Erst akzeptiert Alexis Tsipras die Reformvorschläge der Geldgeber, dann lässt er sein Volk darüber abstimmen. Die votierten mit Nein. Und nun die Kehrtwende: Ein neues, altes Reformprogramm liegt seit Donnerstag als Einigungsvorschlag auf dem Tisch. Die Euro-Partner sind über den Zickzack-Kurs der griechischen Regierung verärgert. Das zeigte auch die Debatte im Europäischen Parlament am Mittwoch. Das Verhältnis untereinander ist mittlerweile schwierig. Warum kommen Griechenland und die EU-Gruppe eigentlich auf keinen grünen Zweig?

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Wer die Debatte am Mittwoch im EU-Parlament verfolgt hat, konnte erkennen: Die griechischen Positionen sind konträr zu vielen anderen EU-Mitgliedern. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras kritisierte abermals die strengen Vorgaben der Gläubiger, sah sich selbst als Leidtragenden in der Krisen-Politik. Klar gab er zu verstehen, dass er kaum bereit ist, Verantwortung für die aktuelle Situation zu übernehmen. Energisch klagte er über das Leid seiner Griechen, die seit Jahren unter den harten Sparmaßnahmen zu leiden hätten. Das Land sei an seiner Belastungsgrenze angekommen. Nun wolle man endlich einen Silberstreif am Horizont erkennen.

Das löste einen heftigen Schlagabtausch im Parlament aus. Manfred Weber (CSU) griff Tsipras persönlich an. "Sie zerstören Vertrauen in Europa. Der Rest Europas hat kein Vertrauen mehr in Sie." Die Debatte im EU-Parlament war einer der seltene Augenblicke, in der sich das komplizierte Verhältnis untereinander offen zeigte.

Seit fünf Jahren wird Griechenland von den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt. Dafür gibt es für Griechenland strenge Spar- und Reformauflagen. Diese "unglaubliche Härte", die Tsipras anprangerte, hat dafür gesorgt, dass die EU bei vielen Griechen unbeliebt ist, wie das Pew Research Center auf seiner Seite berichtet. Um die Beziehungen zwischen Griechenland und der Europäischen Union näher zu beleuchten, hat das amerikanische Meinungsforschungsinstitut folgende fünf Fakten zusammengetragen:

1. Die Griechen nehmen wenig Rücksicht auf die EU. Nur etwa ein Drittel der Bevölkerung hat ein positives Bild von der EU. Das ergab eine Umfrage des Pew Research Center aus dem letzten Jahr. Nur 17 Prozent sind der Meinung, dass die wirtschaftliche Integration in Europa für Griechenland gut gewesen sei.

2. Trotz der Enttäuschung über die EU wollen 69 Prozent der Griechen den Euro behalten und nicht zur Drachme zurückkehren.

3. Die Griechen fühlen sich von den EU-Partnern im Stich gelassen. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (85 Prozent) ist der Meinung, dass die EU die Bedürfnisse der griechischen Bürger nicht verstehe. Drei von vier Griechen beurteilt die finanzielle Unterstützung der Geldgeber als unzureichend.

4. Die Griechen sind gegen die Einmischung der EU in griechische Angelegenheiten. 86 Prozent der Griechen sind der Ansicht, die EU drängt sich in die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Landes. Zwei Drittel halten die Union für ineffizient. Demnach scheint es kaum zu verwundern, dass sich 71 Prozent der Griechen 2014 dagegen wehrten, der EU mehr Entscheidungsbefugnis zu übertragen.

5. Selbst- und Fremdwahrnehmung: Die Griechen haben ein anderes Bild auf sich selbst als andere. Eine Umfrage aus dem Jahr 2012 ergab: Die Griechen sind der Meinung, das am härtesten arbeitende EU-Volk zu sein - und obendrein am vertrauensvollsten. Wohingegen Deutschland von England, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und der Tschechischen Republik gerankt wird. Ähnlich sieht es in Sachen Kreditwürdigkeit aus: Während sich Frankreich, Deutschland und Tschechien einig darüber sind, dass die Griechen in diesem Punkt ein klares Minus erhalten, sehen das die Griechen ganz anders.

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