Wenn am 15. Dezember die Bahn erneut ihre Preise erhöht, werden sich viele Politiker in Deutschland empören. Dabei ist das System der Bahn in Deutschland politisch gewollt. Eine Analyse zeigt, warum die Bahn mit ihrem Preissystem nur einfachen wirtschaftlichen Grundsätzen folgt. Und warum es gar nicht das Ziel des Staatskonzerns ist, günstiges und flexibles Bahnfahren für alle zu ermöglichen.

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Wenn ein Pendler von Berlin nach Hamburg einmal seinen Wagen stehen lassen und ein Bahn-Ticket buchen will, erlebt er am Schalter einen Schock. 76 Euro verlangt der Staatskonzern für die 280 Kilometer lange Strecke, 152 Euro hin- und zurück. Der stolze Preis in die Hauptstadt ist Resultat einer überproportionalen Preiserhöhung in den letzten Jahren. Heute ist kaum eine Strecke pro Kilometer teurer. Ein Anreiz zum Umstieg vom PKW auf den Zug sieht anders aus.

Was angesichts der öffentlichen Beteuerungen der Bahn, sich um mehr Verkehr auf den Schienen bemühen zu wollen, absurd klingt, hat System. Denn die Bahn verfolgt als oberstes Ziel nicht volle Züge und flexible Mobilität für alle, sondern folgt einfachen wirtschaftlichen Grundsätzen, die in allererster Linie der Abschöpfung des maximal möglichen Gewinns dienen.

Nicht alle können dasselbe zahlen

Nicht alle können das Gleiche zahlen - das ist die einfache Grundüberlegung hinter dem derzeitigen Bahn-Preissystem. Da aber das Produkt, zum Beispiel eine schnelle ICE-Verbindung von Hamburg nach Berlin stets dasselbe bleibt, müssen andere Wege gefunden werden, die Preise für die Kunden zu differenzieren. Denn als Wirtschaftsunternehmen will die Bahn ihr Produkt so teuer verkaufen, wie es der Markt hergibt. Gleichzeitig soll auch denjenigen Kunden, die nicht soviel zahlen können oder wollen, ein Angebot gemacht werden - natürlich ohne die hohen Maximal-Preise für Premium-Kunden in Frage zu stellen.

Ein bisschen funktioniert das, wie bei einem großen Autokonzern. Volkswagen zum Beispiel bietet Fahrzeuge zum gehobenen Preis unter dem Label VW an. Wer noch mehr zahlen kann und will, bekommt dieselbe Technik unter der Marke Audi - und für Geringverdiener und Preisbewusste gibt es ebenfalls gute Autos von Skoda und Seat. Das Erfolgsrezept des Volkswagenkonzerns ist, dass er jedem Geldbeutel ein überzeugendes Angebot machen kann.

Die Sparpreise sind der Skoda der Deutschen Bahn

Der Skoda der Deutschen Bahn sind die Sparpreise. Und eben diese Sparpreise sind von der Preiserhöhung ausgeschlossen, was sicher mit der neuen Konkurrenz der Fernbusse zu tun hat. Kunden, die diese Tickets buchen, laut Bahn-Angaben fast 25 Prozent, bekommen nur scheinbar dieselbe Leistung wie der Normalpreiskunde, der auf dem Platz neben ihnen sitzt.

Denn die Sparpreise sind nur dann günstig, wenn man sich mindestens drei Tage vor Abfahrt auf einen bestimmten Zug festlegt. Was angesichts von mehr als zehn täglichen Verbindungen auf den Hauptstrecken absurd ist, zieht die Bahn mit ihren Spar-Tickets knallhart durch: Ist der Zug weg, verfällt das Ticket. Im ICE, der nur eine Stunde später oft mit leeren Plätzen fährt, gilt es nicht mehr. Flexible Mobilität sieht anders aus. Das System, das erstmals 2002 unter dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn eingeführt wurde, kommt ursprünglich aus dem Flugverkehr. Dort macht es auch Sinn, denn im Gegenzug zum ICE, können in einem Airbus A380 die Passagiere nicht stehen, wenn alle Plätze schon belegt sind.

Mit der Fixierung auf die Sparpreise verspielt die Bahn ihren wichtigsten Pluspunkt

Bei der Bahn wird mit der Fixierung auf die Sparpreise der wichtigste Pluspunkt des Verkehrsmittels verspielt. Denn was nutzen stündliche ICE-Verbindungen von Berlin nach Hamburg, wenn Sie für den normalen Geldbeutel oder den Gelegenheitsfahrer kaum erschwinglich sind. Würde die Bahn nicht unternehmerischen Grundsätzen folgen, sondern dem politischen Ziel einer Verlagerung von mehr Verkehr auf die Schiene Rechnung tragen, müsste der Konzern Bahnfahrten anbieten, die für spontane Zusteiger mindestens ebenso günstig sind, wie der PKW - und bezahlbare Jahreskarten. Beides tuen zum Beispiel die Schweizerischen Bundesbahnen seit Jahren mit überwältigendem Erfolg.

Teure Tickets: aber 500 Millionen Dividende an den Bund

Doch dieser Erfolg würde auch dem deutschen Staat Geld kosten. Denn die Bahn schüttet an den Bund als Haupteigentümer jedes Jahr eine Dividende in Höhe von etwa 500 Millionen Euro aus. Der Erfolg des Bahn-Managements wird auch an dieser Dividende gemessen. Wenn also Politiker wieder die abermals erhöhten Normal-Preise kritisieren, müssten sie eigentlich stattdessen den politischen Auftrag der Bahn ändern, eine geringere Dividende für den Staat akzeptieren und eine Neudefinition der Konzern-Ziele forcieren. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Politiker das Preissystem der Bahn einmal in der Realität kennen lernen würden. Bisher ist der Praxistest für Bundestagsabgeordnete nicht vorgesehen. Sie erhalten gleich bei Amtsantritt eine Netz-Bahncard 100 - ohne Vorverkaufsfristen und Zugbindung - mit der sie einfach Bahn fahren können.

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