Dass die Geschichtsschreibung wahre Begebenheiten festhält, ist oft nur ein optimistischer Wunsch. Manche Unwahrheiten wurden schnell aufgedeckt, manche erst nach langer Zeit und einige halten sich bis heute. Auch viele Irrtümer haben überlebt und sind Teil des vermeintlichen Allgemeinwissens. Wir beleuchten fünf von ihnen.
"Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!" (Adolf Hitler am 1. September 1939). "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" (Walter Ulbricht am 15. Juni 1961). "I did not have sexual relations with that woman, Miss Lewinsky." (
Bewusste Täuschungen sind eine Grundkonstante der Geschichte und die Liste der kühl kalkulierten Lügen ist endlos lang. Manche Lügen stürzten die ganze Welt ins Chaos und änderten die Weltordnung, manche sollten vor allem den eigenen Gesichtsverlust abwenden. Fast immer diente die bewusst auf Täuschung angelegte falsche Aussage dem Machterwerb, Machterhalt oder Machtausbau.
Es gibt jedoch auch Irrtümer, die historische Tatsachen verfremden, über deren Ursprung und Intention man wenig weiß. Gerade diese scheinen sich bis heute hartnäckig im kollektiven Gedächtnis zu halten.
1. Das Klischee: Die Wikinger trugen Helme mit Hörnern
Wie sah ein Wikinger aus? Viele würden wohl besonders ein Detail beschreiben: Die Nordmänner trugen Helme mit Hörnern. Dieses Bild wirkt sehr martialisch. Und es ist falsch.
Fakt ist:
An den Helmen der Wikinger waren keine Hörner befestigt. Diese wären viel zu sperrig und damit im Kampf hinderlich gewesen. Und nicht nur das. Hätte eine Waffe ein Horn mit voller Wucht getroffen, so wäre der Kopf des Wikingers zur Seite geknickt, was einen Genickbruch zur Folge gehabt hätte. Kein Wunder also, dass Archäologen noch nie einen derartigen Wikingerhelm gefunden haben.
Wie kam der Irrtum zustande?
Die frühen Kelten und Nordmänner aus der Bronzezeit besaßen wohl tatsächlich Hörnerhelme, wahrscheinlich jedoch nicht für den Kampf, sondern zu kultischen Zwecken. Unser heutiges Wikinger-Klischee geht auf Richard Wagner zurück. In seinem "Ring des Nibelungen" ließ er die Nordmänner und Walküren mit diesen Helmen auftreten. Ein Show-Effekt also, der bis heute unsere kollektive Vorstellung nachhaltig prägt.
2. Das Klischee: Napoleon war klein
Wenn Psychologen vom "Napoleon-Komplex" sprechen, dann meinen sie damit das Phänomen, dass manche Menschen eine kleine Körpergröße durch dominantes Verhalten zu kompensieren suchen. Doch war die historische Figur Napoleon wirklich klein gewachsen? Und war das eine wichtige Antriebsfeder für seine Eroberungsfeldzüge?
Fakt ist:
Für die damaligen Verhältnisse war Napoleon kein kleiner Mann. Er maß in der damaligen französischen Maßeinheit fünf Fuß, zwei Zoll und drei Linien, was 1,685 Meter entspricht und zu seiner Zeit eine durchaus stattliche Größe war.
Wie kam der Irrtum zustande?
Fünf Fuß und zwei Zoll nach dem englischen Maß wären umgerechnet nur 1,58 Meter. Es könnte sich bei dem Irrtum schlicht um einen Umrechnungsfehler oder aber um bewusste Propaganda der Engländer gehandelt haben. Zudem soll sich Napoleon ausschließlich mit sehr großen Männern als seiner Leibgarde umgeben haben.
3. Das Gerücht: Als Rom brannte, spielte Nero Musik
Im Jahre 64 n. Chr. brannte Rom sechs Tage lang. Und kein Geringerer als Kaiser Nero selbst, so das Gerücht, soll das Feuer gelegt haben, um Rom nach dem Brand nach seinen Vorstellungen verändern zu können. Und nicht nur das: Während des Brandes soll der gefürchtete Nero gesungen und auf der Leier gespielt haben.
Fakt ist:
Großbrände waren im damaligen Rom keine Seltenheit. Und als der Brand losbrach, befand sich Kaiser Nero im 60 Kilometer entfernten Antium. Von dort eilte er in die Hauptstadt, um die Eindämmung der Katastrophe zu koordinieren. Gegen die These von Nero als Brandstifter spricht auch, dass das Feuer in unmittelbarer Nähe seines Palastes ausbrach und nicht in den Armenvierteln, die er verabscheute und als Schandfleck Roms ansah. Ganz aus der Welt zu schaffen wird dieses Gerücht jedoch wohl nie mehr sein.
Wie kam das Gerücht zustande?
Cornelius Tacitus beschrieb in seinen "Annales" ein "Unglück, bei dem es ungewiss ist, ob es auf Zufall oder auf die Heimtücke des Kaisers zurückzuführen war". Suetonius schreibt über Nero: "Er zündete die Stadt an und zwar ganz offenkundig." Nero selbst versuchte, die Gerüchte auf sehr grausame Art einzudämmen. Er erklärte eine christliche Minderheit der Brandstiftung für schuldig und ließ sie ermorden.
4. Das Klischee: Die Menschen im Mittelalter glaubten, die Erde sei eine Scheibe
Noch heute wird häufig gelehrt, dass die Menschen im Mittelalter davon ausgingen, dass die Erde eine Scheibe sei.
Fakt ist:
Das Wissen, dass die Erde kugelförmig ist, war bei mittelalterlichen Gelehrten weit verbreitet, das belegen zahlreiche Quellen der Zeit. Nur das Gesetz der Schwerkraft war noch nicht bekannt, weswegen den Gelehrten eine schlüssige Begründung für ihre These fehlte. Schon der antike Philosoph Aristoteles, dessen Gedankengut das Mittelalter stark beeinflusste, hatte die Erde als Kugel bezeichnet.
Wie kam der Irrtum zustande?
Renaissance, Humanismus und Aufklärung wollten sich klar gegen die Epoche des Mittelalters abgrenzen. Das helle Licht der Vernunft ihrer Zeit musste für sie mit dem finsteren, vom Aberglaube geprägten Mittelalter kontrastieren.
5. Die Legende: Hitler erfand die Autobahn
Der Glaube hält sich hartnäckig, dass Adolf Hitler die erste deutsche Autobahn bauen ließ.
Fakt ist:
Die erste deutsche Autobahn wurde 1921 in Berlin eröffnet, die "Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße". 1932 weihte Konrad Adenauer, zu dem Zeitpunkt Oberbürgermeister von Köln, die Kraftwagenstraße Köln-Bonn ein.
Wie kam der Irrtum zustande?
Durch gezielte Nazi-Propaganda wurde der Irrglaube genährt, Hitler habe mit der "Reichsautobahn" Frankfurt-Mannheim 1933 eine "Weltneuheit" geschaffen. Die von Adenauer eröffnete Kraftwagenstraße ließ er zu diesem Zwecke kurzerhand zur Landstraße zurückstufen.
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