Jedes Jahr sterben in Deutschland Menschen nach einer Infektion mit dem Borna-Virus. Die meisten Infektionen hierzulande treten in Bayern auf, doch das Virus ist in weiten Teilen Deutschlands verbreitet. Die Infektion gilt zwar als extrem selten – doch in den meisten Fällen endet sie tödlich. Was ist das Borna-Virus? Und wie kann man sich schützen?

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Was ist das Borna-Virus?

Das Borna-Virus (BoDV-1) ist schon seit Langem als Erreger der Borna'schen Krankheit bei Pferden und Schafen bekannt. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung, die man heute auch unter dem Namen BoDV-1-Meningoenzephalitis kennt, schon 1885: Alle Kavalleriepferde eines Regiments in der sächsischen Region Borna verendeten damals an der mysteriösen "hitzigen Kopfkrankheit". Erst rund 100 Jahre später konnten Wissenschaftler das Borna-Virus als Ursache für die Seuche identifizieren.

Doch nicht nur Pferde und Schafe sind davon betroffen, auch andere Säugetiere können als sogenannte Fehlwirte infiziert werden und schwer erkranken - darunter auch Mensch. 2018 wurde das Virus erstmalig als Ursache für schwere Gehirnentzündungen beim Menschen nachgewiesen. Seitdem gilt die Borna'sche Krankheit als Zoonose, eine Infektionskrankheit, die von Tieren auf Menschen übertragen werden kann und umgekehrt.

Welche Tiere übertragen das Borna-Virus?

Der natürliche Wirt des Erregers ist die Feldspitzmaus Crocidura leucodon. Die Mäuse selbst erkranken nicht an dem Virus, scheiden den Erreger jedoch ein Leben lang über Speichel, Kot und Urin aus. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt es keine Hinweise darauf, dass andere Tiere infektiös für Menschen sind. Fehlwirte wie Pferde, Schafe oder Katzen scheiden das Virus nach bisherigen Erkenntnissen nicht aus und können es somit nicht übertragen. Auch eine Ansteckung von Mensch zu Mensch gilt daher als sehr unwahrscheinlich.

2015 wurde das Borna-Virus VSBV-1 entdeckt, ein Verwandter des unter Spitzmäusen zirkulierenden BoDV-1. VSBV-1 wurde bei Bunt- und Schönhörnchen (Sciurus variegatoides und Callosciurus prevostii) sowie bei anderen verwandten exotischen Hörnchenarten nachgewiesen.

In seltenen Fällen kam es nach Angaben des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg zu Übertragungen des Virus auf Züchter oder Tierpfleger, die ebenfalls zu schweren, zumeist tödlich verlaufenden Gehirnentzündungen führten. Bei den bei uns heimischen Eichhörnchen wurde das Virus bislang nicht nachgewiesen. Aktuell gibt auch keine Hinweise darauf, dass VSBV-1 in anderen Tierarten als Hörnchen vorkommt.

Welche Symptome treten bei einer Borna-Virus-Infektion auf?

Der klinische Verlauf der Erkrankung ist bisher nur für wenige Fälle beschrieben. Mediziner gehen davon aus, dass nach einer Inkubationszeit von wenigen Wochen bis Monaten zunächst unspezifische Symptome auftreten. Dazu zählen:

  • Abgeschlagenheit
  • Kopfschmerzen
  • Fieber
  • Leistungsabfall

Durch die Immunabwehr des Körpers ziehen sich die Borna-Viren in die Zellen des zentralen Nervensystems zurück, was zu neurologische Komplikationen führt wie:

  • Desorientierung
  • Bewusstseinsstörung
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • Sprachstörungen
  • Schluckstörungen
  • Bewegungsstörungen
  • epileptische Anfälle

Im weiteren Verlauf hat sich bei den bekannten Fällen nach wenigen Tagen eine schwere Gehirnhautentzündung (Enzephalitis) entwickelt, infolge derer die Patienten innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen ins Koma fielen.

Mit Ausnahme eines Borna-Virus-Patienten starben alle Infizierten in der Regel nach kurzem, schwerem Verlauf. Auch Pferde, Schafe oder Katzen sterben meist innerhalb weniger Wochen und Monate nach Symptombeginn. Die Letalitätrate ist extrem hoch – was das Borna-Virus zu einem hochgefährlichen Virus für Tiere und Menschen macht.

Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Ob auch asymptomatische oder mild verlaufende Infektionen auftreten können, ist unbekannt. Wissenschaftler gehen allerdings von einer Dunkelziffer aus, sodass die tatsächliche Zahl der Infektionen die der registrierten Fälle übersteigen könnte.

Allerdings wurden in der bayrischen Gemeinde Maitenbeth, in der seit 2019 zwei Kinder an der Virus-Infektion verstorben sind, einer Studie der Universität Regensburg zufolge keine weiteren Kontakte mit dem gefährlichen Erreger identifiziert. Teilgenommen hatten 679 Einwohner, rund 40 Prozent aller Erwachsenen im Ort. Weder in Blutproben noch in Nasenabstrichen fanden die Forscher Antikörper gegen das Virus.

Wie wird eine Borna-Virus-Infektion nachgewiesen und behandelt?

