Es soll Atombomben trotzen und die gelagerten Dokumente bis zum Jüngsten Tag sichern: der Granite Mountain Vault der Mormonen. Tief unter der Erde lagern hier in einem riesigen und geheimnisvollen Archiv Milliarden von Daten. Die sind für die weltweite Ahnenforschung von großem Interesse. Doch warum betreiben die Mormonen einen so großen Aufwand?

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Über 200 Meter tief im Granite Mountain im US-Bundesstaat Utah liegt ein riesiger Tresorraum: the Vault. Nur sehr wenige Menschen dürfen durch die 14 Tonnen schwere Stahltür treten. Dahinter verbergen sich mehrere Tunnel auf einer Fläche von mehr als 6.000 Quadratmetern. Sie beherbergen ein gigantisches Ahnenforschungs-Archiv mit über 2,4 Millionen Mikrofilmrollen.

Darauf sind mehr als drei Milliarden Namen gesichert. Besitzer der weltweit größten Anlage dieser Art ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, besser bekannt als die Mormonen.

Familiendaten erfassen ist Tradition

Die Mitglieder sammeln seit 1894 Daten von Verstorbenen weltweit. Bis 1938 in Büchern; seit der Erfindung des Mikrofilms werden Familiendaten auf Filmrollen konserviert. Dazu gehören Geburts-, Heirats- und Todesurkunden, Erbbestätigungen, Eigentumsverzeichnisse, Gerichtsprotokolle, Ergebnisse von Volkszählungen, Ein- und Auswandererlisten sowie Familien- und Stadtchroniken. Doch wie kommen die Mormonen an die Daten?

Es ist sehr aufwendig. In jedem Land gibt es Verhandlungen mit Behörden, Bibliotheken und Kirchen, an deren Ende ein Vertrag aufgesetzt wird. Speziell ausgebildete Gemeindemitglieder reisen um die Welt, um Material zu prüfen und es zu fotografieren. So hat sich über die Jahre eine Unmenge an Daten angesammelt. Weil die teils einzigartig sind, sollen sie bis in alle Ewigkeit gesichert werden. Von 1960 bis 1965 hat man deswegen das Granite Mountain Records Vault in der Nähe von Salt Lake City errichtet, dem Hauptsitz der Glaubensgemeinschaft.

Ein Bunker voller Namen von Toten

Hier stimmen die Voraussetzungen, um die Daten vor Verfall, Erdbeben oder Atombomben zu schützen. Hartes Magmagestein, konstante 13 Grad Celsius, eine Luftfeuchtigkeit von 35 Prozent und spezielle Filteranlagen sorgen dafür, dass die Mikrofilme bis zu 200 Jahre halten sollen. In sechs Archivkammern lagern Aufzeichnungen von Menschen aus über 100 Ländern in mehr als 170 Sprachen.

Im Büro- und Laborbereich der Anlage arbeiten circa 60 Angestellte. Sie archivieren Mikrofilme und erstellen außerdem Duplikate, die sie in alle Welt verschicken. Seit Anbruch des digitalen Zeitalters konvertieren sie die angesammelten Mikrofilme mit Spezialscannern und machen sie seit 1999 digital übers Internet zugänglich. Über die Webseite FamilySearch.org kann sie jeder abrufen. Aber wieso horten die Mormonen so viele Daten über Verstorbene?

Um Tote kümmern als höchstes Gebot

Weltweit besteht ein großes Interesse an Ahnenforschung. Hobbywissenschaftler erstellen Stammbäume ihrer eigenen Familien. Auf der anderen Seite ist es ein lukratives Geschäft – für kommerzielle Plattformen wie ancestry.de und dem Original aus Israel: MyHeritage.com. Das Forum der Mormonen, FamilySearch, ist allerdings ein kostenloser Service.

Bei den Heiligen der Letzten Tage spielte Ahnenforschung von Anfang an eine große Rolle. Ihr Gründer, Joseph Smith, hat seine Anhänger einst dazu aufgerufen, alle namentlich bekannten Menschen, die jemals auf der Erde gelebt haben, zu taufen. Er schrieb: "Es ist die größte Aufgabe, die uns Gott in dieser Welt aufgetragen hat, sich um unsere Toten zu kümmern". Nur so könnten die Mormonen (wieder-)vereint im Himmelreich regieren.

Taufen, taufen, taufen

In ihren Tempeln ist deshalb das Taufbecken ein zentraler Ort. Denn die Erlösung durch Gott und der Eintritt ins Himmelreich ist laut ihrem Glauben nur für Getaufte möglich. Wer sich als Ehepaar im Tempel der Mormonen "siegeln" lässt, ist auf alle Ewigkeit vereint. Alle anderen und schon toten Seelen haben jedoch kein Pech, sondern ebenfalls eine Chance. Dafür gibt es bei den Heiligen der Letzten Tage die Stellvertretertaufe.

Das heißt, Mitglieder können sich stellvertretend für ihre Ahnen taufen lassen. Für einen sicheren Zusammenhalt im Jenseits empfehlen Mormonen-Anführer ein nachträgliches Taufen bis zu vier Generationen rückwärts. Nach jeder Taufe werden die Namenslisten im Bergarchiv angepasst: Winzige Zahlen und Häkchen weisen darauf hin, welcher Vorfahre bereits stellvertretend getauft worden und damit ebenfalls ein Mormone ist. So wächst die Gemeinde der Kirche Jesu Christi ständig um passive Mitglieder.

In den vergangenen Jahren hat es die Glaubensgemeinschaft aus Salt Lake City jedoch mit posthumen Taufzeremonien übertrieben. Einige Mitglieder wollten nicht nur die eigenen Vorfahren retten, sondern haben auch "fremde" Tote stellvertretend getauft. 1995 waren darunter 380.000 jüdische Holocaust-Opfer. Juden weltweit haben darauf empört reagiert und sichergestellt, dass die Taufen rückgängig gemacht werden. Kein Wunder, dass sich der Vatikan den Mormonen verweigert und keine Daten an sie herausgibt.

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