Sie ist Islands geheimnisvollste Insel - erst vor 50 Jahren erhob sie sich mit viel Lärm, Rauch und Gestank aus dem Meer hinauf an die Wasseroberfläche. 100 Menschen durften sie bisher betreten. Für Touristen gilt: Zutritt verboten! Doch welche Gefahren lauern auf Surtsey? Und welches Geheimnis umgibt die jüngste Insel des Landes? Seit Jahren steht die Insel unter strengster wissenschaftlicher und staatlicher Beobachtung.
Wer dieses Stück Eiland ohne schriftliche Erlaubnis betritt, tut nicht nur etwas Illegales, sondern bringt sich auch in Gefahr: Meist fegen Stürme über die Insel, die Einöde erinnert an die karge Mondoberfläche. Das Wetter wechselt schnell, die steilen Klippen machen das Anlegen per Boot sehr schwierig.
Vor mehr als 50 Jahren war es noch viel gefährlicher dort. Blieb man zu lange auf einer Stelle stehen, brachte der extrem heiße Boden alles zum Schmelzen.
Das ist heute nicht mehr so. Aber trotzdem ist Surtsey Island 30 Kilometer vor der Südküste Islands eine No-Go-Area. Wer in Versuchung kommt, die geheimnisvollste und jüngste Insel des Landes zu betreten, hat wegen der unwirtlichen Umgebung schlechte Karten.
So schützt sich die Insel Surtsey selbst vor ihrem wahrscheinlich größten Feind, dem Menschen. Ihren Namen hat sie von einem Fabelwesen: dem Feuerriesen Surt aus der isländischen Mythologie. Am jüngsten Tag soll er von Süden kommen und sein Schwert bis in den Himmel schwingen. Diese Erzählung passt nur allzu gut zum 14. November 1963, dem Geburtstag der Insel.
Eine Insel wuchs aus dem Meer herauf
30 Kilometer südlich von Island war alles etwas anders als sonst: Das Meer roch seltsamerweise nach Schwefel, das Wasser war wärmer und es wollte einfach nicht Tag werden. Die Besatzung eines Fischerboots entdeckte schließlich eine riesige Rauchwolke über dem Wasser.
Sie stammte von einem aktiven Unterwasservulkan. Er brach unten am 130 Meter tiefen Meeresboden aus. Was dabei entstand, sollte ein großartiges Geschenk für Wissenschaftler werden. Denn die Eruption bildete einen Vulkankegel und der näherte sich immer weiter der Wasseroberfläche. Bereits am nächsten Tag lag vor Island eine neue Insel, die schon zehn Meter hoch war. Es war das erste Mal, dass Forscher die Entstehung eines solchen Eilands von Anfang an beobachten konnten.
Über dreieinhalb Jahre lang war der Vulkan aktiv und formte Surtsey und drei weitere kleine Inseln. Drei von ihnen verschluckte das Meer schnell wieder, nicht aber Surtsey. Bevor sich die Insel durch natürliche Erosion wieder verkleinerte, maß sie eine Fläche von 2,65 Quadratkilometern.
Ihre maximale Höhe lag bei 174 Metern. Derzeit ist sie 1,4 Quadratkilometer groß und erhebt sich auf 154 Meter. Was sich seit 1965 nicht mehr änderte, ist der Status der Insel: Sie ist ein Naturschutz- und Forschungsgebiet.
Gefahren, die das Inselleben bedrohen
Deswegen durften bisher nur knapp 100 Menschen die neue Insel betreten: Wissenschaftler und Journalisten. Sie benötigten allerdings eine Erlaubnis von der Regierung. Und die ist sehr schwer zu kriegen und zudem zeitlich limitiert. Wer aber eine Zusage erhält, darf nur in Begleitung eines staatlichen Guides nach Surtsey. Der passt auf, dass nichts auf die Insel gelangt, was nicht dorthin gehört und umgekehrt nichts Einheimisches die Insel verlässt.
Besucher müssen besonders saubere Schuhe und einen keimfreien Rucksack tragen. Eingeschleppte Samen zum Beispiel würden die Daten, die Biologen sammeln, komplett durcheinander bringen und verfälschen.
Pflanzensamen, Insekten und Mikroorganismen erreichen Surtsey ausschließlich über den Wind, per Treibholz, über tote Fische oder natürlich durch Vögel. Nachdem einmal ein Vogel seinem Nachwuchs Regenwürmer bringen wollte und zwei aus seinem Schnabel fielen, etablierten sich beispielsweise Erdwürmer auf der Insel.
Kolonialisierung live beobachten
So gut wie nichts passiert auf Surtsey unbeobachtet. Noch während der Vulkan aktiv war und bevor die Insel einen Namen hatte, setzten Geologen und Biologen ihre Füße sowie ihre Messgeräte darauf. Denn niemand wusste, wie lang das Eiland den starken Wellen des Atlantiks trotzen würde.
Für Wissenschaftler war und ist es die äußerst seltene Gelegenheit, Augenzeuge zu werden, wie Flora und Fauna sich auf einer Insel natürlich entwickeln. Deswegen beobachten und erkunden sie alles in diesem geschützten Ökosystem: das Gestein, die Erosionsvorgänge, die Pflanzen- und Tierwelt. Sie erhoffen sich auch Erkenntnisse darüber, wie man verödete Gebiete schnell wieder mit Pflanzen besiedeln kann.
Besonders für das von Vulkanausbrüchen geplagte Island wäre das eine wichtige Information.
Die Stärkste von vielen
In den Weltmeeren tauchen immer mal wieder neue Vulkaninseln an die Wasseroberfläche. Doch in den meisten Fällen verschwinden sie wieder genauso schnell wie sie entstanden sind. Surtsey ist in vielerlei Hinsicht besonders. Sie erodiert langsamer als andere, was mit ihrem Schutzschild aus Palagonit zu tun hat, einer vulkanischen Substanz. Asche konnte sich auf Surtsey rasend schnell in dieses harte Gestein umwandeln, weil die Insel so heiß ist.
Deswegen trauen Forscher zumindest dem harten Kerngestein von Surtsey eine relativ lange Existenz zu, mindestens 1.000 Jahre. Damit die Experten bis dahin weiterhin ungestört ihre Arbeit verrichten können, hat die Unesco das Eiland 2008 zum Welterbe erklärt. Touristen können sich die Insel entweder aus der Luft ansehen – oder von der Nachbarinsel Heimaey aus.
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