Da kann so mancher Mensch neidisch werden: Während hierzulande Schnee liegt und die Temperaturen sinken, verbringen einige Vögel diese Zeit in wärmeren Gefilden. Doch warum fliegen die Zugvögel in den Süden? Und warum bleiben sie nicht auch im Sommer im Süden und ersparen sich so den langen Flug?

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Im September und Oktober kann man scharenweise Vögel beobachten, die gen Süden ziehen. Die sogenannten Zugvögel überwintern in wärmeren Gebieten. Ab März kommen die ersten wieder zurück.

Je nachdem, wie weit die Vögel von ihrer Heimat wegfliegen, unterscheidet man zwischen Kurz-, Mittel- und Langstreckenziehern. Denn manche Vögel reisen nur nach Südfrankreich, andere fliegen bis nach Afrika.

Nach der Brutsaison gibt es in Deutschland etwa 550 Millionen Vögel, davon sind 87 Millionen Langstreckenzieher und 45 Millionen Kurz- und Mittelstreckenzieher. Ob ein Vogel im Winter in wärmere Gefilde zieht oder nicht, ist nicht seine eigene Entscheidung, es ist genetisch festgelegt – und das hat einen Grund.

Wie überleben die Vögel den Winter?

Im Winter sinken die Temperaturen in Deutschland, es fällt Schnee und gefriert. Außerdem werden die Tage kürzer. "Die Nahrungsverfügbarkeit ist damit sehr viel schlechter", meint Marius Adrion vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Die meisten Vögel, die hierzulande überwintern, sind nicht zwingend auf Insekten als Nahrung angewiesen. Sie können auf eine vegetarische Ernährung, wie zum Beispiel Samen von Bäumen, umstellen.

Nur manche dieser Standvögel, die auch den Winter in ihrer Heimat verbringen, ernähren sich von Insekten. Bei diesen Vogelarten ist der Körperbau darauf ausgerichtet, indem sie beispielsweise einen langen Schnabel besitzen, mit dem sie in der Borke von Bäumen noch kleine Lebewesen finden.

Warum verlassen Vögel ihre Heimat?

Zugvögel dagegen müssen in die Ferne fliegen, um zu überleben, denn sie sind nicht auf den harten Winter eingestellt. "Am Äquator haben die Vögel etwa zwölf Stunden Tageslicht, in dem sie Nahrung suchen können. Außerdem herrscht in vielen Gebieten Regensaison, wodurch die Vögel viele Insekten finden."

Würden die Zugvögel jedoch auch im Sommer im Süden bleiben, hätten sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn dann herrsche in afrikanischen Ländern Trockenheit, die Futtersuche sei schwieriger, erklärt Adrion. Für die Brut und Aufzucht der Jungen wären die klimatischen Verhältnisse nicht geeignet und das Futter würde nicht ausreichen.

Dagegen haben die Zugvögel in ihrer eigentlichen Heimat im Sommer die perfekten Bedingungen, um ihre Jungen groß zu ziehen: Auch hierzulande sind die Tage dann länger und die Tiere finden genug Futter.

Phänomen der Kurzstreckenzieher in Städten

Kurzstreckenzieher haben sich schon seit Jahren an die heutige Zeit angepasst. Staren, Buchfinken oder Rotkehlchen fliegen oft nicht mehr in wärmere Länder, sondern überwintern in Städten. "Dort ist es nicht nur wärmer, sondern sie haben auch eine verlässliche Nahrungsquelle: die Abfälle der Menschen", weiß der NABU-Experte. "Man kann in Berlin am Alexanderplatz im tiefsten Winter Stare sehen, die sich von Fast-Food-Resten ernähren."

Zwar könne man diese Entwicklung nicht speziell auf den Klimawandel zurückführen. Doch die veränderten Temperaturverhältnisse haben durchaus einen Effekt auf einige Zugvögel.

Klimawandel beeinflusst die Zugvögel

Die Auswirkungen des Klimawandels seien auf Kurz- und Mittelstreckenzieher andere als auf Langstreckenzieher, meint Adrion. "Kurz- und Mittelstreckenflieger, die beispielsweise im Mittelmeerraum überwintern, können auf veränderte Temperaturen relativ schnell reagieren." Steigen die Temperaturen schon früher an, können sie auch eher in die Brutgebiete zurückkehren. "So haben sie mehr Zeit, ihre Jungen großzuziehen."

Im Gegensatz dazu hätten die Langstreckenflieger, die bis über das Mittelmeer und über die Sahara bis nach Südafrika fliegen, einen großen Nachteil. "Ihre Zugstrategie ist genetisch fixiert. Sie fliegen immer zu einem bestimmten Zeitpunkt hin und auch wieder zurück." Sie würden nicht merken, wenn die Temperaturen in Mitteleuropa schon im März geeignet für die Brut wären. Solche Langstreckenzieher fliegen dann trotzdem erst später zurück. Im Gegensatz zu den Kurz- und Mittelstreckenziehern haben die Langstreckenzieher dann weit weniger Zeit für die Brut und Aufzucht ihrer Jungen.

Über lange Zeit gesehen könnten sich auch die Langstreckenzieher anpassen, meint Adrion. "Die Frage ist aber nur, wie schnell kann so was gehen im Vergleich dazu, wie schnell sich die Temperaturen ändern." Auch hier laufe man Gefahr, dass auf lange Sicht gesehen nur die Arten überleben, die sowieso früher in ihre Brutgebiete fliegen und so mehr Jungtiere bekommen.

Quellen:

  • Gespräch mit Marius Adrion vom Naturschutzbund Deutschland
  • NABU: Amsel, Drossel, Fink und Star – Wer bleibt da? So überleben Vögel den kalten Winter.
  • dpa
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