Zu kompliziert, unausgewogen, teuer – an der Grundsteuerreform gab es viel Kritik. Am 1. Januar 2025 tritt das neue Gesetz nun in Kraft. Wer profitiert von der Neuregelung? Ist die Reform wirklich gerechter? Und wo gibt es noch Nachbesserungsbedarf? Wir ordnen mit einem Experten die wichtigsten Punkte ein.

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Schafft das neue System zur Grundsteuer eine gerechtere Steuerlastverteilung?

Bisher wurden bei der Berechnung der Grundsteuer veraltete Grundstückswerte herangezogen. Im Westen stammen diese aus dem Jahr 1964, im Osten sogar aus dem Jahr 1935. Deshalb hatte das Bundesverfassungsgericht das derzeitige System für verfassungswidrig erklärt.

Die aktualisierten Daten sollen zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast führen. In die Berechnung fließen der Wert des Bodens (Bodenrichtwert), Grundstücksfläche, Grundstücksart und das Alter des Gebäudes, aber auch die Höhe der statistischen Nettokaltmiete ein.

Allerdings haben die einzelnen Länder unterschiedliche Regelungen eingeführt. "Es gibt fünf Bundesländer – Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen –, die sehr einfache Gesetze entwickelt haben, die umfassend digital angewendet werden können", erklärt der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg.

Insbesondere am sogenannten Bundesmodell entzünde sich jedoch Kritik, "weil es Parameter nutzt, die sehr fraglich sind. Vor allem geht es da um die Bodenrichtwerte." Diese Bodenrichtwerte sieht Kirchhof als ein zentrales Problem an: "Die Bodenrichtwerte für die Bemessung einer Steuer heranzuziehen, das war keine gute Idee."

Wo gibt es beim Grundsteuergesetz noch Nachbesserungsbedarf?

Kirchhofs Antwort ist eindeutig: "Bei den Bodenrichtwerten." Diese würden nur grob über eine Lage informieren, nicht jedoch über den konkreten Wert eines Grundstücks. Dafür seien eher die spezifische Lage, die Bebauung und die Bebaubarkeit entscheidend.

Bei der Berechnung der Werte "werden Grundstücke, die nach Art und Maß der baulichen Nutzung weitgehend übereinstimmen, in räumlich abgegrenzten Bodenrichtwertzonen zusammengefasst." So ist es auf der Website der Gutachterausschüsse des Landes Rheinland-Pfalz zu lesen.

Innerhalb dieser Zonen kann es jedoch auch erhebliche Unterschiede geben. Ein Grundstück direkt an einer lauten Straße habe zum Beispiel einen anderen Wert als eines auf einem ruhigen Hügel mit schöner Aussicht, betont Kirchhof. Dadurch werden teils Grundstücke mit erheblichen Wertunterschieden steuerlich gleich bewertet.

Woher kommen die teilweise extremen Steuererhöhungen, vornehmlich für Eigenheimbesitzer?

Immer wieder hört man von teils horrenden Erhöhungen der Grundsteuer – vorwiegend bei Eigenheimbesitzern. So berichtet etwa "Focus Online" von einem Fall aus der Nähe von Stuttgart. Dort soll ein Rentnerpaar für ein Grundstück mit Doppelhaushälfte nun 2.875 Euro an Steuern zahlen. Das entspräche dem 14-Fachen des bisherigen Wertes.

"Das liegt einerseits daran, dass die Bodenrichtwerte zu ungenau sind", sagt Gregor Kirchhof. So würden etwa Gartengrundstücke oder Überschwemmungsgebiete, auf denen nicht gebaut werden darf, für die Grundsteuer als Bauland ausgewiesen. Auch wenn das Grundstück einen besonderen Zuschnitt habe, der das Bauen verhindert, werde das nicht hinreichend berücksichtigt. "Die Grundsteuer bemisst diese Immobilien deutlich zu hoch", so Kirchhof.

Allerdings kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, der vielen Grundbesitzern weniger schmecken dürfte. Denn da sich die bisherige Grundsteuer an den Einheitswerten von 1935 bzw. 1964 orientiert, sind viele Grundstücke zu niedrig bewertet.

"Gerade in Gebieten, die seitdem hohe Wertsteigerungen erfahren haben, sind die Einheitswerte und damit auch die noch geltenden Steuerlasten deutlich zu niedrig", sagt Kirchhof. "Dann aber sind die Grundstückwerte und damit auch die Grundsteuerlasten zu erhöhen."

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der Grundsteuerreform?

"Die Gewinner sind diejenigen, die wertvolle Wohnungen und Wohnimmobilien in einer besonders Lage haben, die quasi das Filetstück innerhalb einer Bodenrichtwertzone besitzen", sagt Gregor Kirchhof.

"Verlierer sind oft atypisch geschnittene Grundstücke." Kirchhof kennt ein gravierendes Beispiel in der Nähe von Moritzburg. "Ein Grundbesitzer hat dort ein sehr schmales, langes Grundstück. Dieses wurde als Baugrundstück ausgewiesen, obwohl man dort nicht bauen darf." In Dresden wiederum gäbe es unbebaubare Überschwemmungsgebiete, die als Bauland ausgewiesen wurden. "Die Grundsteuerwerte greifen in diesen Fällen deutlich an der Realität vorbei. Sie sind gleichheitswidrig."

Doch auch das jeweilige Bundesland entscheidet darüber, ob man von der neuen Grundsteuer begünstigt wird oder nicht. Kirchhof verweist hierzu auf erste – wenn auch noch sehr vereinfachte – Studien. Nach diesen sei die Steuerlast in Baden-Württemberg vergleichsweise hoch. Die Belastung im Bundesmodell sei geringer. Die übrigen Modelle würden zu einer noch geringeren Steuerlast führen.

Kirchhof bezeichnet vor allem die Modelle in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen als Gewinner, "weil sie mit der Größe des Grundstückes und der Gebäude sowie mit groben Lagewerten gleichheitsgerechte und leicht überprüfbare Parameter wählen."

Im Bundesmodell und in Baden-Württemberg seien dagegen die Unterschiede, wer welche Steuerlast tragen muss, zu groß.

Zu den Gewinnern zählen übrigens auch gewerbliche Nutzer. Denn die Bodenrichtwerte bei gewerblicher Nutzung sind oft geringer. Damit sind gewerbliche Steuerzahler strukturell besser gestellt als private.

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Das alte System war laut Bundesverfassungsgericht nicht mehr zeitgemäß. Eine Überarbeitung war deshalb dringend notwendig. Doch Kirchhof ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden: "Die Absicht hinter den Gesetzen, einfache Regeln in Kraft zu setzen, ist überzeugend. Doch leider ist das Bundesmodell zu kompliziert. Zudem nutzen das Bundesgesetz und das Modell Baden-Württembergs mit den Bodenrichtwerten Parameter, die zu ungenau sind."

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL. M. ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht sowie Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg. Er hat sich intensiv mit der Reform der Grundsteuer auseinandergesetzt und mehrere Rechtsgutachten zum Thema erstellt.

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