Bereits vor Jahrzehnten plädierte Thor Heyerdahl dafür, dass die amerikanischen Ureinwohner nach Polynesien gefahren sein könnten. Nun bestätigen Gen-Analysen eine Verwandtschaft der beiden Gruppen. Sie zeigen auch, wann der Kontakt vermutlich zustande kam.
Die Besiedlung Polynesiens stellt Wissenschaftler bis heute vor Rätsel: Manche glauben, dass die entlegenen Inseln im Pazifik von Südostasien aus erschlossen wurden, andere sehen die Region um Papua-Neuguinea als Ausgangspunkt.
Nun berichten Forscher nach genetischen Analysen im Fachblatt "Nature", dass dabei amerikanische Ureinwohner eine wichtige Rolle gespielt haben.
Demnach gab es schon vor 800 Jahren - mehr als fünf Jahrhunderte vor Ankunft der Europäer im 18. Jahrhundert - Kontakt zwischen dem amerikanischen Kontinent und dem östlichen Polynesien.
Thor Heyerdahls Theorie stieß auf Ablehnung
Das passt zur Vermutung des norwegischen Entdeckers Thor Heyerdahl (1914-2002): Der überquerte 1947 mit einem Floß aus Balsaholz den Pazifik, um zu beweisen, dass die Reise mit den technischen Möglichkeiten der präkolumbischen Zeit möglich war.
Obwohl er erfolgreich war, stieß seine Theorie über die Besiedlung Polynesiens von Südamerika aus in der Fachwelt auf Ablehnung.
Dennoch zeigten spätere DNA-Untersuchungen, dass es wohl Kontakte zwischen Polynesien und Amerika gegeben hat - wann diese allerdings stattgefunden haben, war wissenschaftlich umstritten.
Hier gibt nun die Studie des Teams um Alexander Ioannidis und Andrés Moreno-Estrada vom mexikanischen "Center for Research and Advanced Studies of the National Polytechnic Institute" Antworten.
Erstes Aufeinandertreffen erfolgte früh
Die Forscher analysierten die Genome von mehr als 800 Polynesiern von 18 unterschiedlichen Inseln sowie von 15 Populationen amerikanischer Ureinwohner entlang der Pazifikküste.
Im Erbgut der Polynesier fanden die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass es Kontakt zu Menschen gab, die mit heutigen indigenen Gruppen an der Pazifikküste Kolumbiens verwandt sind.
Dass sich die Forscher auf das Erbgut heutiger Menschen konzentrierten, ist für Kathrin Nägele vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena ein Schwachpunkt der Untersuchung. Hier hätten Proben von früheren Individuen hinzugezogen werden sollen, sagt die Archäogenetikerin. "Ohne die Analyse von alter DNA bleibt Raum für Spekulationen."
Dennoch zeige die Studie, wie früh das erste Aufeinandertreffen von Polynesiern und Amerikanern erfolgt sei. Jener erste Kontakt habe vermutlich zwischen 1150 und 1230 n. Chr. stattgefunden, vermuten die Autoren.
Erster Kontakt war nicht auf der Osterinsel
Ort war aber nicht - wie oft vermutet - die Osterinsel, also jenes besiedelte Eiland Rapa Nui, das Südamerika am nächsten liegt. Aufgrund von kulturellen Parallelen - darunter der Anbau der auch in Südamerika kultivierten Süßkartoffel - hatten manche Forscher einen solchen Kontakt vermutet.
Dagegen glauben die Autoren, dass der erste Kontakt auf einem der Archipele Ostpolynesiens wie etwa der Südgruppe der Marquesas-Inseln stattgefunden habe. Diese Inseln liegen auf demselben Breitengrad wie das mehr als 6.000 Kilometer entfernte Ecuador: Wind- und Strömungssimulationen legen nahe, dass sie zu jener Zeit per Schiff von Südamerika aus erreicht werden konnten.
Von hier aus hätten sich die genetischen Linien über die verschiedenen Inseln bis nach Rapa Nui verteilen können. Eine andere Erklärung wäre den Wissenschaftlern zufolge, dass polynesische Seefahrer nach Südamerika segelten und wieder zurückkehrten. Für diese Theorie spricht, dass Polynesier Studien zufolge schon um das Jahr 1.200 weite Seereisen unternahmen.
Ureinwohner besiedelten nur Osten von Polynesien
Eine dritte Möglichkeit hebt der Archäologe Paul Wallin von der schwedischen Universität Uppsala in einem "Nature"-Kommentar hervor: So könnten die südamerikanischen Ureinwohner nur den Osten von Polynesien besiedelt haben, was Heyerdahl immerhin teilweise bestätigen würde.
Nägele hält diese These für besonders gewagt. Insgesamt sei sie vorsichtig, aus der Studie eine neue Besiedlungsgeschichte Polynesiens abzuleiten: "Ich denke eher, dass sie erweitert werden muss."
Vor allem bedeuteten die Ergebnisse, dass bei Untersuchungen alter DNA aus dieser Region südamerikanische Vorfahren mitgedacht werden müssten: "Bei der Frage, wie Polynesien besiedelt wurde, gilt es, künftig eine Trinität aus papua-neuguineischen, asiatischen und amerikanischen Einflüssen zu erforschen." (ff/dpa)
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