Es klingt wie ein Hollywood-Szenario, und ist doch von erschreckender Aktualität: eine neue wissenschaftliche Studie zeigt, dass der Golfstrom langsamer wird. Den Forschern zufolge ist dafür der Klimawandel verantwortlich. Die Folgen könnten weitreichend sein.
Der Katastrophenfilm "The Day After Tomorrow" von Roland Emmerich entwarf 2004 folgendes Schreckensszenario: Durch das Versiegen des Golfstroms bricht eine neue Eiszeit über die nördliche Hemisphäre herein.
Die Freiheitsstatue, die erst von Fluten umspült und dann schockgefrostet inmitten einer apokalyptischen Landschaft aufragt, war als Bild zwar eindrucksvoll - doch, so der allgemeine vorherrschende Tenor, reine Fiktion.
Die These, dass der Golfstrom in Folge des Klimawandels tatsächlich zusammenbrechen könnte, galt als wissenschaftlich widerlegt. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass er zumindest gebremst wird. Aber was wären die Folgen, wenn der Golfstrom tatsächlich versiegen würde.
Die Warmwasserheizung Europas
Der Golfstrom gilt als die Warmwasserheizung Europas. Dank des Nordatlantikarms des Golfstroms gelangt warmes Klima von den Tropen in den Nordatlantik.
Dort gibt es Wärme ab, wird kälter, fällt in Richtung Meeresboden, zirkuliert zurück in die Tropen, wird wieder wärmer und fließt erneut in den Nordatlantik.
So trägt der Golfstrom dazu bei, dass in Nordeuropa und in Teilen Nordamerikas ein gemäßigtes Klima herrscht.
Eine alarmierende Studie
Im Jahr 2016 sorgte eine Studie der Yale University Aufsehen. Die Forscher hatten anhand von Modellen berechnet, dass der Golfstrom in Folge des Klimawandels kollabieren könnte.
Das System könnte laut der Yale-Studie zum Erliegen kommen, wenn die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre drastisch ansteigt. Dann, so die Folgerung, wäre die Luft im Nordatlantik so erhitzt, dass sich das Wasser des Golfstroms nicht mehr abkühlen kann.
Folglich würde es auch nicht in die Tiefe sinken und nicht zurück in die Tropen gelangen. In 300 Jahren, so die Prognose der Studie, könnte es theoretisch soweit sein. Dass es in Folge des Klimawandels letztlich deutlich kälter werden könnte, überrascht. Doch wie schätzen Experten die Studie ein?
Laut Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut für Meteorologie ist es fraglich, wie wahrscheinlich ein Zusammenbruch des Golfstroms ist, da das Experiment, das der Studie zugrunde liegt, von einer plötzlichen Verdoppelung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre ausgeht.
In Wirklichkeit, so Johann Jungclaus, erwarten wir einen langsamen weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen.
"Die von Liu angenommene CO2 Verdoppelung ist unrealistisch und eher als akademisches Experiment zu sehen", so seine Folgerung.
Würde sich unser Leben durch den Zusammenbruch des Golfstroms drastisch ändern?
Laut der Studie der Yale Universität würde es in Nordeuropa und in Kanada in der Folge eines Zusammenbruchs des Golfstroms deutlich kühler werden. Außerdem würde es mehr Meereis in Grönland, Island und Norwegen geben. Würde sich unser Leben also drastisch ändern?
Ja, so Johann Jungclaus, viele Studien zeigten den Effekt einer zusammenbrechenden Zirkulation. "Auswirkungen fokussieren dabei auf den Nordatlantischen Raum und man kann die Auswirkungen auf Tier- Umwelt und Gesellschaft in Kenngrößen wie Länge der Wachstumsperiode oder der Anzahl der Frosttage ablesen."
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schreibt auf seiner Webseite, dass eine Störung des Golfstroms das Ökosystem des Ozeans zum Kippen bringen würde.
Das hätte auch Auswirkungen auf die Fischerei und somit auf die Lebensgrundlagen vieler Menschen an den Küsten. Durch eine Abschwächung des Golfstroms könnte der Meeresspiegel in Städten wie New York und Boston ansteigen.
Eine neue Eiszeit, wie etwa in "The Day After Tomorrow" prognostiziert, bleibe aber wirklichkeitsfern.
Bricht eine neue Eiszeit an?
Auch Johann Jungclaus glaubt nicht, dass eine Abschwächung des Golfstroms zu einer neuen Eiszeit führen würde. "Die Abkühlung über dem Atlantik würde konkurrieren mit der Erwärmung durch die Treibhausgase.
Ein eher realistisches Szenario scheint mir eine 'nicht-Erwärmung' über Nordamerika und Europa in einer sich ansonsten stark erwärmenden Welt zu sein."
Da die Stärke des Golfstroms von Jahr zu Jahr stark schwankt, sei es laut dem Experten aus den Beobachtungsdaten schwer abzulesen, ob es sich um Schwankungen oder um den Beginn eines Zusammenbruchs handele.
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