1.750 Menschen starben in Kamerun im August 1986 urplötzlich, von einer Sekunde auf die andere. Schuld war der Nyos-See, der ein tödliches Geheimnis barg. Das ist zwar inzwischen gelüftet, die Gefahr ist aber nicht gebannt.

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Der Nyos-See in Kamerun bietet einen wunderschönen Anblick: Er liegt auf einer Höhe von 100 Metern inmitten des Oku-Gebirges und ist fast kreisrund. Doch der 200 Meter tiefe Kratersee in Zentralafrika birgt ein tödliches Geheimnis.

Die Menschen in der Gegend erzählten sich das seit Jahrhunderten, aber Wissenschaftler nahmen die Geschichten nicht ernst - bis 1986. Denn dann passierte ein furchtbares Unglück, bei dem 1.750 Menschen und 2.000 Schafe, Rinder und Ziegen plötzlich und ohne jede Vorwarnung starben.

Gerade unterhielten sie sich noch oder bereiteten Essen zu, dann atmeten sie nicht mehr. Die Vögel fielen von den Bäumen, nicht einmal Fliegen saßen auf den Leichen, denn auch die Insekten waren gestorben. Der Nyos-See gilt seither als Killer-See.

Ein Blubbern und Brummen auf dem See

Tage vor der Katastrophe hatten Bauern ein merkwürdiges Blubbern an der Oberfläche des Sees bemerkt. Kurz bevor das Gas austrat, soll ein ungewöhnliches Brummen zu hören gewesen sein. Dann war plötzlich eine riesige Wasserfontäne zu sehen, zusammen mit einer weißen Wolke.

Aber niemand konnte ahnen, was das bedeutete. Denn nur Minuten später starben die Menschen in der Region, ganze Dörfer wurden ausgelöscht. 4.000 Bewohner überlebten die grausige Katastrophe zwar. Viele waren aber lange bewusstlos, manche erwachten erst Tage später.

Nach der Katastrophe wurden die Dörfer evakuiert, die Menschen leben heute in sicherer Entfernung zum See.

Szenario wie ein Giftgasangriff

Zunächst wusste aber niemand, was den plötzlichen Tod gebracht hatte. Es war in der ganzen Gegend totenstill, kein Vogel zwitscherte, kein Hund bellte. Das Szenario erinnerte an einen Giftgasangriff.

Schnell verbreiteten sich Gerüchte und Spekulationen. Überlebende glaubten an den Fluch eines Stammesführers. Der hatte drei Jahre zuvor kurz vor seinem Tod von seiner Familie verlangt, sein bestes Rind für den See zu opfern.

Doch die Angehörigen hielten sich nicht daran. Der Mann habe deshalb voller Wut die Gegend verflucht, so die Theorie. Andere dachten, dass die USA in Kamerun eine Neutronenbombe oder ein neuartiges Giftgas getestet hatten.

Schwindel und kein Gefühl in Armen und Beinen

Wissenschaftler fanden allerdings heraus, dass kein Fluch für den Tod der 1.700 Menschen verantwortlich war: Überlebende hatten berichtet, dass ihnen schwindelig geworden war, bevor sie in Ohnmacht fielen. Viele spürten ihre Arme und Beine nicht mehr. Was war also am 21. August 1986 geschehen?

1,6 Millionen Tonnen hochkonzentriertes Kohlendioxid waren aus der Tiefe des Sees unvermittelt an die Oberfläche gelangt. Von dort aus kroch das CO2 rasend schnell in die Täler, bis zu zehn Kilometer weit - lautlos und tödlich. Das Gas ist schwerer als Luft und verflüchtigt sich darum nicht. Befindet sich zu viel davon in der Atemluft, werden Menschen und Tiere bewusstlos, dann sterben sie.

Doch woher kam das Kohlenstoffdioxid so plötzlich? Physiker lösten das Rätsel: Das Wasser an der Oberfläche des Nyos ist warm und damit leicht. In der Tiefe dagegen bleibt das Wasser kälter und schwerer. Das hält das CO2 unten, die schweren Wassermassen wirken wie der Korken einer Flasche.

Normalerweise könnte das CO2 in kleineren Mengen von selbst entweichen, wenn sich die Oberfläche des Sees abkühlen würde. Doch in Kamerun gibt es keine kalte Jahreszeit. Das CO2 sammelte sich über Jahrhunderte an, offenbar entweicht es aus dem Vulkangestein auf dem Grund.

Gasgemisch gelangt explosionsartig nach oben

Im Unglücksjahr 1986 muss etwas passiert sein, was enormen Druck verursachte und die Wasserschichten durcheinanderwirbelte. Das Gasgemisch konnte explosionsartig nach oben entweichen - wie Sekt, wenn der Korken aus der Flasche gezogen wird.

Was genau die Katastrophe auslöste, ist aber unklar: Es könnte ein unterirdisches Erdbeben oder auch ein Erdrutsch gewesen sein. Die Wissenschaftler schlugen Alarm: Ein solches Drama konnte sich jederzeit wiederholen, denn der See speicherte auf seinem Grund weiter große Mengen an CO2. 2001 war es die doppelte Menge an Kohlendioxid, die 1986 zur Katastrophe geführt hatte.

Doch sie fanden eine Lösung: Seit 2001 wurden drei Rohre im See installiert, aus dem das CO2 aus der Tiefe in geringen Mengen austritt. So entstanden künstliche Geysire, die den See langsam entgasen.

Aber der See könnte eine noch viel größere Katastrophe über die Gegend bringen: Ein natürlicher Damm im Norden des Sees droht in den nächsten Jahren einzustürzen.

Das Vulkangestein wird immer brüchiger. Dann könnten die Wassermassen des Sees ein bis zu 60 Kilometer großes Gebiet überschwemmen und Abertausende Menschen töten.

Und auch an anderen Seen Afrikas könnte ein ähnliches Desaster geschehen wie 1986 am Nyos-See. Nur zwei Jahre vorher war ein Gasgemisch an einem See in der Nähe entwichen. Am Lake Monoun starben 37 Menschen.

Und der Kiwu-See an der Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo ist 2.000-mal größer als der Nyos-See - und er enthält etwa tausendmal so viel Kohlendioxid.

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