Im Zweiten Weltkrieg forschten sowohl die Nazis als auch die Alliierten fieberhaft an der Entwicklung einer Atombombe. Die befreundeten Physiker Werner Heisenberg und Niels Bohr waren daran beteiligt, standen aber auf verschiedenen Seiten. Trotzdem kam es zu einem Treffen unter vier Augen. Was dabei besprochen wurde, ist bis heute ein Rätsel - hatte aber gravierende Auswirkungen.

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Eine Atombombe hätte im Zweiten Weltkrieg den weiteren Verlauf der Welt drastisch verändern können. Welche Seite die tödlichste aller Waffen zuerst eingesetzt hätte, hätte den Krieg sicher gewonnen.

Die Entwicklung einer solchen Bombe war ein gewaltiges Unterfangen - und es war lange keineswegs sicher, dass es gelingen würde. Also forschten sowohl die Deutschen als auch die Alliierten bei einem mörderischen Wettlauf fieberhaft.

Im Mittelpunkt standen die Wissenschaftler, vor allem die Physiker. Sie mussten sich entscheiden, für welche Seite sie arbeiteten, für Hitlers Deutschland oder für die Amerikaner und Briten. Zu diesen gehörten auch die weltberühmten Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg, der am 5. Dezember 114 Jahre alt geworden wäre, und Niels Bohr.

Der eine arbeitete für die Nazis, der andere war ein erbitterter Gegner von Hitler und trieb später das US-Atomwaffenprogramm voran. Dennoch trafen sich die Männer, mitten im Krieg 1941. Was genau die beiden Freunde besprachen, bleibt bis heute ein Rätsel. Aber ihr Gespräch hatten Folgen.

Heisenberg forschte zur Atombombe

Werner Heisenberg war nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland geblieben - im Gegensatz zu anderen Physikern wie Albert Einstein oder Erwin Schrödinger. Zwar hielt er sich offenbar aus der Politik heraus, arbeitete aber für die Nationalsozialisten.

Diese zwangen ihn und andere Physiker, ab 1940 beim "Uranprojekt" zur Nutzung der Kernspaltung zu forschen. Heisenberg war der Leiter, und das Ziel war klar: die Entwicklung einer Atombombe.

Doch die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass der Bau zu aufwendig sei, erst recht mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Das teilte die Gruppe 1942 Albert Speer mit, Hitlers Rüstungsminister. Mindestens drei bis fünf Jahre würden sie für den Bau einer Bombe brauchen - das dauerte zu lange. Die Physiker forschten danach an einem Reaktor.

Anders war die Lage in den USA. Als die Amerikaner erfuhren, dass die Nazis sich mit einer möglichen Uranbombe beschäftigten, wurden sie aufgeschreckt. Einer derjenigen, der die Information in den USA streute, war Niels Bohr - nach seinem Treffen mit Heisenberg.

Bohr und Heisenberg kannten sich seit 1922 gut. Heisenberg war ein Schüler Bohrs gewesen. Beide beschäftigten sich mit Atomphysik, beide waren Nobelpreisträger. Der 39-jährige deutsche Physiker reiste im September 1941 in das seit einem Jahr von den Nazis besetzte Kopenhagen. Dort lebte der 55-jährige Bohr. Er war als Sohn einer Jüdin schon lange ein überzeugter Nazi-Gegner und im dänischen Widerstand aktiv.

Was besprachen Bohr und Heisenberg genau?

Die beiden trafen sich mehrfach. Irgendwann bat Heisenberg Bohr um ein Gespräch unter vier Augen. Was genau besprochen wurde, ist bis heute nicht geklärt - und gehört zu den größten Rätseln der Wissenschaftsgeschichte. Unzählige Bücher und sogar ein Theaterstück beschäftigen sich mit dem Treffen. Es gibt unzählige Spekulationen.

Heisenberg behauptete später, er habe Bohr und damit den Alliierten mitteilen wollen, dass die Deutschen die Arbeit an der Atombombe vorerst aufgegeben hätten. Der Däne aber verstand seinen ehemaligen Schüler ganz anders: Er entnahm dem Gespräch, dass die Nationalsozialisten aktiv eine Bombe entwickelten, mit Heisenbergs Hilfe - und brach das Gespräch entsetzt ab.

