- Das Wasser wird knapp – Wissenschaftler warnen vor Versorgungsengpässen.
- Landwirte müssen sich umfassend auf den Wassermangel einstellen.
Bis vor wenigen Jahren war es undenkbar, dass Wasser in Deutschland knapp werden würde. Doch Dürrejahre setzen der Natur zu: Ehemals grüne Erholungsparks in Städten verwandeln sich in steppenartige Staubschüsseln. Flüsse wie die Dreisam in Baden oder die Schwarze Elster in Brandenburg versiegen stellenweise. Historische Niedrigwasser an Rhein und Donau erschweren die Schifffahrt. Fichtenhaine vertrocknen, die Waldschäden nehmen stark zu. Regional ist sogar die Trinkwasserversorgung gefährdet.
Anderswo sieht das nicht anders aus: Frankreichs Stolz, die Loire – nur noch ein Rinnsal. Der Satellitenblick zeigt ein vertrocknendes Europa: Was im Mai noch sattgrün leuchtete, zeigt sich im August in einem tristen Braun.
Wird das besser, wenn es im nächsten Jahr wieder regnet? Vielleicht. Für kurze Zeit. Langfristig nicht: Wissenschaftler sehen in ihren Daten einen klaren Trend. West- und Zentraleuropa werden künftig nicht nur mit weniger Bodenwasser, sondern auch mit weniger Grundwasser auskommen müssen. Mit zunehmender Erderwärmung, das zeigt der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC, wird die Region zunehmend austrocknen.
Westeuropa trocknet aus
Im Frühjahr 2022 lieferten Daten der GRACE-Satelliten aus einem Forschungsprojekt der Nasa und des DLR einen überraschenden Befund: Demnach gehört Deutschland weltweit zu den Regionen, in denen besonders viel Wasser verloren geht. Allein in den letzten 20 Jahren gingen 2,5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr aus Böden, Vegetation, Gewässern und Grundwasser verloren. Das ist etwa so viel wie die Wassermenge des Bodensees.
Wenn es wärmer wird, nimmt die Verdunstung über Pflanzen und Böden zu. Damit werden die Böden trockener und auch das Grundwasser kann abnehmen. In den letzten Jahren fielen wasserabhängige Ökosysteme trocken – wie etwa Bäche und kleinere Flüsse. In einigen Regionen beobachten Forscher sogar eine "Grundwasserdürre". Damit gehört Deutschland mit Westeuropa im weltweiten Vergleich zu den Hotspots des Klimawandels.
Im Nordosten Deutschlands ist der Grundwasserspiegel seit 2003 sogar besonders stark abgefallen. "Das kann auf den Klimawandel zurückgeführt werden", ist sich Hydrologiewissenschaftlerin Petra Döll von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main sicher. Allerdings lässt sich in Deutschland noch nicht klar unterscheiden, ob das Grundwasser sinkt, weil mehr Wasser entnommen wird oder weil weniger Grundwasser neu gebildet wird.
Anhand von Klimamodellen gemachte Prognosen zeigen, dass im Winter und Frühjahr deutlich mehr, in den Sommermonaten aber deutlich weniger neues Grundwasser gebildet wird. Mit der Erderwärmung werden diese Trends stärker.
"Das bedeutet, dass der Wasserbedarf in den Sommermonaten für Pflanzen und Bäume im eigenen Garten, in Parks und Grünanlagen, in den Wäldern und bei landwirtschaftlichen Kulturen steigen könnte", erklärt Thomas Riedel vom IWW Zentrum Wasser in Mülheim an der Ruhr. Er rechnet damit, dass nicht nur der industrielle Wasserbedarf zur Kühlung steigt, sondern auch der Trinkwasserbedarf insgesamt, wenn Gärten bewässert und Pools befüllt werden wollen.
Grundwasserspiegel sinkt
Insgesamt steigt das Trockenheitsrisiko für Landwirtschaft und Ökosysteme, warnt auch Sonia Seneviratne vom Center für Klimasystem-Modellierung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Die Daten sprechen eine eindeutige Sprache: Laut dem Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel hat sich die Anzahl der Monate mit ungewöhnlich niedrigen Grundwasserständen seit 1961 erhöht. In einigen Regionen sind die Grundwasserspiegel in den letzten vier Jahren um einige Zentimeter bis Dezimeter gesunken.
