Sorgen und Ängste prägen die Stimmung einer Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland. Im Osten Deutschlands noch wesentlich stärker als im Westen.
Kriege, Inflation und ein geringes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierenden bewirken, dass sich die Bevölkerung in Deutschland aktuell weniger sicher fühlt als in den Jahren zuvor. Das zeigen die in Berlin vorgestellten Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Centrums für Strategie und Höhere Führung.
Dabei treten auch teils große Unterschiede zwischen Ost und West zutage, etwa was die Einschätzung Russlands betrifft und die Sorge, im Krankheitsfall nicht gut versorgt zu werden. "West- und Ostdeutschland driften zurzeit auseinander. Das ist ein Problem, dem viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird", sagte die Leiterin des Meinungsforschungsinstituts, Renate Köcher. Im Osten hätten mehr Menschen als im Westen das Gefühl, dass "die Welt, in der sie aufgewachsen sind, abstirbt".
Sicherheitsgefühl nimmt ab
Wie aus dem Sicherheitsreport 2024 hervorgeht, fühlen sich derzeit 61 Prozent der Bevölkerung insgesamt sicher. Zwei Jahre zuvor lag der Anteil noch bei 76 Prozent. Die Situation im Nahen Osten wird inzwischen als ähnlich bedrohlich wahrgenommen wie der im Februar 2022 begonnene russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Dabei halten den Angaben zufolge 27 Prozent der Bevölkerung in Deutschland das Vorgehen Israels gegen die Hamas im Gazastreifen für angemessen, 43 Prozent der Befragten finden die Reaktion auf den terroristischen Angriff vom 7. Oktober übertrieben, 30 Prozent äußerten sich unentschieden. Dass von Russland die größte Bedrohung für den Frieden in der Welt ausgeht, denken demnach 80 Prozent der Menschen im Westen und 53 Prozent der Bevölkerung Ostdeutschlands.
Eine "allgemeine Unsicherheit, wie es weitergeht" spüren laut der aktuellen Ausgabe des Sicherheitsreports 68 Prozent der Menschen in Ostdeutschland und 46 Prozent im Westen. Mehr Sorgen als ihren Landsleuten im Westen machen den Menschen im Osten demnach unter anderem der Zuzug von Flüchtlingen nach Europa und die Entwicklung der Energie- und Heizkosten. Dass Deutschland in militärische Konflikte hineingezogen werden könnte, befürchten laut Untersuchung 76 Prozent der Menschen in Ostdeutschland und 44 Prozent im Westen.
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Ängste um materielle Situation zurückgegangen
Ängste, die eine mögliche Verschlechterung der eigenen materiellen Situation betreffen, sind im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen. Obwohl die Stimmung in der deutschen Wirtschaft derzeit insgesamt nicht gut ist, sehen sich lediglich elf Prozent der Befragten persönlich von Arbeitslosigkeit bedroht. Die Sorge, dass das Geld im Alter nicht reichen könnte, treibt zwar eine Mehrheit von 55 Prozent um. Im Vorjahr war dieser Wert allerdings mit 67 Prozent noch deutlich höher gewesen.
Relativ gering ist laut Umfrage die Zustimmung der Bevölkerung zur aktuellen Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Diese halten demnach insgesamt 65 Prozent der Befragten für nicht richtig. Stärker als im Durchschnitt ist diese Kritik bei Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer Bildung sowie bei Anhängern von AfD (98 Prozent) und FDP (88 Prozent).
Aus einer Liste von Gruppen, von denen große Gefahren ausgehen, wählten 86 Prozent der Befragten islamistische Gruppierungen, 81 Prozent sehen solche Gefahren durch "Clans, Großfamilien aus dem arabischen Raum". Der Begriff "Clans" ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert.
Rechtsextremisten halten demnach 76 Prozent der Bevölkerung für sehr gefährlich. Über Linksextremisten denken dies 46 Prozent. Fast genau so viele Menschen sagen dies über die Anhänger der AfD (44 Prozent), wobei der Anteil in Ostdeutschland mit 29 Prozent deutlich niedriger ist. Bundesweit 30 Prozent halten Klimaaktivisten für sehr gefährlich.
Schutzmaßnahmen gegen Naturkatastrophen
Nur noch jeder Zehnte glaubt laut Umfrage, dass die Ukraine den Krieg für sich entscheiden kann. 34 Prozent denken, dass Russland die Oberhand gewinnen wird. 56 Prozent trauten sich dazu keine Einschätzung zu. Bei der Befragung vor einem Jahr glaubten noch 16 Prozent der deutschen Bevölkerung an einen für die Ukraine günstigen Ausgang dieses Krieges. 23 Prozent sagten damals voraus, dass Russland den Krieg eher für sich entscheiden würde.
Den Angaben zufolge fordern 89 Prozent der Bevölkerung bessere Schutzmaßnahmen gegen Naturkatastrophen, knapp vier von fünf Menschen (79 Prozent) in Deutschland befürworten höhere Investitionen in die Ausstattung der Polizei. 72 Prozent halten mehr Investitionen in die Ausstattung der Bundeswehr für notwendig.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe eine Zeitenwende bei der Bundeswehr angekündigt, "und die Mehrheit der Bürger fragt sich, wo und wie die eigentlich stattfindet", sagte der Gründer des Centrums für Strategie und Höhere Führung, Klaus Schweinsberg. Das Centrum ist ein privater Dienstleister, der spezialisiert ist auf die Fortbildung von Führungskräften.
Für die repräsentative Untersuchung waren vom 5. Januar bis zum 18. Januar 1.018 Menschen im Alter ab 16 Jahren befragt worden. (dpa/tas)
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