Die Bundesregierung will menschenwürdige Bedingungen bei der Produktion von Waren für den deutschen Markt seitens der Unternehmen schaffen lassen. Das angekündigte Gesetz löst heftigen Streit aus - es hat Folgen für alle.
"Es ist Zeit zu handeln", sagt
Über das angekündigte Gesetz für menschenwürdige Bedingungen bei der Produktion von Waren für den deutschen Markt ist jedoch heftiger Streit entbrannt. Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Worum geht's bei dem Lieferkettengesetz?
Ausbeuterische Kinderarbeit, Hungerlöhne, Umweltschäden: Seit langem werden die Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern in Afrika oder Asien angeprangert. Oft als Billigprodukte landen Schokolade, Schuhe, Kleidung oder Kaffee in deutschen Läden.
Dagegen will die Bundesregierung nun vorgehen: Das Lieferkettengesetz soll zu mehr Schutz von Menschen und Umwelt in der Wirtschaft führen.
Was bedeutet das Lieferkettengesetz für den Verbraucher?
Ein Lieferkettengesetz werde die nachhaltige Produktion insgesamt voranbringen, sagt Kathrin Krause, Referentin Nachhaltiger Konsum beim Bundesverband. Davon profitierten neben den Arbeiterinnen und Arbeitern und der Umwelt auch die Verbraucher.
Ein Gesetz fördere nachhaltige Produktionsbedingungen in der Breite und werde zu mehr nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen führen. Genaueres lässt sich derzeit offenbar noch nicht sagen.
Was können Verbraucher gegen Ausbeutung in der Produktion tun?
Kurz und knapp: nicht viel - aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands. "Verbraucher alleine besitzen nicht die Macht, über ihre Konsumentscheidungen einen Missstand zu berichtigen, den Unternehmen durch ihre Wahl der Produktion verantworten", sagt Krause.
"Die Wirtschaft will uns seit Jahren einreden, dass die Verantwortung für eine nachhaltige Welt im Einkaufskorb der Verbraucherinnen und Verbraucher liegt", führt Krause aus. "Damit ist jetzt Schluss. Wer nachhaltigen Konsum einfordert, muss bei der Produktion beginnen."
Verbraucher könnten aber im Sinne der Nachhaltigkeit prüfen, ob sie immer neue Dinge kaufen müssen - oder ob sie nicht auch mal etwas teilen, leihen oder tauschen.
Kritik aus der Wirtschaft, Verbände als Befürworter: Wie sind die Reaktionen?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt das angekündigte Gesetz. "Menschenrechte sind unveräußerlich und dürfen nicht Bestandteil von wirtschaftlichem Wettbewerb sein", heißt es seitens des DGBs.
BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock sagt, auch die Verantwortung von Unternehmen für den Umweltschutz dürfe nicht an Landesgrenzen enden. "Menschen, gleich wo sie leben, müssen auch deutsche Unternehmen zu Rechenschaft ziehen können, wenn diese ihre Luft, ihre Böden oder ihr Trinkwasser verseuchen oder ihre Wälder roden."
Eine Sorgfaltspflicht könne anknüpfen an internationale Standards, die es schon gebe, sagte Lia Polotzek vom BUND. Ein nationales Gesetz sei auch wichtig, um eine Regelung auf EU-Ebene und weltweit voranzubringen.
Beim Einzelhandel stoßen die Pläne der Bundesregierung jedoch auf Widerstand. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, sagt: "Ein nationales Lieferkettengesetz würde die Textilhändler in Deutschland im internationalen Wettbewerb massiv benachteiligen." Neben höheren Kosten sind vor allem auch Rechtsunsicherheiten programmiert.
Die Unternehmen dürften nicht als "Ersatzpolizei" für die Einhaltung von Recht und Gesetz in den Produktionsländern herhalten. "Wenn der Staat die Verantwortung ausschließlich bei den Unternehmen ablädt, ist das keine konstruktive Lösung."
Wie reagiert die Politik?
Vor allem Bundeswirtschaftsminister
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Altmaier auf, die "sture Blockade" zu beenden. "Sowohl die Näherinnen in Asien als auch die Verbraucher, die sich hierzulande ein T-Shirt aus dem Ladenregal nehmen, haben ein Recht darauf, dass daran weder Blut klebt noch dafür Flüsse und Grundwasser vergiftet worden sind", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Arbeitsminister Hubertus Heil machte auch deutlich, man werde nichts Unmögliches von den Firmen verlangen. Es gehe nicht darum, sie für etwas haften zu lassen, für das sie nicht verantwortlich seien. Und das Gesetz solle nur gelten für größere Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.
Nach Angaben des Entwicklungsministeriums ist keine große Industrienation so intensiv in internationale Lieferketten eingebunden wie Deutschland. Besonders abhängig von importierten Vorleistungen seien in Deutschland die Textilindustrie (63 Prozent ausländischer Wertschöpfung), die Elektronik (45 Prozent) und die chemische und pharmazeutische Industrie (39 Prozent).
Sind deutsche Unternehmen für Missstände verantwortlich?
Die Bundesregierung setzt aktuell noch darauf, dass sich Unternehmen freiwillig entlang der Lieferkette an die Einhaltung der Menschenrechte und an Umweltstandards halten. Aber: Im Koalitionsvertrag von 2018 verpflichtete sie sich dazu, ein Lieferkettengesetz zu beschließen, sofern Firmen bestimmte Standards nicht einhalten.
Und danach sieht es teilweise aus: Bei einer Befragung von rund 2.250 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten meldeten nur 455 Firmen gültige Antworten zurück. Es habe 91 "Erfüller" gegeben, die die Standards einhielten, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller. "Die Erfüller-Quote liegt bei 22 Prozent. Bei der ersten Befragung lag sie bei 18 Prozent." Der Prozess sei damit "kläglich gescheitert". (msc/dpa)
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