Niedersachsens Staatskanzlei wirft VW vor, die Öffentlichkeit zu spät über den Abgas-Skandal in Kenntnis gesetzt zu haben. Darauf lassen Dokumente schließen, die dem ZDF-Magazin "Frontal 21" zugespielt wurden.

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Die Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) kritisiert, dass der VW-Konzern im Abgas-Skandal Aufsichtsrat, Aktionäre und die Öffentlichkeit womöglich zu spät informiert habe.

Das geht aus zwei Dokumenten der Staatskanzlei hervor, die mit "streng vertraulich" gekennzeichnet sind und dem ZDF-Magazin "Frontal 21" vorliegen. Dabei handelt es sich um Auszüge aus der Handakte der niedersächsischen Staatskanzlei zum VW-Skandal. Die Akte war zwischenzeitlich verschwunden, ist mittlerweile aber wieder aufgetaucht.

Der Kapitalmarkt wurde zu spät informiert

Bei der Frage, ob VW die Öffentlichkeit rechtzeitig informiert hat, geht es für den Konzern um Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe. Aktionäre, Pensionsfonds und Versorgungskassen, deren Vermögen unter dem Kurseinbruch der VW-Aktie gelitten haben, könnten gegen den Autokonzern vor Gericht ziehen.

Anleger haben bereits erste Klagen eingereicht und werfen VW vor, die Märkte getäuscht zu haben.

Information erst zwei Wochen später

Der VW-Konzern hatte am 3. September 2015 Manipulationen gegenüber der amerikanischen Umweltbehörde eingeräumt, den Kapitalmarkt aber erst knapp zwei Wochen später, nämlich am 22.September 2015, darüber informiert.

"Theoretisch wäre es hier möglich gewesen, bereits am 3. September die Tragweite des Vorwurfs zu erkennen", heißt es in einem internen Schreiben der Staatskanzlei an Ministerpräsident Weil.

"Es wird zu klären sein, warum VW die Tragweite des Eingeständnisses vom 3.9.2015 so einschätzte, dass sie nicht von erheblicher Bedeutung sind und somit keine ad-hoc Mitteilung nach § 15 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz, die Redaktion) veröffentlicht wurde."

Konzerninterne Ermittler beauftragt

In den turnusmäßigen Aufsichtsratssitzungen habe der Vorstand regelmäßig über das US-Geschäft von VW informiert, heißt es in einem der Dokumente. Die Abgasproblematik sei aber nicht angesprochen worden.

Auch nach dem Manipulationseingeständnis habe der VW-Vorstand unter seinem damaligen Vorsitzenden Martin Winterkorn den Aufsichtsrat nicht informiert, kritisiert die Staatskanzlei. "Geht man davon aus, dass der Vorstand der Volkswagen AG spätestens am 3. September Kenntnis hatte, wäre eine unverzügliche Information zu diesem Zeitpunkt zu erwarten gewesen."

In dem Aufsichtsgremium sitzen als Vertreter des Landes Niedersachsen Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD). Ministerpräsident Weil hatte am 13. Oktober vor dem Niedersächsischen Landtag zum VW-Abgasskandal eingestanden, er habe am 18. bzw. 19 September "erstmals von diesen Vorgängen Kenntnis erlangt – und zwar aus den Medien."

Derzeit klären konzerninterne Ermittler und eine vom Aufsichtsrat beauftragte Anwaltskanzlei, wer zu welchem Zeitpunkt über die Vorgänge rund um den Abgas-Skandal informiert war.

Auf Anfrage von "Frontal 21" teilte VW mit, "dass derzeit keine weiteren Aussagen dazu getroffen werden können." Man stecke mitten in der Aufklärung. Die niedersächsische Staatskanzlei äußerte sich trotz mehrfacher Nachfrage bis zum späten Dienstagnachmittag nicht zum Vorgang. (zdf/ank)

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