In Deutschland entsteht ein Großteil des Mikroplastiks im Straßenverkehr. Forscher berechnen, dass der Wind riesige Mengen solcher Partikel in die Ozeane und die Arktis weht - mit Folgen auch fürs Klima.
Mikroplastik ist überall: Es findet sich in den Ozeanen, in der Luft und im Boden. Als Ursachen werden oft Waschmittel, Kosmetikartikel oder Textilien aus Kunstfasern genannt.
Ein großer Teil der Partikel entsteht jedoch auch durch den Reifen- und Bremsenabrieb im Straßenverkehr. Die Partikel verteilen sich über die Atmosphäre rund um den Globus – und könnten etwa in der Arktis die Schmelze von Schnee- und Eismassen vorantreiben.
Davor warnt ein internationales Forscherteam, das den Transport der Plastikteilchen mit dem Wind berechnet hat. Demnach landen auf diesem Weg jährlich 48.000 Tonnen solcher Partikel in der Arktis und 140.000 Tonnen in den Weltmeeren.
Autoreifen und Bremsen verursachen großen Teil des Mikroplastiks
Als Mikroplastik gelten laut Umweltbundesamt Plastikpartikel einer Größe bis fünf Millimeter. Allein in Deutschland werden nach einer Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik von 2018 jährlich insgesamt rund 446.000 Tonnen Kunststoff in die Umwelt eingebracht, davon 330.000 Tonnen Mikroplastik. Mit einem Drittel entsteht der größte Teil davon durch den Abrieb von Autoreifen und Bremsen.
Der Atmosphärenforscher Nikolaos Evangeliou vom Norwegischen Institut für Luftforschung (NILU) hat nun gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Wien und des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) analysiert, wie sich die Plastikpartikel aus Reifen- und Bremsabrieb über die Atmosphäre verteilen. Ihnen zufolge stammt der Hauptanteil dieses Mikroplastiks aus den dicht besiedelten Regionen Nordamerikas, Europas und Südostasiens.
Wie die Forscher im Fachblatt "Nature Communications" berichten, setzen sich die größeren Teilchen vornehmlich in der Nähe dieser Emissionsregionen ab. Partikel unter 2,5 Mikrometern Größe können sich den Modellrechnungen zufolge allerdings beinahe global verteilen.
Mikroplastik im empfindlichen Ökosystem der Arktis besonders gefährlich
So schätzen die Wissenschaftler, dass pro Jahr etwa 140.000 Tonnen Mikroplastik aus dem Straßenverkehr über die Atmosphäre in die Ozeane transportiert werden. "Viele wissen bereits, dass Flüsse große Mengen Mikroplastik in die Ozeane bringen", wird Erstautor Evangeliou in einer Mitteilung seines Instituts zitiert. "In dieser Studie haben wir nun festgestellt, dass eine ähnliche Menge solcher Partikel über atmosphärischen Transport in die Weltmeere gelangt."
Daneben landen den Modellierungen zufolge jährlich auch 48.000 Tonnen Mikroplastik auf schnee- und eisbedeckten Oberflächen. "Speziell der Transport in die Arktis ist bedenklich, weil dort das Ökosystem sehr empfindlich ist und ohnehin bereits durch Klimawandel und andere Gifte belastet wird", erläutert Ko-Autor Andreas Stohl von der Universität Wien: "Da stellt Mikroplastik eine weitere, bisher kaum einschätzbare Gefahr dar."
Dunkle Plastikteilchen beeinträchtigen möglicherweise Eisschmelze
Konkret könnte die Ablagerung relativ dunkler Plastikteilchen die Albedo beeinträchtigen - also die Rückstrahlfähigkeit von Schnee und Eis. Eine niedrigere Albedo führt zu einem verstärkten Schmelzen, und die schrumpfenden weißen Oberflächen haben noch weniger Rückstrahlfähigkeit: ein Teufelskreis und ein Effekt, der schon durch die Ablagerung von Ruß in der Arktis bekannt ist. In der Folge könnte Mikroplastik in diesen Regionen die weitere Klimaerwärmung verstärken.
"In dieser Studie zeigen wir, dass Transport von Mikroplastik durch die Atmosphäre eine große Bedeutung hat", fasst Koautor Stohl die Resultate zusammen. "Bisherige Studien haben sich vor allem auf den Transport über Flüsse in den Ozean konzentriert. Der Transport in der Atmosphäre ist jedoch ähnlich wichtig – vielleicht sogar noch wichtiger." © dpa
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