Turbulenzen beim Ölpreis an den Finanzmärkten: Nach den Drohnenangriffen in Saudi-Arabien sind die Ölpreise so sprunghaft gestiegen wie seit Jahrzehnten nicht, zu Handelsbeginn waren es bis zu 20 Prozent. Die Folgen bekommen auch die Verbraucher in Deutschland zu spüren: So wurde Heizöl teurer. Weltweit gerieten Aktienmärkte unter Druck. Anders als die USA bereitet die Bundesregierung aber keine Freigabe von strategischen Ölreserven vor.
Der Preis für Heizöl sprang am Montag regional unterschiedlich um drei bis fünf Cent je Liter nach oben, teilte der Messgeräte-Hersteller Tecson mit. Der bundesweite Durchschnittspreis für 100 Liter Heizöl erhöhte sich demnach um rund vier Euro von 66,60 auf 70,50 Euro. Das bedeutete jedoch kein neues Jahreshoch.
Die Heizölpreise sind in diesem Jahr bislang relativ stabil geblieben. Das war in früheren Jahren ganz anders, als die Verbraucher teils mit drastischen Preiserhöhungen und Preisstürzen konfrontiert war. Vor sieben Jahren lag der Preis für Heizöl in den meisten Wochen oberhalb von 90 Euro.
Auswirkungen an Tankstellen noch nicht absehbar
An den Tankstellen waren die Auswirkungen der Marktausschläge noch nicht eindeutig erkennbar. Zwar stiegen bis mittags die bundesweiten Durchschnittspreise für Diesel und Superbenzin E10 um ein bis zwei Cent im Vergleich zum Vortag. Da die Tankstellenpreise täglich mehrmals verändert werden und im Tagesverlauf oft sinken, ist das aber noch keine belastbare Tendenz.
Am Samstagmorgen hatten mehrere Explosionen Anlagen von Saudi Aramco erschüttert. Nach Angaben des staatlichen Ölkonzerns ist der Komplex in Abkaik die größte Raffinerie des Landes und die größte Rohölstabilisierungsanlage der Welt.
Ersten Angaben zufolge führten die Angriffe zu einem drastischen Einbruch der Produktionsmenge. Die Ölproduktion sei um 5,7 Millionen Barrel auf etwa die Hälfte des üblichen Tages-Volumens zurückgegangen, hatte die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA berichtet.
Nach Einschätzungen der Mineralölwirtschaft sollten die Auswirkungen auf Autofahrer hierzulande aber dennoch überschaubar bleiben. Aus Saudi-Arabien komme nur wenig Öl nach Deutschland, hieß es zunächst beim Branchenverband MWV. Der globale Ölpreis könnte zwar kurzfristig steigen. Ob sich das spürbar und dauerhaft auf deutsche Tankkunden auswirke, sei aber offen.
Huthi-Rebellen kündigen weitere Attacken an
Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 66,60 US-Dollar. Das waren 6,38 Dollar mehr als am Freitag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 5,45 Dollar auf 60,30 Dollar. In der Spitze waren sie vorübergehend auf den höchsten Stand seit mehreren Monaten gestiegen.
Zu den Angriffen in Saudi-Arabien hatten sich die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannt; sie kündigten weitere Attacken an. US-Präsident
Der Iran steht im Jemen auf der Seite der Huthis, die gegen die gewählte Regierung kämpfen. Diese wird von Saudi-Arabien unterstützt, einem engen Verbündeten der USA. Seit 2015 fliegt eine Allianz unter Führung von Saudi-Arabien Luftangriffe auf die Rebellen.
Versorgung in Deutschland nicht gefährdet
Trump genehmigte die Freigabe von nationalen Ölreserven im Falle von Engpässen. Er schrieb am Sonntagabend auf Twitter, ausgehend von dem Angriff, "der sich auf die Ölpreise auswirken könnte", habe er - falls erforderlich - die Freigabe genehmigt.
Die Menge habe er noch nicht festgelegt, aber sie werde ausreichend sein, "um die Märkte gut zu versorgen". Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris sieht zunächst keine Versorgungsprobleme. Vorerst seien die Märkte gut mit reichlich kommerziellen Beständen versorgt.
Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte zurückhaltend auf Trumps Entscheidung. "Bei uns ist es so, dass eine Freigabe einer strategischen Erdölreserve zur Behebung von weltweiten Versorgungsstörungen gemeinschaftlich mit den IEA-Mitgliedstaaten erfolgen müsste", sagte eine Sprecherin zu möglichen Abstimmungen mit der IEA. "Und hierzu gibt es aktuell keine Überlegungen." Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei aktuell nicht berührt.
US-Bank spricht von "historischer Störung"
Infolge der Drohnenangriffe gab der deutsche Leitindex Dax nach. Vor allem Aktien aus der stark vom Ölpreis abhängigen Luftfahrt- und Reisebranche gerieten unter Druck. Hingegen zählten etwa Anteile aus dem Öl- und Gassektor zu den Gewinnern.
Gefragt waren zudem der japanische Yen oder der Schweizer Franken. Sie gelten als sichere Häfen, in die sich Anleger in unsicheren Zeiten zurückziehen. Noch deutlicher legten Währungen von Ländern mit starker Rohölförderung zu, etwa die norwegische Krone, der kanadische Dollar und der russische Rubel. Der Eurokurs bewegte sich kaum.
Wie stark die Erdölpreise auf den Drohnenangriff reagieren werden, hängt nach Einschätzung der Experten von Goldman Sachs vor allem von der Dauer des Ausfalls ab. Der Produktionsausfall von etwa der Hälfte der saudischen Tagesproduktion sei jedenfalls "eine historisch große Störung", heißt es in einer Studie der US-Bank.
Störung bei andauerenden, bewaffneten Konflikten
Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, rechnet damit, dass sich der Ölpreis schnell normalisieren wird. "Dauerhaft steigende Ölpreise und folglich Belastungen für die Konjunktur sind nur zu erwarten, wenn das Ölangebot tatsächlich dauerhaft verknappt wird", sagte Fuest der dpa.
Die Anrainerstaaten des persischen Golfs produzierten gut ein Drittel des weltweiten Öls. Wenn es dort zu einem massiven bewaffneten Konflikt käme, wäre die globale Ölversorgung gestört, und die Preise würden deutlich steigen: "Derzeit spricht jedoch wenig dafür, dass es dazu kommt."
Die BayernLB erwartet, dass der Produktionsausfall in Saudi-Arabien nicht von anderen Ländern aufgefangen werden kann. Selbst die USA seien dazu trotz ihrer in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Ölförderung nicht im Stande.
Der Verband der Chemischen Industrie äußerte sich zurückhaltend. Man halte an der eigenen Ölprognose von 65 bis 75 Dollar je Barrel fest. Auch sei es zu früh, die Folgen der Ölpreisanstiege für die Chemieindustrie abzuschätzen. Rohöl ist der wichtigste Grundstoff in der Branche. © dpa
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