Wie stark jemand von einer Psychotherapie profitieren kann, hängt auch von eigenen Sichtweisen und Eigenschaften ab. Wer es leichter hat – und wer sich schwerer tut.

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Was macht einen guten Patienten aus? Die Frage klingt zunächst vermessener, als sie gemeint ist. Nein, es geht nicht darum, dass es gute und schlechte Patienten gibt und die schlechten, die müssen gar nicht erst zur Therapie kommen. Auch soll der Text nicht zu der Vorstellung führen, dass der Patient schuld sei, wenn eine Therapie keinen Erfolg bringt.

Was damit stattdessen gemeint ist: Es gibt durchaus einige Faktoren auf Patientenseite, die dazu führen, dass eine Psychotherapie mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich verläuft. Und welche davon eine Rolle für den Therapie-Erfolg spielen, das haben Forscher mittlerweile in zahlreichen Studien untersucht.

Voraussetzungen, Attribute, Charaktereigenschaften

Zunächst einmal zu den Basics:

  • Das Alter: Hat keinen Einfluss. Fast keinen. Einzig scheinen jüngere Patienten Therapien ein wenig häufiger abzubrechen als ältere.
  • Das Geschlecht: So lala. Es gibt Studien, die zeigen, dass Frauen etwas stärker von einer Psychotherapie profitieren als Männer. In anderen Studien zeigte sich ein solcher Effekt allerdings nicht. Sollte es den Effekt geben, dürfte er also eher gering sein.
  • Der sozioökonomische Status: Der hat schon einen Einfluss. Je niedriger er ist, desto schlechter ist auch das Ergebnis der Therapie.

Darüber hinaus gibt es einige Charaktereigenschaften, die damit zusammenhängen, wie gut eine Therapie verläuft. Eine davon: die Art der Kontrollüberzeugung. Es gibt Menschen, die sehen die Verantwortung für Dinge, die ihnen im Leben widerfahren, bei sich selbst. Internale Kontrollüberzeugungen nennen Psychologen das. Und es gibt Menschen, die denken, dass die Dinge halt kommen, wie sie kommen, und man selbst wenig bis gar keinen Einfluss darauf hat – eine externale Kontrollüberzeugung.

Für den Erfolg einer Psychotherapie ist die erste Sichtweise besser. Eine weitere nützliche Eigenschaft ist die "Psychological Mindedness". Damit meinen Psychologen die Fähigkeit zu Selbstreflexion und Introspektion. Und schließlich tragen auch Motivationsfähigkeit und Problemlösefähigkeit zu einem erfolgreichen Ausgang der Therapie bei.

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Neben diesen dem Therapie-Erfolg zuträglichen Eigenschaften gibt es aber auch einige eher hinderliche Persönlichkeitsmerkmale. Perfektionistische, selbstkritische Menschen profitieren weniger von einer Behandlung. Auch sind Psychotherapien weniger effektiv, je größer die Bindungsangst von Patienten ist – schließlich ist es hilfreich, wenn sie eine gewisse Verbindung zum Therapeuten aufbauen können. Und ebenfalls schwerer haben es Menschen, die sich grundsätzlich mit Veränderungen schwertun. Denn eine Psychotherapie hat ja genau das zum Ziel: eine Veränderung.

Motivation und Vertrauen in die Therapie spielen eine große Rolle

Man kann aus diesen Punkten vielleicht eines herauslesen. Haltung und Sichtweisen der Patienten spielen bei der Psychotherapie eine große Rolle. Überhaupt nimmt der Patient eine deutlich größere Rolle im Behandlungsprozess ein als an vielen anderen Stellen der Medizin.

Eine Psychotherapie ist etwas anderes als die OP eines gebrochenen Beins, bei der ein Chirurg die Gliedmaßen richtet und schient. Hier hält sich die Eigenleistung des Patienten in Grenzen.

Nicht falsch verstehen – auch da helfen ein positives Mindset und das richtige Reha-Verhalten von Operierten weiter. Die Psychotherapie aber ist eine dynamische Zweipersonen-Sache, der Therapeut könnte den Patienten niemals ohne dessen Mithilfe behandeln. Deshalb sind Motivation, Vertrauen in die Therapie, Kontrollüberzeugungen und die anderen genannten Faktoren so wichtig.

Verhaltensweisen der Patienten

Und deswegen spielt letztlich auch das Verhalten der Patienten eine große Rolle. Fünf Verhaltensweisen sind besonders wichtig:

  • Erstens: Wie stark sich ein Patient an den Rahmen der Therapie und die mit dem Therapeuten vereinbarten Regeln hält.
  • Zweitens: Wie stark sich ein Patient in der Therapie engagiert, also etwa seine Hausaufgaben macht. Das ist durchaus wörtlich gemeint – Therapeuten geben gerne Hausaufgaben, also kleine Übungen für die Zeit bis zur nächsten Sitzung.
  • Drittens: Wie gut ein Patient die Therapieinhalte emotional verarbeitet.
  • Viertens: Wie erfolgreich ein Patient die neuen, in der Therapie erarbeiteten Erkenntnisse in seinen Alltag integriert und die neu gelernten therapeutischen Strategien auf seine eigenen Themen und Probleme anwendet.
  • Fünftens: Je besser Patienten ihre Emotionen ausdrücken können – manchmal ist es ja gar nicht so leicht, seine Gefühle richtig zu erkennen und zu benennen –, desto besser verläuft in der Regel auch die Therapie.

Erfolge bleiben individuell

Nun bleibt zum Abschluss noch eine Warnung, eine Interpretationshilfe zum Vorangeschriebenen. Alle diese Zusammenhänge, die Forscher in ihren Studien beobachten, sind durchschnittliche Werte. Vergleicht man 100 Perfektionisten mit 100 Larifaris, fallen die Therapieergebnisse bei den Perfektionisten ein wenig schlechter aus. Das heißt aber nicht, dass sie nicht von einer Psychotherapie profitieren. Das heißt nur, sie haben es etwas schwerer. Und auch das nur: im Durchschnitt.

Bei den 100 Leuten sind sicher auch einige Perfektionisten dabei, die sehr gute Erfolge erzielen. Umgekehrt gibt es einige weniger perfektionistische Menschen, bei denen die Therapie nicht gut funktioniert. Sollte eine Erkenntnis hängen bleiben, dann vielleicht diese: Psychotherapie funktioniert und sie funktioniert dann besonders gut, wenn ein Patient daran glaubt und im besten Fall auch noch Lust darauf hat.

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