Bohr war bis dahin überzeugt gewesen, dass der Bau einer Bombe noch nicht möglich sei. Er hatte zuvor immer wieder gesagt, er halte jede praktische Anwendung der Kernenergie für völlig ausgeschlossen. Und nun erfuhr er, der erbitterte Hitler-Gegner, dass die Nazis auf einem erfolgreichen Weg waren.

Doch was steckte wirklich hinter dem Treffen? Wollte Heisenberg Bohr aushorchen? Oder gar für die deutsche Seite anwerben? Heisenberg sagte nach dem Krieg auch, er habe mit Bohr eine Vereinbarung treffen wollen, dass sowohl die Nazis als auch die Alliierten auf den Einsatz der Atombombe verzichten sollten.

Ein enger Mitarbeiter des Deutschen erklärte später, dieser habe das Atomprojekt nie ernsthaft verfolgt. Heisenberg soll allerdings in Kopenhagen immer wieder getönt haben, der Krieg sei nur mit Hilfe der Uranbombe zu gewinnen - und die würden die Deutschen bauen.

Andererseits erzählte er einem anderen Physiker wenige Minuten nach dem Gespräch mit Bohr, dieser habe einfach nicht richtig zuhören wollen. Ging es womöglich bei der Unterhaltung gar nicht um eine Waffe, sondern um den Reaktor, den die deutschen Physiker bauen wollten?

War alles nur ein Missverständnis?

Die beiden Männer erinnerten sich nicht einmal übereinstimmend, wo sie sich unterhalten haben. Heisenberg erklärte, sie hätten sich nach einem Essen bei Bohr zu Hause bei einem Spaziergang unterhalten. Bohr sagte, das Gespräch habe in seinem Büro stattgefunden.

Heisenberg meinte nach dem Krieg, er habe naiv gehandelt und alles habe sich nur um ein Missverständnis gehandelt. Bohr dagegen soll noch Jahre danach wütende Briefe an Heisenberg geschrieben, sie aber nie abgeschickt haben.

Öffentlich geäußert hat er sich bis zu seinem Tod 1962 zu dem Treffen nie. Heisenberg setzte sich bis zu seinem Tod 1976 auch in der Bundesrepublik für den Bau von Reaktoren ein, lehnte aber eine militärische Nutzung von Kernkraft vehement ab.

Sicher ist: Das bis dahin gute Verhältnis der beiden Physiker kühlte ab. Ganz abgebrochen haben sie ihren Kontakt aber nie, wie später veröffentlichte Notizen des Dänen zeigen.

Bohr erzählte den Amerikanern von den deutschen Plänen

Doch das Gespräch hatte weitreichende Folgen: Kurz danach flüchtete Bohr zuerst nach Schweden und von dort aus in die USA. Er erzählte amerikanischen Wissenschaftlern von dem Treffen - und setzte sich offenbar für die Entwicklung der Atombombe in den USA ein.

Gerüchten zufolge soll er sogar eine Skizze dabei gehabt haben, auf der Heisenberg - je nach Quelle - Informationen zum Reaktor oder der Uranwaffe hinterlassen hatte.
US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte schon 1939 einen warnenden Brief von Albert Einstein bekommen, der von der Forschung der Deutschen berichtete. Im Dezember 1938 war dem Chemiker Otto Hahn in Berlin die erste Kernspaltung gelungen. Das war die Voraussetzung für die Nutzung der Kernenergie und der Herstellung von Atomwaffen.
Unter dem Decknamen Manhattan-Projekt forschten die Amerikaner deshalb ab 1941 an der Bombe. Der Physiker Robert Oppenheimer und seine Mitarbeiter entwickelten und bauten sie bis 1945. Auch Niels Bohr unterstützte die Arbeit - in welchem Umfang, ist umstritten. Eigentlich sollte die Bombe über Nazi-Deutschland abgeworfen werden und damit den Krieg beenden. Doch als sie einsatzfähig war, hatten die deutsche Wehrmacht schon kapituliert.

Das Manhattan-Projekt führte schließlich zu den Bombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 - mit furchtbaren Folgen und mehr als 300.000 Toten und unzähligen Strahlenopfern.

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