Nach Intel hat nun auch Wolfspeed seine Pläne für eine große Chipfabrik in Deutschland vorerst auf Eis gelegt. Was steckt hinter den Rückziehern? Hat der Standort Deutschland für die Halbleiterindustrie überhaupt eine Zukunft? Und was kann die Politik tun?
Wolfspeed kommt vorerst nicht ins Saarland. Ein Tiefschlag für den Wirtschaftsstandort genauso wie für die Zukunft der Halbleiterindustrie in Deutschland. Es war die zweite Hiobsbotschaft aus der Branche, nachdem erst im September Intel einen geplanten Fabrikbau in Magdeburg gestoppt hatte.
Ausgerechnet jene Unternehmen, von denen sich die Regierung einen starken Schub für die Halbleiterindustrie in Deutschland erhofft hatte und die deshalb mit starken Subventionen gefördert werden sollten.
"Die geplatzten Pläne des Baus von Chipfabriken in Magdeburg und im Saarland, die trotz zugesagter staatlicher Milliardensubventionen nun doch nicht gebaut werden, machen deutlich, dass es für den Staat keine gute Idee ist, einzelne Unternehmen zur Förderung auszuwählen." Das sagt Nina Czernich, stellvertretende Leiterin des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.
Experten äußern Kritik an Subventionen für Wolfspeed und Intel – "Markt sehr komplex"
Schließlich sei der Markt für Halbleiterchips sehr komplex, wie Nina Czernich im Gespräch mit unserer Redaktion betont. Das gelte für die zugrundeliegende Technologie genauso wie für Beziehungen zwischen den Unternehmen auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen wie Forschung und Entwicklung, Design, Produktion und Endabnehmer.
"Um zu entscheiden, welche Investitionen notwendig und sinnvoll sind, ist ein hoher Informationsbedarf notwendig", so Czernich. Diesen habe der Staat aber nicht, sondern nur die Marktteilnehmer selbst. Daher sollten diese Investitionsentscheidungen zu Produkten oder Standorten auch selbst treffen.
Bereits im Fall der geplanten Intel-Fabrik in Magdeburg hatte es massive Kritik an dem Zehn-Milliarden-Subventionspaket gegeben. So sagte der Präsident des ifo-Instituts Clemens Fuest im Interview mit "tagesschau.de": "Die Chipbranche ist sehr kapitalintensiv, und die Nachfrage ist konjunkturabhängig. Es kommt häufig vor, dass Hersteller Investitionspläne ändern und Stellen abbauen müssen."
Zyklische Branche: Halbleitermarkt leidet unter Auswirkungen der Pandemie
Tatsächlich dürfte die Marktentwicklung eine große Rolle dabei gespielt haben, dass innerhalb kurzer Zeit zwei große Prestigeprojekte in der Halbleiterbranche auf Eis gelegt wurden. Will man die Gründe verstehen, lohnt ein Blick zurück in die Zeit der Corona-Pandemie. Störungen der Lieferketten hatten damals zu einer weltweiten Halbleiterkrise geführt.
Als der Engpass überwunden war, kam es folgerichtig zu einem rasanten Wachstum des Marktes, wie der Branchenverband Silicon Saxony auf seiner Website analysiert. 2023 begann der Markt wieder abzukühlen – jedoch nicht der Hype. Einer Zeit geprägt von starker Nachfrage folgte eine Phase der Überproduktion. In einer stark zyklischen Branche wie der Halbleiterindustrie sei dies ein völlig normaler Vorgang, wie Silicon Saxony analysiert.
Hat die Regierung also aufs falsche Pferd gesetzt? Noch dazu zur falschen Zeit? Intel steckt seit geraumer Zeit in einer Krise. Wolfspeed wiederum holte sich ZF als strategischen Partner ins Boot – also ausgerechnet einen Autozulieferer, der selbst gerade massiv schwächelt. Kein Zufall, denn die Chips, die im saarländischen Ensdorf hergestellt werden sollten, waren vor allem für die Verwendung in E-Autos geplant.
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Reißt die E-Auto-Krise auch die Chiphersteller mit?
Doch dieser Industriezweig steckt selbst in einer Krise. "Mit dem Umstieg auf die E-Mobilität befindet sich die Automobilbranche in einem tiefgreifenden Strukturwandel", analysiert Nina Czernich. "Dabei wird nicht immer alles glattlaufen, sondern auch immer wieder Pläne umgeworfen werden. Das betrifft dann auch Unternehmen entlang der Zulieferkette."
Was also kann der Staat tun, um den Halbleiter-Standort Deutschland zu stärken? "Insgesamt sollte der Staat den Fokus darauf legen, attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass Unternehmen in Deutschland investieren wollen", sagt Nina Czernich. "Dazu gehören unter anderem leistungsfähige Stromnetze, damit neue Fabriken überhaupt ans Netz angeschlossen werden können, weniger Bürokratieaufwand für Unternehmen, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, qualifiziertes Personal und Planungssicherheit."
Nachfrage nach Chips steigt – kommt Wolfspeed doch noch nach Ensdorf?
Wolfspeed hält zumindest an den Plänen für Ensdorf fest. Aber "für eine Expansion in Europa müsse der Markt für E-Fahrzeuge an Fahrt gewinnen." Das schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Laut einer Umfrage der Europäischen Kommission rechnet die Industrie bis 2030 mit einer Verdoppelung der Nachfrage nach Mikrochips. Und die Projekte von Wolfspeed und Intel sind beide nur aufgeschoben. In einem dynamischen Umfeld wie der Chipindustrie kann sich der Wind schließlich schnell drehen. Dann hoffentlich zugunsten der heimischen Wirtschaft und der Arbeitsplätze in Ensdorf und Magdeburg.
Verwendete Quellen
- tagesschau.de: "Deutschland hat von all dem wenig"
- silicon-saxony.de: Der Milliardenverzicht und seine Gründe – Intel und ZF/Wolfspeed „verschieben“ EU Chips Act Projekte
- chip.de: Intel in der Krise: Verkauf einer Sparte als mögliche Maßnahme
- faz.net: US-Chiphersteller Wolfspeed bekennt sich weiter zu Ensdorf
- digital-strategy.ec.europa.eu: European Chips Survey
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