Da die Symptome vor allem zu Beginn der Erkrankung unspezifisch sind, können Borna-Virus-Infektionen nur labordiagnostisch festgestellt werden. Mit einem PCR-Test kann im Nervenwasser- oder Gewebe von Verstorbenen das Erbgut des Virus nachgewiesen werden. Bei lebenden Patienten kann das Blut oder Nervenwasser auf spezifische Antikörper gegen das Borna-Virus untersucht werden, die das Immunsystem nach Eindringen des Erregers bildet.

Neben dem Bernhard-Nocht-Institut wird die Diagnostik auch von verschiedenen Universitätskliniken angeboten. Seit 2019 ist die Erkrankung meldepflichtig. Wurde eine Borna-Virus-Infektion beim Menschen nachgewiesen, muss sie gemäß §7 IfSG an das Gesundheitsamt gemeldet werden.

Eine spezifische Therapie gegen die Borna'sche Krankheit gibt es derzeit nicht. Die Behandlung besteht lediglich aus unterstützenden Maßnahmen mit intensivmedizinischer Betreuung. Außerhalb des Organismus wurde in Studien die Wirksamkeit der Virostatika Ribavirin und Favipiravir gezeigt, allerdings sind die beiden Medikamente nicht zur Therapie von Borna-Virus-Infektionen zugelassen. Die Behandlung mit Virostatika ist damit als experimentell anzusehen. Auch für infizierte Tiere gibt es bisher keine wirksame Therapie.

In welchen Gebieten kommt das Borna-Virus vor?

Die Feldspitzmaus Crocidura leucodon ist in Mittel- und Südosteuropa heimisch, doch nicht überall, wo die Feldspitzmaus vorkommt, zirkuliert auch das Virus. Bislang wurde BoDV-1 in Mäuse-Populationen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz festgestellt.

Außerhalb der genannten Länder, etwa in Italien, Frankreich und Tschechien, konnte das Borna-Virus nicht nachgewiesen werden. Ob auch andere verwandte Spitzmausarten das Virus tragen und übertragen können, wird nach Angaben des RKI derzeit untersucht.

Zu den Risikogebieten in Deutschland gehören insbesondere Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen sowie Teile angrenzender Bundesländer.

Wie hoch ist das Infektionsrisiko?

Das Borna-Virus ist zwar gefährlich, das Ansteckungsrisiko in Deutschland gilt jedoch als äußerst gering. Nach Angaben des RKI treten in Deutschland ungefähr zwei bis sechs Infektionen pro Jahr auf.

Die Mehrzahl der Ansteckungen in Deutschland ist laut dem Forschungskonsortium "ZooBoCo" wahrscheinlich auf den direkten Kontakt mit einer infizierten Feldspitzmaus oder deren Ausscheidungen zurückzuführen. Ähnlich dem Übertragungsweg von Hanta-Viren hält das RKI den Verzehr von verunreinigten Lebensmitteln sowie das Einatmen kontaminierter Staubpartikel für einen möglichen Infektionsweg. Wie genau die Übertragung vom Tier auf den Menschen stattfindet, ist jedoch nicht im Detail bekannt.

Ein mögliches Infektionsrisiko besteht in Risikogebieten vor allem bei Aktivitäten im Freien, zum Beispiel bei der Gartenarbeit. In der Forst- und Landwirtschaft sowie im Bauwesen haben Menschen ein erhöhtes Risiko, mit Ausscheidungen infizierter Tiere in Kontakt zu kommen. Auch der Aufenthalt in und vor allem die Reinigung von Gebäuden, in denen Spitzmäuse vorkamen, stellt ein Risiko dar.

Wie kann ich mich vor einer Ansteckung schützen?

Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, sollten Sie generell den Kontakt zu Spitzmäusen und deren Ausscheidungen vermeiden. Insbesondere in bekannten BoDV-1-Risikogebieten sollten Sie besondere Vorsicht walten lassen:

  • Halten Sie keine Spitzmäuse als Haustiere.
  • Berühren Sie lebende und tote Spitzmäuse nicht mit bloßen Händen.
  • Besprühen Sie tote Spitzmäuse und Ausscheidungen vor der Entsorgung mit einem Reinigungs- oder Desinfektionsmittel, um ein Aufwirbeln virusbeladener Staubpartikel zu vermeiden.
  • Säubern Sie potenziell kontaminierte Flächen wie Böden oder Oberflächen gründlich mit Haushaltsreiniger.
  • Stellen Sie Spitzmäuse in ihrem häuslichen Umfeld fest, sollten Sie die Nahrungsquelle der Tiere (z. B. Hunde- oder Katzenfutter, Komposthaufen oder gelagerte Lebensmittel) ausfindig machen und sie ihnen entziehen.
  • Nach Arbeiten im Garten oder der Garage, wo sich potenziell Mäuse aufhalten können, sollten Sie duschen und die getragene Kleidung waschen.

Verwendete Quellen

  • Focus Online: "Gefährliches Borna-Virus: Im gleichen Dorf sterben 2 Kinder an seltener Krankheit - was wir wissen"
  • RKI: "Informationen zur Vermeidung von Infektionen mit dem Borna Disease Virus 1"
  • Deutsches Ärzteblatt: "Borna-Virus-Infektionen: Hohe Letalität durch fulminante Meningoenzephalitiden"
  • BOSPEK-Studie der Universität Regensburg und dem bayrischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  • Bernhard-Nocht-Institut: "Enzephalitiden durch Borna-Viren (BoDV-1 und VSBV-1)"
  • Homepage des Forschungskonsortium "ZooBoCo"
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