditorhandwerk über die Schulter gucken zu dürfen. Mit Talent konnte ich zwar nicht glänzen, aber immerhin für Quatsch vor der Kamera sorgen. Anstatt mich aufs Backen zu konzentrieren, habe ich mich auf diesen ganzen Süßkram gestürzt und alles in mich hinein gefuttert. Mit Zucker kann ich einfach nicht umgehen. Es ist gut, dass ich kein Konditor, sondern Street-Comedian geworden bin.

Sie haben also schon im TV gebacken und Menschen hinters Licht geführt sowie im Podcast über "Mittelalte weiße Männer" gesprochen. Was soll da in der Zukunft noch kommen?

Was die nächsten Jahre angeht, kann ich an dieser Stelle schon verraten: Das weiß ich noch nicht (lacht). Der Podcast "Mittelalte weiße Männer" wurde später übrigens in "Piratensender Niehorst" umbenannt. Mit meinem Bruder mache ich nach wie vor einen Podcast – mit zwei neuen Folgen pro Jahr.

Haben Sie denn noch Hoffnung, was die "mittelalten, weißen Männer" angeht?

Jeder, der über sich selber sagt, dass er ein mittelalter, weißer Mann ist, hat ein gewisses Maß an Selbstironie und Reflexion. Erkenntnis ist der erste Baustein in Richtung Besserung. Also da bin ich optimistisch.

Dürfen denn die Menschen, die Ihnen und Ihrer Familie privat begegnen, zuversichtlich sein, dass sie nicht von Ihnen geprankt werden?

Da braucht sich wirklich niemand Sorgen zu machen, denn ich stehe für die Comedy, für die Charaktere und für den Witz. Privat pranke ich keinen Menschen. Ich bin einfach zu nett.

Über den Gesprächspartner

  • Simon Gosejohann ist ein deutscher Comedian, Schauspieler und Moderator. Von 2002 bis 2013 machte sich der gebürtige Gütersloher mit dem damals bei ProSieben ausgestrahlten Comedy-Format "Comedystreet" einen Namen. Von 2004 bis 2006 stand er zudem für die Sendung "Elton vs. Simon" vor der Kamera. Vor seinem "Comedystreet"-Comeback in diesem Jahr war der 48-Jährige Teil der achten Staffel von "Das große Promibacken", Gosejohann schied in der zweiten Folge aus.
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