Die Bilder, die seit einer Woche durch die Presse gehen, aufgenommen in einem der größten deutschen Milchviehbetriebe, erschütterten nicht nur Tierschützer. Offenbar wurden vor allem kranke Tiere brutal gequält. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ein trauriger Einzelfall oder Alltag für Tiere in kommerzieller Haltung wie auch im privaten Bereich?
Tiere im Todeskampf beim Milchviehbetrieb Endres: Kühe liegen mit offenen Knochenbrüchen im eigenen Kot. Sie werden getreten, geschlagen und durch eine Halle gezerrt. Beim Versuch, eine Kuh mit Gewalt in einen Transporter zu verfrachten, wird auf sie eingestochen.
Bilder, die kaum zu ertragen sind. Ein Sprecher der Tierrechtsgruppe SOKO Tierschutz, die maßgeblich an der Aufdeckung dieses Skandals beteiligt war, beschreibt die schlimme Tierquälerei als "Mischung aus Verrohung, Ignoranz und absoluter Gesetzlosigkeit".
Wo beginnt Tierquälerei?
Muss man schon Tierquälerei befürchten, wenn sich ein Hund durch häufiges Bellen bemerkbar macht? Die Inspektoren der Tierschutzvereine kontrollieren, sobald sie Meldungen von besorgten Tierschützern bekommen.
Oft stecken dann Nachbarschaftsstreitigkeiten hinter der vermeintlichen Tierquälerei. Lautes und häufiges Bellen fällt häufig mehr in den Bereich der Lärmbelästigung als unter das Tierschutzgesetz.
Der Tierschutzverein selbst würde zwar niemals einen Hund an jemanden vermitteln, der den ganzen Tag arbeitet und sich nur abends um das Tier kümmern kann, so Judith Brettmeister vom Tierschutzverein München. Aber in solchen Fällen einzugreifen, ist schwierig, denn rein rechtlich kann man einem Besitzer sein Tier nicht einfach wegnehmen.
Das sagt das Gesetz zu Tierquälerei
Durch das Strafgesetzbuch werden Tiere kaum geschützt, gelten sie dort noch immer als Sache. Laut StGB können Tiere Gegenstand von Sachbeschädigung, Diebstahl, Unterschlagung oder Hehlerei sein.
Lediglich das Tierschutzgesetz ahndet tierschutzwidriges Verhalten. Die oberste Prämisse lautet: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen" (TierSchG § 1). Tierquälerei in Form von Tötung oder Zufügung von Schmerzen wird in § 17 TierSchG als Straftat definiert, es drohen eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Allerdings ist nur die vorsätzlich begangene Tierquälerei strafbar, nicht jedoch die fahrlässige Tat oder der bloße Versuch. Diese können aber als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden und im Bußgeldverfahren nach § 18 TierSchG eine Geldbuße bis zu 25.000 Euro nach sich ziehen.
Strafbar ist außerdem die Tierquälerei oder Tötung durch Unterlassen, vorausgesetzt, es besteht eine Beziehung zum Tier. Lässt ein Hundebesitzer seinen Hund verhungern, so ist dies Tiertötung durch Unterlassen; hier droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Außerdem kann ein vorläufiges oder dauerhaftes Tierhalteverbot ausgesprochen werden.
Die Verantwortung des Tierhalters
Wer ein Tier hält oder betreut, geht Pflichten ein! Er muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, so nachzulesen in § 2 TierSchG. Das Tier muss die Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung erhalten, es dürfen ihm keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Außerdem sollte ein Tierhalter über die angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung Bescheid wissen. Was einleuchtend klingt, ist es oftmals nicht: Der Bernhardiner in der kleinen 2-Zimmer-Wohnung im 6. Stock oder der verfettete Dackel der einsamen alten Dame sind Beispiele, bei denen sich die Grenzen aufzeigen.
Warum quälen Menschen Tiere?
Manchmal führen Unkenntnis oder falsch verstandene Tierliebe zur Quälerei fürs Tier. Wenn Menschen Tiere ganz bewusst und massiv quälen, stellt sich die Frage nach dem Warum, insbesondere, wenn sie von Berufs wegen mit Tieren zu tun haben wie Bauern und Landwirte.
In der Psychologie wird Tierquälerei als Störung des Sozialverhaltens definiert. Häufig wird ein Zusammenhang zwischen Gewalt gegen Tiere und zwischenmenschlicher Gewalt beobachtet. Auch ein Abbau von aufgestauten Aggressionen wird als ursächlich genannt. Das dürfte allerdings eher auf Einzelpersonen zutreffen, und bei einem Betrieb wie im Allgäu zu kurz greifen.
Nicht wegschauen, wenn man Augenzeuge von Tierquälerei wird!
Werden Tiere schlecht gehalten oder gequält, sollte man Beweise sichern. Zeugen sind hilfreich, ebenso Fotos und Videoaufnahmen. Auch wenn Aufzeichnungen vor Gericht oft keinen Bestand haben, so sind sie für die Amtstierärzte ein wertvoller Hinweis.
Beobachtet man Tierquälerei auf offener Straße, sollte man am besten ein Foto machen und hinterhergehen, um Name und Adresse herauszufinden. Auch ein KFZ-Kennzeichen kann helfen. Der erste Ansprechpartner sollte der örtliche Tierschutzverein, das zuständige Veterinäramt oder die Polizei sein.
Was droht den Betreibern im Allgäu?
Im aktuellen Fall im Allgäu greifen sowohl Strafrecht als auch Verwaltungsrecht. Im Strafrecht kommt das Tierschutzgesetz zum Zuge; im Falle einer Verurteilung kann es zu einer Geld- und/oder Gefängnisstrafe kommen.
Das Verwaltungsrecht greift im Bereich des Grundgesetzes: Zwar ist in Art. 20a GG der Tierschutz verankert, aber in Art. 12 GG auch die Berufsfreiheit. Eine Berufsausübung ist jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Bei Zuwiderhandlung kann ein Betrieb geschlossen und ein Tierhalteverbot ausgesprochen werden.
Frau Brettmeister vom Tierschutzverein München: "Anders als beim Naturschutz dürfen die Verbände beim Tierschutz nicht klagen". Es gibt also niemanden, der im Namen der Tiere Klage erheben und vor Gericht deren Interessen vertreten kann. Letztlich wird also abgewogen werden, was schwerer wiegt: der Tierschutz oder die Berufsfreiheit.
Verwendete Quellen:
- Expertengespräch mit Frau Judith Brettmeister vom Tierschutzverein München
- SOKO Tierschutz
- Deutscher Tierschutzbund
- Tierschutzgesetz TierSchG
- Grundgesetz GG
- Strafgesetzbuch StGB
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