Die Garamanten waren eine faszinierende Hochkultur in Libyen, von der heute kaum noch jemand etwas weiß. Dabei war das Volk unermesslich reich, entwickelte ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem und bot den Römern die Stirn.
Die Garamanten schafften etwas, was unglaublich klingt: Sie machten eine der trockensten Wüsten der Welt fruchtbar. Sie waren ein kultiviertes Berber-Volk im Fessan-Gebiet im heutigen Libyen, das seine Blütezeit zwischen 500 vor und 700 nach Christus erlebte.
Die Fürsten der Sahara errichteten gigantische Bauwerke im Sand und boten den Römern die Stirn. Ihre Hauptstadt Garama war sagenumwoben und prächtig, ihre Herrscher besaßen unermessliche Reichtümer.
Archäologen fanden die Überreste von 100.000 Gräbern. Das spricht für eine für die damalige Zeit unglaublich hohe Bevölkerungsdichte - und das mitten in der Wüste.
Hunderte Jahre kontrollierten die Garamanten den Handel in dem 550.000 Quadratkilometer großen Gebiet im Zentrum der Sahara – und brachten Gebiete zum Blühen, die heute nur aus Sand bestehen. Dennoch geriet die Hochkultur in Vergessenheit. Und noch heute gibt es viele Rätsel rund um ihr versunkenes, geheimnisvolles Reich.
Denn nach dem Jahr 700 gibt es plötzlich keine Aufzeichnungen mehr über das Wüstenvolk, die Städte gingen unter. Heute sind nur noch wenige Ruinen, Felszeichnungen und Friedhöfe erhalten – und erst in den letzten Jahren können sich Archäologen der Geschichte der geheimnisvollen Wüstenbewohner widmen.
Woher die Garamanten kamen, ist bis heute unter Historikern umstritten. Entwickelten sie sich aus ortsansässigen Hirtenvölker, oder wanderten sie aus anderen Gebieten ein?
Hochkultur statt "Barbaren"
Die Errungenschaften der Garamanten lassen sich nach Meinung von Historikern mit denen der alten Griechen vergleichen, und doch ist wenig über sie bekannt. Das meiste, was sie wissen, stammt aus den Federn römischer Chronisten.
Immer wieder gab es militärische Konflikte zwischen den römischen Herrschern und den Garamanten, Gefangene aus der Wüste wurden mitunter den Löwen in römischen Arenen zum Fraß vorgeworfen. Andererseits waren die Völker wichtige Handelspartner.
Die Geschichtsschreiber der Römer versuchten, die hochzivilisierte Gemeinschaft als bloße "Barbaren" darzustellen – und taten ihnen so mehr als unrecht.
Aber auch die Griechen beschäftigten sich mit den Garamanten. Den Geschichtsschreiber Herodot faszinierten sie: Er notierte im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, wie mächtig das tief in der Wüste lebende "Barbarenvolk" sei.
Sie hatten charismatische Könige und starke Krieger und waren ein überlegenes Handelsvolk. Für ihre Karawanen errichteten sie befestigte Stützpunkte mit Wachtürmen und Zitadellen im Sand. Sie transportieren Waren zwischen der Mittelmeerküste und dem Tschadsee. Sie handelten unter anderem mit Salzen, Edelsteinen und Elfenbein, womöglich auch mit Sklaven.
Das ausgefeilte Bewässerungssystem im Sand
Sie nutzten ausgefeilte Techniken, um das unwirtliche Sandmeer im Fessan in blühende Wiesen und Felder zu verwandeln. So streuten sie laut Herodot Erde auf die trockenen Salzseen. Und sie entwickelten ein kluges Bewässerungssystem: Über ein mehr als 1.000 Kilometer umfassendes Kanalsystem namens "Foggara" wurde Wasser aus unterirdischen Reservoirs geleitet.
Über 1.000 Wartungsschächte reichten teilweise bis zu 40 Meter tief in die Erde, es gab insgesamt 600 Kanäle in die Wüste hinein. So schafften es die Garamanten, Weizen, Gerste, Feigen, Trauben, Hirse und Palmen im Sandgebiet wachsen zu lassen, aber auch Baumwolle, die besonders viel Wasser braucht.
Um das gewaltige Bewässerungssystem zu bauen und zu warten, brauchten die Garamanten Tausende Arbeitskräfte – und sie "nutzten" vor allem Sklaven. Herodot notierte, dass sie dazu Streitwagen erfanden, vor die vier Pferde gespannt waren und mit denen sie Äthiopier jagten.
Die Garamanten waren nicht nur Händler und Ackerbauern, sie züchteten zudem Pferde und Rinder. Und sie verwendeten eine eigene Schrift: In ihren ehemaligen Siedlungsgebieten sind neben Zeichnungen von Tieren und Streitwagen auch Schriftzeichen zu sehen. Die verwendete Schrift wird heute noch von Berbern und Tuareg benutzt.
Steinhäuser und Tempel tief in der Wüste
Die Hauptstadt der Garamanten, Garama, befand sich im Süden Libyens, im heutigen Wadi al-Haja. Sie umfasste ein Gebiet von mehr als 20 Hektar und war umgeben von Mauern und Gräben. 10.000 Menschen lebten dort und im unmittelbaren Umkreis.
Eine weitere Besonderheit: Schon vor mehr als 2.500 Jahren errichtete das Volk Steinhäuser und prächtige Bauwerke, zum Beispiel einen Markt, Bäder und ein befestigtes Militärlager. Im Zentrum stand ein großer Tempel mit breiter Steintreppe und Säulenfront für den Wüstengott Ammon.
Eine weitere Metropole neben Garama war Zinchecra, die frühere Hauptstadt. Insgesamt soll es acht große Garamanten-Städte gegeben haben und dazu viele kleinere Siedlungen.
Obwohl die Garamanten andere Menschen versklavten, war ihre eigene Kultur offenbar weniger von Hierarchien geprägt. Ein Indiz dafür sind die entdeckten Friedhöfe: Es wurden offenbar Männer, Frauen und Kinder aller Stände begraben. Beigaben und Tieropfer sprechen für Wohlstand in der Bevölkerung.
Das Wasser versiegte – und damit der Wohlstand
Doch um das Jahr 500 begann der Niedergang der Hochkultur. Aber warum? Nach Meinung vieler Archäologen versiegte das Wasser, das sich innerhalb von Millionen Jahren in den unterirdischen Reservoirs angesammelt hatte.
Die Garamanten hatten unglaubliche Mengen davon verwendet, um ihren Reichtum zu begründen. Aber weil es in der Wüste nicht regnet, wurden die Sammelbecken nicht wieder aufgefüllt.
Nach Ansicht anderer Historiker gibt es weitere Gründe für den Untergang: Mit dem Verfall des Römischen Reiches ging der wichtige Handelspartner verloren. Endgültig untergegangen ist das Volk aber erst im siebten Jahrhundert, als die Araber die Region eroberten und den letzten Herrscher absetzten.
Die Garamanten verschwanden damit aus der antiken Geschichtsschreibung.
Hunderte Jahre lang war das einst so mächtige Wüstenvolk fast völlig vergessen. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten ein deutscher und ein französischer Archäologe einige Ruinen im Sand.
Doch auch der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi, seit 1969 an der Macht, unterdrückte das Wissen um die Hochkultur. Erst seit seinem Tod 2011 können sich Wissenschaftler wieder auf ihre Spuren begeben. Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen wurden seitdem Ruinen, Überreste oder Spuren versunkener garamantischer Städte sichtbar – bis dahin verborgen unter dem Wüstensand.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.