Fruchtfliegen reagieren auf Stress ähnlich wie wir Menschen. Forscher konnten bei den Tieren nach anhaltendem Stress depressive Zustände nachweisen. Durch Antidepressiva ließen sich die Symtome lindern. Durch Zufall stieß man allerdings noch auf eine Alternative: Zucker.
Was beim Menschen schon bekannt war, konnten Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) jetzt auch bei Fruchtfliegen nachweisen.
Laut der Studie, die im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht wurde, zeigten die Tiere bei hoher Stressbelastung Symptome einer Depression.
Das Forscherteam um den Neurobiologen Professor Dr. Roland Strauss traktierte die Fliegen mehrere Tage mit Vibrationen von 300 Hertz. Im Verlauf von nur drei Stresstagen, konnten deutliche Verhaltensveränderungen festgestellt werden.
Demnach nahm die Bereitschaft eine kleine Lücke zu überwinden von 50 auf 30 Prozent ab. Auch die Laufaktivität und das Balzverhalten gingen spürbar zurück. Hierfür fehlte offenbar die Motivation.
Körperliche Beeinträchtigungen durch die Prozedur schließen die Forscher aus. Das Fluchtverhalten blieb nämlich unverändert.
Wie beim Menschen auch, konnten die Wissenschaftler die Symptome - wenig überraschend - mit Antidepressiva bekämpfen. Durch das darin enthaltende Lithium kann der mit Depressionen einhergehende Serotoninmangel behoben werden.
Die Substanz wird seit rund 50 Jahren bei Patienten mit bipolaren Störungen oder Depression erfolgreich eingesetzt. Die genaue Wirkung ist laut JGU allerdings unbekannt.
Zugabe von Zucker erzielt sogar präventive Wirkung
Das Medikament führte aber nicht nur zur Erholung, sondern auch zu manischem Kletterverhalten. "Daher ist anzunehmen, dass sowohl beim Menschen als auch bei gestressten Fliegen biochemische Signalwege, die evolutionsgeschichtlich seit alters her erhalten sind, eine Rolle spielen“, teilt Roland Strauss dazu mit.
Dies eröffne neue Türen zur Erforschung der Funktionsweise des Medikaments.
Erstaunen löste allerdings die Fütterung von Zucker aus. Sie erzielte fast denselben Effekt wie das Lithium. Die Forscher beobachteten bei regelmäßiger Gabe von Zucker sogar eine präventive Wirkung.
Nun hoffen sie, dass aufbauend auf den neuen Erkenntnissen künftig Strategien entwickelt werden können, um die Widerstandsfähigkeit gegen Stress und depressive Erkrankungen zu stärken.
Dabei war dies nur ein Zufallstreffer. Die Wissenschaftler verabreichten neben dem Lithium auch einen Serotoninvorläufer, der zunächst mit zuckerhaltiger, blauer Lebensmittelfarbe markiert wurde.
Die Aktivierung bestimmter Gehirnareale (Alpha-Lobus), zum Beispiel durch Zucker, fördert das Kletterverhalten der Fliegen, während eine Aktivierung anderer Areale (Gamma-Lobus) die Klettertätigkeit hemmt. Ist der Gamma-Lobus komplett zerstört, kann auch keine Depression mehr ausgelöst werden.
"Das Serotoninsystem hält die Tiere in der Balance. Ein bisschen Stress ist gesund und fördert die Aktivität, zu viel Stress dagegen verursacht Depressionen und Antriebslosigkeit", fasst Strauss zusammen.
Auf Basis der Ergebnisse wollen die Mainzer Neurobiologen nun untersuchen, wie es genau zur Akkumulation von Stress als Auslöser von Erkrankungen kommt.
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