Wasserexperte Thomas Riedel hält das "noch nicht für beunruhigend", doch "es sollte als Warnung verstanden werden." In Kalifornien oder Indien sind die Grundwasserstände nämlich an einigen Orten über Jahrzehnte sogar um bis zu hundert Meter abgesunken. Jörg Dietrich, Leiter der Arbeitsgemeinschaft am Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft der Universität Hannover, gibt indes Entwarnung: "Deutschland ist weit von einem nationalen Problem entfernt". Mit den verfügbaren Wasserressourcen und technischem Fortschritt könne die Wasserwirtschaft an die Veränderungen angepasst werden, zeigt er sich optimistisch.
(K)eine Wasserstrategie für Großverbraucher
Wassersparen ist angesagt – aber wie? Die Bundesregierung stellte im vergangenen Jahr eine erste "Nationale Wasserstrategie" vor, die sich vor allem an Privathaushalte richtet. Auflagen für Großverbraucher in der Industrie und Landwirtschaft fehlten, kritisierten Umweltverbände. Schon jetzt komme es zu Nutzungskonflikten, weiß Claudia Pahl-Wostl, Expertin für Ressourcenmanagement an der Universität Osnabrück.
Die Ressourcenmanagement- und Wasserexperten sehen gerade in der Landwirtschaft jede Menge Ansätze, um mit Wasser sorgfältiger umzugehen. Weil auf den meisten Flächen in Deutschland Futtermittel angepflanzt werden, könnte eine Reduktion des Fleischkonsums sehr viel Wasser einsparen, schlägt Pahl-Wostl vor und rechnet vor: "Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch werden circa 15.000 Liter Wasser benötigt. Das ist mehr als das 100-Fache des durchschnittlichen täglichen Wasserbedarfs von circa 125 Litern pro Person, die ein Haushalt aus der Leitung bezieht."
Wassersparen sollte im Eigeninteresse der Landwirte liegen, findet Hydrologe Jörg Dietrich. Er rät Landwirten, den Wasserbedarf bei der Auswahl der Feldfrüchte jetzt "in die Rechnung einzubeziehen". Auch das Umstellen von Arbeitsroutinen hilft: Damit weniger kostbares Wasser verdunstet, könnten Landwirte nicht tagsüber, sondern abends bewässern. Bewässerungstechniken wie die Tröpfchenbewässerung vermindern ebenfalls Verluste durch Verdunstung – in Mittelmeer-Ländern ist sie schon lange üblich. Besonders wichtig sei das Speichern und Recycling von Wasser, betont Dietrich, auch um lange Trockenperioden besser zu überstehen.
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Speichern und Recyceln
In Bayern fördert das Umweltministerium aktuell mit bis zu 40 Millionen Euro den Bau von Leitungen und Wasserspeichern. Damit soll eine grundwasserschonende und gleichzeitig von der Witterung unabhängige landwirtschaftliche Bewässerung ermöglicht werden. In trockeneren Ländern wie Zypern greifen die Maßnahmen noch tiefer: "Dort wird ein ganzer Fluss im Winter zur Versickerung – und damit Grundwasserneubildung – gebracht, damit das angereicherte Grundwasser im trockenen Sommer genutzt werden kann", erzählt Wasserexperte Thomas Riedel.
Trinkwasser sollte jedenfalls nicht für die Bewässerung verwendet werden, betont auch Umweltsystem-Wissenschaftlerin Sonia Seneviratne. Für die Toilettenspülung könnten Haushalte das Abwasser der Waschbecken wiederverwenden. Ähnlich geht das bei Großverbrauchern in der Industrie: Die Zuckerfabrik Uelzen etwa leitet Wasser nicht mehr in einen nahe gelegenen Fluss, sondern speichert es in einem Becken, von wo aus es im Folgejahr für die Bewässerung genutzt werden kann. "Das ist eine schlaue Lösung zur Optimierung regionaler Kreisläufe", findet Jörg Dietrich.
Verwendete Quellen:
- NTV: Vorher-Nachher-Bilder zeigen vertrocknendes Europa
- Global Drought Information System: The Global Drought Monitor
- Nature Communications: Hotspots for social and ecological impacts from freshwater stress and storage loss
- Umweltbundesamt: Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
© RiffReporter
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