Eine Untersuchung aus den Niederlanden kommt zu einem bedrückenden Ergebnis: Die Verschwendung von Lebensmitteln in Europa könnte doppelt so hoch sein wie bisher gedacht.

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Wer "containert" - also Essen aus Abfallcontainern von Supermärkten fischt -, kann sich strafbar machen. Weil sich krummes Gemüse schlecht verkauft, wird es frisch geerntet aussortiert und teils direkt weggeworfen. Doch viele noch genießbare Lebensmittel landen an ganz anderer Stelle im Müll: bei jedem von uns zu Hause.

220 Kilogramm Essen schmeißen wir pro Kopf und Jahr weg. Das entspricht einer kompletten Mahlzeit am Tag. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Wageningen in Den Haag.

Die Schätzung der Forscherinnen liegt dabei deutlich über denen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO): Sie geht nur von halb so hohen Durchschnittszahlen für Europa aus.

Wie kommen die unterschiedlichen Zahlen zustande?

Die Ergebnisse der niederländischen Wissenschaftlerinnen legen nahe, dass nicht nur auf grob 15 Prozent, sondern sogar auf 30 Prozent der Felder weltweit Lebensmittel angebaut werden, die niemand isst.

Allerdings hat das Team rund um Monika Verma eine andere Zahlenbasis für seine Studie genutzt. Die FAO vergleicht Massebilanzen miteinander, in der Europäischen Union ist es hingegen üblich, Abfalldaten für die Analyse heranzuziehen.

Die Lebensmittelökonominnen gingen vom dokumentierten Kalorienangebot der einzelnen Länder und einem errechneten Kalorienverbrauch der jeweiligen Bevölkerung aus und erstellten daraus eine Energiebilanz. Zusammen mit weiteren Daten - etwa der Kaufkraft - ergibt sich daraus ein schlüssiges Bild.

Wohlstand lässt die Wegwerfraten steigen

Dabei gilt laut der Studie: Je größer der Wohlstand in einem Land, desto mehr noch genießbares Essen schmeißen seine Bewohner weg. Mit ihrer Methode konnten die Forscherinnen sogar einen Schwellenwert errechnen, an dem Wohlstand in Verschwendung umschlägt. In einem Land, in dem die Menschen mehr als 6,70 Dollar täglich ausgeben, steht mehr Essen zur Verfügung als gegessen wird.

Ganz unumstritten sind die Ergebnisse nicht. Zwar überprüften die Forscherinnen ihr Modell mithilfe von Erhebungen aus den USA. Unklar ist aber, inwiefern sich diese auf den Rest der Welt umlegen lassen.

Zudem weisen die Forscherinnen darauf hin, dass es eine Dunkelziffer in der Selbstversorgung gibt. Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern dürfte diese eine Rolle spielen. Damit könnte sich der Wohlstand eines Landes zumindest weniger extrem auf die Verschwendung von Nahrungsmitteln auswirken, wie es die Studie nahelegt.

Bisher fußen alle Maßnahmen auf Freiwilligkeit

"Was wir aus den Ergebnissen lernen können, ist, dass die weggeworfene Menge eindeutig positiv mit dem Einkommen korreliert", sagte Matin Qaim, Dozent für Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, zu "Sueddeutsche.de". Die Präzision der Schätzungen solle aber nicht überbewertet werden, "weil das vorgestellte Modell viele wichtige Einflussgrößen nicht berücksichtigt". Bildung, Nachhaltigkeitsbewusstsein und kulturelle Unterschiede im Lebensstil fänden in der Studie beispielsweise keine Beachtung.

Auch Achim Spiller vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung schätzt die Daten der Studie für zu hoch ein. Die Wahrheit liege wohl irgendwo in der Mitte.

Beide Experten sehen jedoch beim Thema Lebensmittelverschwendung großen Handlungsbedarf. Es bräuchte eine politische Lösung - aktuell basiert Müllvermeidung praktisch rein auf Freiwilligkeit.

Verwendete Quellen:

  • PLOS ONE: Consumers discard a lot more food than widely believed: Estimates of global food waste using an energy gap approach and affluence elasticity of food waste
  • FAO: Global Food Losses and Food Waste
  • Sueddeutsche.de: Doppelt so viel Essen im Müll wie vermutet
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