Ein Zentimeter ist ein Hundertstel eines Meters, ein Kilogramm das Tausendfache eines Gramms. Doch dieses einleuchtende metrische Maßsystem ist nicht jedem gegönnt. In den USA schlagen sich die Menschen mit dem komplizierten und antiquierten imperialen System herum. Und Schuld daran sind Piraten.
Selbst wenn man nicht in die USA reist, ist die Welt inzwischen so klein geworden, dass bestimmt jeder schon mal mit dem vergleichsweise komplizierten angloamerikanischen Maßsystem in Berührung gekommen ist.
Ob bei Produktbeschreibungen im Internet oder in englischsprachigen Kochrezepten: Wer hat sich nicht schon mal gefragt, wieviel Liter zwei Pint sind oder wieviel Zentimeter ein 4-Inch-Display misst? Und warum hat ein Yard nicht 10 oder 100 Inch, sondern 36?
Das angloamerikanische Maßsystem, auch imperiales System genannt, hat anders als unser metrisches keinen Bezug zum Dezimalsystem. Die Maße bauen also nicht als Zehnfaches aufeinander auf.
Ein Inch (von lateinisch "unica", also Zwölftel) ist beispielsweise das Zwölftel einer Fußlänge, die wiederum als Maßeinheit Foot festgelegt ist. Ein Yard ist das, was einst als Standardlänge eines Schrittes angesehen wurde. Auch in Europa schlugen sich die Menschen mit diesem leidigen System herum.
Kein Wunder also, dass im 18. Jahrhundert die Idee einer Gruppe französischer Philosophen, ein einheitliches einfaches und präzises Maßsystem einzuführen, auf offene Ohren stieß: Mit dem von ihnen vorgeschlagenen metrischen System konnten die Ungenauigkeiten und Probleme vermieden werden, die dadurch entstanden, dass Händler in der einen Einheit einkauften, ihre Ware aber in einer anderen Einheit absetzten. Wissenschaftliche Messungen konnten präzisiert und der internationale Austausch von Wissen vereinfacht werden.
Piraten verhindern Verbreitung des metrischen Systems
Doch warum hat sich das System nicht in der gesamten Welt etabliert? Die Antwort: Piraten vereitelten seine Einführung in den Vereinigten Staaten von Amerika.
1793 wurde der Wissenschaftler und Aristokrat Joseph Dombey aus der Alten Welt entsandt, um jenseits des Atlantiks mit dem damaligen Außenminister der USA, Thomas Jefferson, zu sprechen. Im Gepäck hatte er eine Stange, die genau einen Meter maß und einen kupfernen Zylinder, der exakt ein Kilogramm wog.
Jeffreson hatte sich zuvor als Diplomat in Europa aufgehalten und war den Ideen der Aufklärung und der des metrischen Systems gegenüber aufgeschlossen. Es bestand also berechtigte Hoffnung, dass er den Kongress überzeugen würde, das neue System zu übernehmen.
Doch Dombey kam bei seiner Überfahrt durch einen Sturm vom Kurs ab. Sein Schiff wurde in die Karibik getrieben und geriet dort in die Fänge britischer Piraten. Diese nahmen Dombey gefangen und zerstörten seine Ausrüstung. Der vom Pech verfolgte Botaniker starb kurze Zeit später.
Frankreich schickte einen zweiten Gesandten auf den Weg. Dieser erreichte die USA zwar bei guter Gesundheit. Doch in der Zwischenzeit war Jefferson nicht mehr Außenminister. Der zukünftige US-Präsident hatte just zu der Zeit eine Sinnkrise. Nach kräftezehrenden Streitigkeiten hatte er sich aus der Politik zurückgezogen.
Sein Amtsnachfolger Edmund Randolph hatte wenig für die Idee übrig, bestehende Normen in den USA auf den Kopf zu stellen. Und während viele Länder im Rest der Welt das metrische System einführten, hantieren die Amerikaner bis heute mit dem verwirrenden imperialen System. (ada)
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