Hunderte Unternehmen schalten aus Protest vorerst keine Werbeanzeigen mehr bei Facebook. Im Rahmen der Initiative "Stop Hate for Profit" wollen sie die Plattform damit zu mehr Engagement gegen Hass und Hetze animieren. Aber ist das aufrichtige Betroffenheit oder doch nur Marketing? Und ändert das wirklich etwas?
Puma, Adidas, SAP, Starbucks, Volkswagen: Immer mehr Unternehmen stoppen ihre Werbenanzeigen bei Facebook. Sie schließen sich einem Boykott-Aufruf von US-Bürgerrechtsgruppen an: Unter dem Motto #StopHateForProfit fordert die Initiative das Netzwerk dazu auf, stärker gegen rassistische Beiträge, Falschmeldungen, Hetze und Hass vorzugehen.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte für die Organisatoren ein Post von
Facebook-Protest bislang nur "ein kleiner Nadelstich"
Auf der Webseite von "Stop Hate For Profit" sind inzwischen über 300 Firmen aufgelistet, die vorerst keine Werbung bei Facebook schalten wollen. Das sind längst nicht alle. Eine "Confirmed List of #stophateforprofit advertisers" der Organisatoren enthält fast 1.000 Namen von Seitenbetreibern und Unternehmen.
"Es ist gut, dass etwas passiert, ohne Zweifel", findet Stephan Grabmeier. Der Autor und Innovationsberater unterstützt seit Jahren Unternehmen dabei, ökologischer, sozialer und gerechter zu handeln. Dennoch handele es sich nur um einen "kleinen Lichtblick". Er fragt: "Warum sind nicht 100.000 dabei? Warum setzen die meisten ihre Werbezahlungen nur einen Monat oder ein Quartal aus und nicht länger?"
Für ihn ist der Protest bislang nur "ein kleiner Nadelstich. Es ist noch viel Luft nach oben für mehr Verantwortung und hin zu einer enkelfähigen Wirtschaft und Gesellschaft." Gemeint ist damit eine lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen.
Wie viel Marketing steckt im Boykott?
Es sind ganz unterschiedliche Unternehmen, die bei dem Boykott mitmachen. Von Anfang an dabei waren Firmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, so wie der Outdoor-Ausrüster Patagonia oder Veganz, ein Hersteller veganer Lebensmittel. "Die Vorreiter sind Unternehmen, die eine klare Vision für Gesellschaft und Umwelt haben und nicht nur Produkte verkaufen", sagt der Experte. "Andere Unternehmen reagieren erst dann, wenn Gefahr besteht, dass ihre Marken in Mitleidenschaft gezogen werden."
Gerade sie erhofften sich womöglich einen positiven Marketing-Effekt. "Manche Unternehmen sind auf den ethischen Zug aufgesprungen", sagt Grabmeier. "Wenn sie kein eigenes Ziel für soziale und gesellschaftliche Themen verfolgen, dann ist es plumpes Marketing und erfüllt keinen Sinn."
Den Gegenpol bilden für ihn Firmen, die sich in Gruppen wie "Entrepreneurs for Future" oder "B-Corporations" zusammenschließen. "Deren Mission ist es, nicht einfach die besten Unternehmen der Welt zu sein, sondern die besten Unternehmen für die Welt". Sie hätten verstanden, dass sie Teil von Umwelt und Gesellschaft seien und ihr Unternehmen "nicht einem reinen Selbstzweck der Profitmaximierung dient".
Wird der Boykott Facebook zum Handeln zwingen?
Ob der Boykott bei Facebook für ein Umdenken sorgt, ist offen. Gründer Mark Zuckerberg hatte schnell ein paar Veränderungen angekündigt. So will das Unternehmen nun doch Warnhinweise bei einigen Posts einblenden, wenn sie etwa zu Gewalt aufrufen. Bei Hasskommentaren sieht
In einem internen Meeting zeigte sich Zuckerberg offenbar gelassen. "Wir werden unsere Regeln nicht ändern", sagte er laut der Webseite Information Service. Die Unternehmen würden "bald zu uns zurückkehren". Ihre Anzeigen würden sowieso nur einen kleinen Teil der Einnahmen von Facebook generieren, so Zuckerberg.
Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung stammt tatsächlich ein Großteil von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zwar machte die Aktie zu Beginn des Boykotts kurzzeitig Verluste an den Börsen, erholte sich aber wieder. Immerhin will sich Zuckerberg aber laut BBC mit den Initiatoren von #StopHateForProfit treffen.
Wie die Aktion etwas Großes ins Rollen bringen könnte
Die Reaktionen von Facebook sind für Stephan Grabmeier "nur kosmetische Anpassungen an der Oberfläche, aber nicht an der Grundüberzeugung". Ethische und moralische Veränderungen gebe es dort nur auf Druck von außen, nie aus dem eigenen Wertesystem heraus. So sei es auch nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica gewesen, bei dem Millionen Nutzerdaten missbraucht wurden.
Dennoch hofft Grabmeier, dass die Initiative Wirkung zeigt: "Ich wünsche mir, dass es nicht bei den wenigen Unternehmen bleibt, sondern dass die Aktion etwas Großes ins Rollen bringt – und viele Verbraucher achtsam werden, welchen Marken sie vertrauen und welche sie kaufen." Es sei wichtig für Firmen, Haltung zu zeigen. "Wir brauchen Gründer, Unternehmer und Führungskräfte, denen die Verantwortung für unseren Planeten, unsere Gesellschaft und das Gemeinwohl mehr am Herzen liegt als Profit", sagt der Experte.
Es spiele keine Rolle, um welches Unternehmen es sich handelt. "Natürlich gehören Tech-Giganten wie Facebook und Twitter auch dazu. Diese Unternehmen hätten durch ihre großen Plattformen die Chance, den Rahmen für eine ethisch und moralisch gute Kommunikation zu schaffen – zum Wohle der und nicht gegen die Gesellschaft."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit dem Autor, Speaker und Berater Stephan Grabmeier
- Initiative Stop Hate For Profit
- Facebook-Post von Mark Zuckerberg
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.